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PolitikBelarus

Belarus: Haftstrafe für Blogger Roman Protassewitsch

Marta Sakavik
3. Mai 2023

Im Mai 2021 wurde Blogger Roman Protassewitsch festgenommen - nachdem eine Ryanair-Maschine in Minsk zur Landung gezwungen worden war. Jetzt wurde er verurteilt, obwohl er öffentlich seine oppositionelle Arbeit bereute.

Roman Protassewitsch während einer Pressekonferenz in Minsk
Der inhaftierte und zu acht Jahren Straflager verurteilte Blogger Roman ProtassewitschBild: Ramil Nasibulin/BelTA/REUTERS

Acht Jahre Strafkolonie mit verschärfter Anstaltsordnung - so lautet das Urteil gegen Roman Protassewitsch. Er wurde am 3. Mai von einem Gericht in Minsk verurteilt. Dem Blogger wurde die Organisation von Unruhen, Aufstachelung zum Hass, Gründung einer extremistischen Gruppe, Verschwörung zur Machtergreifung und öffentliche Beleidigung von Machthaber Alexander Lukaschenko zur Last gelegt. Nur zwei Tage nach dem Urteil wird Protassewitsch 28 Jahre alt. Fast zwei Jahre stand er in Belarus unter Hausarrest.

Festgenommen wurde Protassewitsch am 23. Mai 2021, als er mit seiner damaligen Freundin Sofia Sapega in einem Flugzeug von Athen nach Vilnius saß. Als das Ryanair-Flugzeug für kurze Zeit durch belarussischen Luftraum flog, wurden die Piloten von den Lotsen in Minsk gewarnt, es befände sich eine Bombe an Bord. Ein belarussischer Kampfjet begleitete die Maschine bis zu ihrer erzwungenen Landung in Minsk. Dort wurde der Blogger sofort festgenommen. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation stellte später fest, dass es sich um einen absichtlich falschen Bombenalarm gehandelt habe.

Wer ist Roman Protassewitsch?

Bis 2020 arbeitete Protassewitsch als freier Journalist in Belarus für "Radio Liberty" und den Sender "Euroradio". Dann wurde er Chefredakteur des Telegram-Kanals "Nexta" mit über 2,1 Millionen Followern, der über die Massenproteste gegen Alexander Lukaschenko und die gefälschte Präsidentenwahl im August 2020 sowie die Gewalt seitens der Polizei berichtete. Er kündigte aber auch Demonstrationen an. Ab Ende September 2020 leitete Protassewitsch den Telegram-Kanal "Belarus golovnogo mosga", zu Deutsch "Belarus im Gehirn". Beide Kanäle wurden von den belarussischen Behörden als "extremistisch" eingestuft. Protassewitsch lebte im Exil, zunächst in Polen, dann in Litauen.

Die in Belarus abgefangene Ryanair-Maschine mit Roman Protassewitsch an BordBild: picture alliance/dpa/ONLINER.BY/AP

Nach der Festnahme von Protassewitsch zeigte der belarussische Staatssender ONT zwei Interviews mit ihm. Im ersten waren Blutergüsse und Spuren von Handschellen an seinen Handgelenken zu erkennen und im zweiten sagte Protassewitsch, er fühle sich "großartig". Er machte zudem kontroverse Aussagen und nannte die Namen von Teilnehmern in Chats, in denen Protestaktionen besprochen wurden. Einige der Personen befanden sich zu dem Zeitpunkt in Belarus. Unter welchen Umständen die Gespräche aufgezeichnet wurden, ist unklar. Protassewitschs Anwältin hatte vergeblich eine ärztliche Untersuchung verlangt, um die Anwendung körperlicher Gewalt und Folter ausschließen zu können.

"Freiwillige Zusammenarbeit mit den Ermittlern"

Im Juni 2021 organisierte das belarussische Außenministerium ein Briefing, bei dem die Behörden Journalisten und Diplomaten überzeugen wollten, dass die erzwungene Landung jener Ryanair-Maschine "rechtmäßig" war. Überraschend nahm an dem Briefing auch Roman Protassewitsch teil, der davor wochenlang im KGB-Untersuchungsgefängnis gesessen hatte. Vor den Journalisten versicherte Protassewitsch, er arbeite freiwillig mit den Ermittlern zusammen, stellte jedoch klar, kein politischer Anhänger Lukaschenkos zu sein.

An dem Briefing nahm auch Tatjana Korowenkowa teil, eine Journalistin der nichtstaatlichen Agentur "BelaPAN". Sie wandte sich direkt an Protassewitsch und sagte: "Roman, ich habe mit Ihnen aufrichtiges Mitgefühl, wie viele Ihrer Kollegen in Belarus. Ich kann mir vorstellen, was Ihnen angetan wurde. Ich glaube Ihnen kein einziges Wort. Halten Sie durch."

Unter Arrest: Interviews, Streams und Heirat

Trotz der schweren Vorwürfe kam Roman Protassewitsch vom Gefängnis in Hausarrest. Er erhielt Zugang zu sozialen Netzwerken und Messengern. Im Januar 2022 gab er bekannt, dass er mit dem sogenannten Menschenrechtszentrum "Sistemnaja Prawosaschtschita" kooperiere. Die Organisation wurde von einem pro-russischen Aktivisten während der Migrationskrise an der Grenze zwischen Belarus und der EU geschaffen.

Unter Hausarrest gab Protassewitsch Interviews und veranstaltete Streams. Er erklärte seinen Followern, dass "nur die zuständigen Behörden eine Bewertung bestimmter Ereignisse abgeben können", und betonte, er sei im Sommer und Herbst 2020 "ein ideologischer Dummkopf gewesen". Ferner kritisierte er die demokratischen Kräfte und bezeichnete die Proteste von 2020 als Fehler. Über Sofia Sapega sagte er, er bedauere, dass sie zufällig in diese Sache geraten sei. Im Mai 2022, nur drei Tage nach ihrer Verurteilung zu sechs Jahren Haft, gab er bekannt, eine andere Frau geheiratet zu haben.

Von einer Geisel zum Anhänger des Regimes?

Am 16. Februar 2023 begann in Minsk der Prozess gegen Roman Protassewitsch, dem er ohne Handschellen und nicht in einem Käfig sitzend beiwohnen durfte, was in Belarus ungewöhnlich ist. Während der Verhandlungen sagte Protassewitsch gegen seine ehemaligen Kollegen, die "Nexta"-Redakteure Stepan Putilo und Jan Rudik, sowie gegen den Blogger Eduard Paltschis und die Politologin Waleria Kostjugowa aus, die im März zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

2021 gab es weltweit Aktionen zur Unterstützung von Roman ProtassewitschBild: Niall Carson/PA Wire/dpa/picture alliance

Öffentlich bestreitet Protassewitsch, dass die belarussischen Behörden Druck auf ihn ausgeübt haben. Er erklärt, dass er alles bereue und sich seine Ansichten geändert hätten. Einige seiner Äußerungen lösten daher kontroverse Reaktionen aus.

"Viele verurteilen Protassewitsch, aber ich kann es nicht", sagt Tatjana Korowenkowa, die ihn bei jenem Briefing vor zwei Jahren unterstützte. "Ich werde keinen Stein auf ihn werfen, weil ich nicht in seiner Lage war. Ich weiß nicht, wie ich selbst in einer solchen Situation gehandelt hätte. Wer solchen Druck nicht selbst erfahren hat, hat kein moralisches Recht, ihn zu verurteilen", sagt die Journalistin und fügt hinzu, dass die Haftbedingungen politischer Gefangener erschreckend seien. "Sie sind für jemanden, der sich nicht jahrelang auf den Kampf gegen das Regime eingestellt hat, nur schwer zu ertragen", so Korowenkowa. Hauptsache sei, "sich selbst zu retten und so schnell wie möglich mit minimalen gesundheitlichen, geistigen und körperlichen Schäden dort wieder herauszukommen".

Der Politologe Grigorij Nischinkow betont jedoch, dass Protassewitsch nach seinen "Geständnissen" und "Reuebekundungen" kontrovers wahrgenommen werde. Doch man dürfe nicht vergessen, in welcher Lage sich der Blogger befinde. "Roman führt sich öffentlich von Belarus aus so auf, weil er dort eine Geisel ist. Sein Verhalten ist die Strategie, für die er sich entschieden hat. Es ist schwierig, ihn dafür zu verurteilen oder irgendwie zu bewerten. Schließlich weiß doch jeder, was das belarussische Regime bedeutet", so Nischinkow.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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