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PolitikBelarus

Belarus: Botschaften stellen keine Pässe mehr aus

Evgeny Zhukov | Nikita Jolkver | Marta Sakavik
16. September 2023

Laut Dekret von Machthaber Alexander Lukaschenko können Belarussen im Ausland keine neue Pässe mehr erhalten, sondern müssen dafür in ihre Heimat reisen. Die Opposition im Exil rät davon ab und arbeitet an einer Lösung.

Eine Frau mit einem belarussischen Pass
Der belarussische Pass wird zukünftig nur noch im Land selbst ausgestellt Bild: Pavel Golovkin/AP/picture alliance

Die belarussischen diplomatischen Vertretungen werden den Belarussen im Ausland keine neuen Pässe mehr ausstellen. Ein vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko unterzeichnetes und am 7. September in Kraft getretenes Dekret sieht ein neues Verfahren zur Ausstellung von Dokumenten vor.

Bürger, die sich im Ausland aufhalten, müssen sich nun direkt an die Behörden der Orte in Belarus wenden, wo sie zuletzt als wohnhaft gemeldet waren. Gleiches gilt für den Umtausch und die Verlängerung eines Reisepasses.

Laut dem neuen Dekret dürfen die diplomatischen Vertretungen des Landes auch nicht mehr die Gültigkeit von Reisepässen von Personen im Ausland verlängern. Ein im Ausland lebender belarussischer Staatsbürger kann einen biometrischen Reisepass nur über das Außenministerium oder das Innenministerium der Republik Belarus erhalten. Bisher war dies auch über die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen möglich.

Alexander Lukaschenko ist in Belarus seit 1994 an der MachtBild: ALEXANDER NEMENOV/AFP/Getty Images

Darüber hinaus können dem Dekret zufolge auch Fragen, die Eigentum und Vermögen betreffen, nur noch persönlich vor Ort oder auf der Grundlage einer in Belarus ausgestellten Vollmacht geregelt werden.

Warum Belarussen ihr Land verlassen

Nach Angaben des belarussischen Forschungszentrums BEROC konnten in den letzten zwei Jahren bis zu 172.000 Belarussen allein in den EU-Ländern eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

Die Zahl der belarussischen Ex-Pats ist jedoch deutlich höher, wenn man diejenigen berücksichtigt, die nach Georgien, in die Türkei, in die Ukraine, nach Usbekistan, Armenien, in die USA und in andere Länder gezogen sind. In den Jahren 2021 und 2022 sind die meisten Belarussen in die Nachbarländer Litauen und Polen gegangen.

Anastasia Lusgina, leitende Mitarbeiterin des Forschungszentrums, sagt, Grund dafür sei das relativ einfache Anmeldeverfahren dort und die Möglichkeit, anstelle eines Reisepasses ein Reisedokument oder eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Zudem spiele die geografische und mentale Nähe der Länder zu Belarus eine Rolle.

Früher sei das Hauptmotiv für die Auswanderung nach Polen der Wunsch gewesen, Geld zu verdienen. "Jetzt überwiegt die politische und wirtschaftliche Migration", sagt Lusgina und fügt hinzu: "In den Jahren 2021 und 2022 haben die Menschen häufiger aus Angst vor politischen Repressionen und einer Mobilmachung das Land verlassen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen."

Berlin kritisiert Vorgehen von Minsk

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lebten zum 31. Dezember 2022 knapp 29.000 Belarussen in Deutschland. Die deutsche Bundesregierung sieht Lukaschenkos Dekret, das eine faktische Verweigerung konsularischer Leistungen für im Ausland lebende Belarussen beinhaltet, kritisch.

Der Pressesprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, erklärte, dass es nach internationalem Konsularrecht grundsätzlich nicht hinnehmbar sei, Bürgern des eigenen Landes im Ausland konsularische Unterstützung und Schutz zu verweigern.

"Wenn die belarussische Regierung zu diesen Schritten schreiten sollte, dann wäre das natürlich zu verurteilen", sagte Fischer auf die Frage eines DW-Korrespondenten.

Noch hat Berlin nicht entschieden, was zu tun ist, wenn der Reisepass eines in Deutschland lebenden belarussischen Staatsbürgers abläuft und sich dieser aus Angst vor möglichen Repressionen nicht traut, nach Belarus zu fahren. 

Für solche Fragen sei jedenfalls nicht das Auswärtige Amt zuständig, so Fischer, sondern die Stellen, die sich mit dem Status von Ausländern in Deutschland befassen, also das Innenministerium.

"Zum jetzigen Zeitpunkt können wir diese Frage gar nicht beantworten", fügte der Vertreter des Bundeskanzlers, Steffen Hebestreit, hinzu.

Opposition im Exil plant neuen Pass

Die belarussische Oppositionsführerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja sagte unterdessen über Lukaschenkos Dekret, dass sich der Staat mit der "Verweigerung der konsularischen Unterstützung der Belarussen aus einem weiteren Lebensbereich zurückgezogen hat, wo er sich um die Bürger kümmern muss". Sie versicherte, sich mit der Europäischen Kommission zu beraten und diese Frage auch vor dem Europaparlament und während der UN-Generalversammlung zur Sprache zu bringen.

Ehemalige belarussische Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja bei der "Konferenz neues Belarus" Anfang August in WarschauBild: Tatiana Gargalyk/DW

Tichanowskaja forderte zudem die Belarussen auf, nicht in Panik zu geraten und voreilig nach Belarus zu reisen, wenn ihnen dort Verfolgung droht. Um das Problem mit den Pässen zu lösen, würden sich die demokratischen Kräfte darauf vorbereiten, neue belarussische Pässe auszustellen. An der internationalen Anerkennung der Dokumente werde noch gearbeitet. Entsprechende Gespräche wurden bereits mit der EU und mehreren Regierungen geführt.

"Wir hoffen, dass der Pass eine Reihe von Problemen bei der Legalisierung lösen wird", schrieb Tichanowskaja auf Telegram. Der neue belarussische Pass wurde Anfang August auf der Konferenz "Neues Belarus" in Warschau vorgestellt. Er ist für Belarussen gedacht, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können, um dort ihre Pässe umzutauschen.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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