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Politik

Flugzeug abgefangen und Aktivist festgenommen

23. Mai 2021

Der Oppositionelle Roman Protassewitsch ist am Flughafen von Minsk verhaftet worden. Zuvor war dort ein Ryanair-Flugzeug zur Landung gezwungen worden. Der Vorfall löste in der EU scharfen Protest aus.

Belarus Ryanair FR4978 | Roman Protasevich
Die Ryanair-Maschine nach ihrer Landung auf dem Flughafen von MinskBild: Getty Images/AFP

Roman Protassewitsch befand sich auf einem Flug zwischen den EU-Mitgliedsstaaten Griechenland und Litauen. Bei einer erzwungenen Zwischenlandung in Minsk wurde er festgenommen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Belta berichtet, war ein belarussischer Kampfjet aufgestiegen und hatte die Passagiermaschine über belarussischem Staatsgebiet abgefangen und zur Landung in der Hauptstadt Minsk gezwungen.

Staatspräsident Alexander Lukaschenko selbst habe dies angeordnet, mit der Begründung, es habe eine Meldung über explosive Stoffe an Bord gegeben. Die belarussische Präsidentschaft erklärte, dass ein Kampfflugzeug vom Typ MiG-29 aufgestiegen sei, um das Flugzeug der Gesellschaft Ryanair mit dem Oppositionellen an Bord abzufangen. Flughafensprecher teilten in Staatsmedien mit, dass die Piloten der Passagiermaschine um die Landeerlaubnis gebeten hätten.

Ryanair bestätigt den Vorfall

Die Fluglinie Ryanair teilte mit, die Besatzung des Fluges sei von belarussischer Seite über eine mögliche Sicherheitsbedrohung an Bord in Kenntnis gesetzt und angewiesen worden, zum nächstgelegenen Flughafen in Minsk zu fliegen. Die Maschine sei sicher gelandet und die Passagiere seien von Bord gegangen, während die lokalen Behörden Sicherheitsüberprüfungen vorgenommen hätten. Dabei sei nichts Ungewöhnliches gefunden worden. Die Behörden hätten daraufhin genehmigt, dass das Flugzeug wieder zusammen mit Passagieren und Crew starten könne. Nach Angaben der EU-Kommission in Brüssel befindet sich die Maschine derweil wieder auf dem Weiterflug Richtung Litauen.

Die Maschine hatte Litauen fast erreicht, bevor sie in Minsk zwischenlanden mussteBild: flightradar24.com

Wie der Oppositionskanal Nexta berichtet, wurde das Flugzeug nach der Notlandung überprüft. Dabei wurde kein Sprengstoff gefunden. Anschließend seien "alle Passagiere zu einer weiteren Sicherheitskontrolle geschickt" worden. Unter ihnen habe sich auch Protassewitsch befunden. "Er wurde festgenommen."

Protassewitschs Nachrichtenkanal auf dem Messaging-Dienst Telegram gehört zu den wichtigsten Informationsquellen der Opposition. Nach den Massenprotesten gegen Lukaschenko im vergangenen Jahr war der 26-Jährige zur Fahndung ausgeschrieben worden.

Bei Protesten in Minsk im Jahr 2017 war Roman Protassewitsch (M.) von Spezialeinsatzkräften festgesetzt worden (Archivbild)Bild: Sergei Grits/AP Photo/picture alliance

Die ebenfalls im Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja prangerte die Festnahme ihres Mitstreiters an. Die Regierung von Belarus habe die Landung der Maschine mit Protassewitsch an Bord "erzwungen", schrieb sie auf Twitter. Belarus habe für die Festnahme die Sicherheit der Passagiere und der Zivilluftfahrt aufs Spiel gesetzt. Protassewitsch drohe nun die Todesstrafe in seinem Heimatland.

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda protestierte gegen die erzwungene Zwischenlandung und Protassewitschs Festnahme. "Das ist ein nie dagewesener Vorfall (...) Das Regime von Belarus steht hinter dieser abscheulichen Aktion", schrieb er auf  Twitter. Nauseda forderte die Verbündeten Litauens in der EU und der NATO zu umgehenden Reaktionen auf.

Maas: "gravierender Eingriff in zivilen Luftverkehr"

Die deutsche Bundesregierung verlangte eine offizielle Stellungnahme von Belarus. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Miguel Berger, schrieb auf Twitter, eine "sofortige Erklärung" sei nötig. Bundesaußenminister Heiko Maas verlangte die Freilassung von Protassewitsch. "Dass ein Flug zwischen zwei EU-Staaten unter dem Vorwand einer Bombendrohung zur Zwischenlandung gezwungen wurde, ist ein gravierender Eingriff in den zivilen Luftverkehr in Europa", fügte Maas hinzu. Die Bundesregierung sei "sehr besorgt über Meldungen, dass auf diesem Weg der Journalist Roman Protassewitsch verhaftet wurde", fügte Maas hinzu.
 

Maas forderte "deutliche Konsequenzen" von Seiten der Europäischen Union. Die Bundesregierung stehe in engem Austausch mit den anderen EU-Staaten. Auch der am Montag beginnende EU-Gipfel müsse sich mit dem Vorfall befassen. "In jedem Fall muss Belarus die Sicherheit, Unversehrtheit und Freiheit aller Passagiere unverzüglich gewährleisten und Roman Protasewitsch freilassen", hieß es in einer Erklärung.

Athen spricht von Luftpiraterie

Das griechische Außenministerium erklärte, "Griechenland verurteilt den Akt staatlicher Luftpiraterie", der zur Umleitung und Notlandung des Ryanair-Flugszeugs führte. Protassewitsch sei in Griechenland Teil einer Delegation gewesen, die vorvergangene Woche am internationalen griechischen "Delphi-Forum" teilgenommen habe. Das Delphi-Forum lädt jedes Jahr internationale Fachleute und Politiker zur Diskussion über politische und wirtschaftliche Themen ein. "Wir sind der Ansicht, dass solche Praktiken, die aus einer anderen Zeit stammen und sich für keinen zivilisierten Staat gehören, nicht unbeantwortet bleiben dürfen", hieß es abschließend in der Mitteilung des Ministeriums. 

Scharfe Kritik der EU

Die EU-Spitzen kritisierten die Vorgänge in Minsk scharf. "Es ist absolut inakzeptabel, den Ryanair-Flug von Athen nach Vilnius zu zwingen, in Minsk zu landen", schrieb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter. Verletzungen der internationalen Luftverkehrsregeln müssten Konsequenzen haben. EU-Ratschef Charles Michel schrieb auf Twitter, es müsse Untersuchungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation geben. Der Belgier forderte wie auch EU-Parlamentspräsident David Sassoli die belarussischen Behörden dazu auf, alle Passagiere unverzüglich freizulassen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden auf ihrem Gipfeltreffen an diesem Montag über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Belarus beraten. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete die erzwungene Zwischenlandung als "ernsten und gefährlichen Vorfall". Dieser erfordere eine "internationale Untersuchung". 

Lukaschenko regiert Belarus seit 1994. Im vergangenen Jahr hatte er Massenproteste gegen seine offizielle Wiederwahl im August gewaltsam niederschlagen lassen. Menschenrechtsgruppen zufolge nahmen die Behörden seitdem rund 35.000 Personen fest. Behördenangaben zufolge wurden mehr als 1000 Gerichtsverfahren gegen Protestteilnehmer eröffnet.

uh/rb (dpa, rtr, afp)

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