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Politik

Lukaschenko verliert, Putin gewinnt

25. Mai 2021

Moskau reagiert auffällig verhalten auf die erzwungene Notlandung der Ryanair-Maschine in Minsk. Der Kreml zeigt Unverständnis gegenüber der Empörung des Westens über die Verhaftung des oppositionellen Bloggers.

Putin mit Lukaschenko in Sotschi
Vereint in gegenseitiger Abhängigkeit: Putin und Lukaschenko bei einem Treffen im Februar dieses Jahres in SotchiBild: Alexei Druzhinin/Kremlin/Sputnik/Reuters

In der staatlich kontrollierten russischen Presse wird die Inhaftierung von Roman Protassewitsch und seiner Freundin Sofia Sapega nаch der Notlandung der Ryanair-Maschine in Minsk eher als eine Art Zufall heruntergespielt. Das vermeintliche Bekennervideo von Roman Protassewitsch stößt hingegen auf große Beachtung. 

Die Boulvardzeitung "Moskovskij Komsomolez" findet, dass Präsident Alexander Lukaschenko von dem Vorfall politisch profitieren und womöglich als triumphierender Sieger wahrgenommen werden könnte. Es  wird nirgendwo erwähnt, dass das Video womöglich unter Druck der Behörden entstanden sein könnte.

"Man könnte Lukaschenko sogar beneiden: alles lief wie geschmiert, man kann ihm (rein rechtlich – Anm. der Red.) nichts vorwerfen. (…) Eine Frage allerdings stört, wie ein Steinchen im Schuh: Ist seine persönliche Rachsucht so stark, dass man dabei das Leben von Dutzenden absolut unschuldigen Menschen aufs Spiel setzen kann?", heißt es in dem Kommentar der Boulevardzeitung.

Andere Zeitungen zitieren den russischen Außenminister Sergej Lawrow, der warnte, Eile sei in diesem Fall nicht geboten. Der Vorfall müsse gründlich und in Ruhe untersucht werden. Seine Sprecherin Maria Sacharowa erklärte, das Außenministerium in Moskau beobachte die Lage aufmerksam.

Der oppositionelle Blogger Roman Protassewitsch in einem Telegram- Video vom 24. MaiBild: Telegram/@nexta_tv

"Schockiert über den Schock des Westens"

Das Vorgehen der belarussischen Behörden stehe im Einklang mit internationalen Regeln. Die Verhaftung von Roman Protassewitsch sei eine "innere Angelegenheit" von Belarus. "Schockiert" hingegen zeigte sich Ministeriumssprecherin Sacharowa  "über den Schock des Westens".

Die Diplomatin verglich in diesem Zusammenhang die Landung in Minsk mit der erzwungenen Landung der Maschine des bolivianischen Präsidenten Evo Morales im Juli 2013 in Wien. In der Maschine sollte sich angeblich der US-amerikanische Whistleblower Eduard Snowden befinden - eine Vermutung, die sich als falsch herausstellte. Dass Morales nach zwölf Stunden Zwangsstopp seinen Flug fortsetzen konnte, erwähnte Sacharowa nicht. Stattdessen zeigte sie sich von der Geschlossenheit des Westens überrascht und kritisierte die so genannten Doppelstandards bei der Beurteilung des Vorfalls in Minsk.

Kremlsprecher Dmitri Peskow unterstrich auf einer Pressekonferenz, die Notlandung in Minsk solle von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO untersucht werden. Der Kreml habe keinen Kontakt zu belarussischen Behörden diesbezüglich aufgenommen.

Die in Belarus abgefangene Ryanair-Maschine war auf dem Weg von Athen nach VilniusBild: picture alliance/dpa/ONLINER.BY/AP

"Jagd um die Wette"

Angesprochen auf die beschlossenen EU-Sanktionen gegen Belarus erklärte Kremlsprecher Peskow: "Die einen fordern Sanktionen, die anderen sagen, dass das (die Landung in Minsk – Anm. der Red.) nicht den internationalen Standards entsprach. Wir möchten uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht an dieser Jagd um die Wette beteiligen."

Der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin hält es nicht für ausgeschlossen, dass der russische Inlandsgeheimdienst FSB und der belarussiche Geheimdienst KGB bei der Operation kooperiert haben könnten. "Wenn das stimmt, wäre das eine Schande für unser Land", schreibt Jaschin auf Twitter.

Nach Angaben des Oppositionspolitikers hätten ursprünglich vier russische Staatsbürger auf der Passagierliste der Ryanair-Maschine gestanden. Nach der erzwungenen Landung in Minsk hätten diese ihren Flug nicht mehr fortgesetzt.

Kremlsprecher Peskow schließt dagegen jegliche russische Beteiligung an der erzwungenen Flugzeuglandung und der Festnahme von Protassewitsch aus. Er beschwerte sich über anti-russische Stimmungen, die daran schuld seien, dass Moskau für alles Mögliche verantwortlich gemacht werde.

"Sanktionen erhöhen Abhängigkeit von Moskau"

Der Moskauer Politikwissenschaftler Dmitri Oreschkin sieht im DW-Interview den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Gewinner-Seite. Die beschlossenen EU-Sanktionen gegen Lukaschenko würden die Abhängigkeit von Russland erhöhen, vor allem wirtschaftlich.

"Lukaschenko gehen die Möglichkeiten aus, an zwei Fronten gleichzeitig zu kämpfen", meint Oreschkin. Der weißrussische Präsident habe jahrelang argumentiert, dass russische Raketen längst vor den EU-Grenzen stünden, wenn Minsk nicht als Schutzschild gegenüber Moskau diente.

Gleichzeitig drohte Lukaschenko Moskau, sich in die Arme der EU zu begeben, wenn er nicht weiter mit Milliardenkrediten aus Russland unterstützt würde. Diese Stütze, so der Politikwissenschaftler, bliebe jetzt die einzige Möglichtkeit für Lukaschenko, politisch und wirtschaftlich zu überleben.

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