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Politik

Belarus: Polnische Minderheit als Sündenbock?

Tatyana Nevedomskaya
22. April 2021

In Belarus lebende Polen stehen zunehmend unter Druck. Führende Mitglieder der Minderheit wurden inhaftiert, polnische Bildungseinrichtungen im Land geschlossen. Die diplomatischen Spannungen mit Warschau nehmen zu.

Warschau Botschaft Belarus Solidaritätsmarsch
Junge Polinnen und Polen demonstrieren vor der belarussischen Botschaft in Warschau gegen Machthaber LukaschenkoBild: Kacper Pempel/REUTERS

In Belarus geraten Einrichtungen der polnischen Minderheit zunehmend ins Visier von Justiz und Behörden. Schulen und andere Institutionen, in denen Polnisch unterrichtet wird, sollen zur Herausgabe persönlicher Daten von Lehrern und Schülern gezwungen werden. Führende Repräsentanten der etwa 300.000 Menschen zählenden Minderheit wurden inhaftiert. Hintergrund sind wachsende Spannungen zwischen Belarus und Polen. Machthaber Alexander Lukaschenko beschuldigte das Nachbarland in der Vergangenheit mehrfach, für die Massenproteste in Belarus verantwortlich zu sein.

Mehrere Verhaftungen

Fünf Vertreter des in Belarus nicht registrierten Bundes der Polen, darunter auch dessen Vorsitzende Andżelika Borys, befinden sich seit Wochen in Haft. Ihnen wird unter anderem die Teilnahme an unerlaubten Massenveranstaltungen und das "Schüren nationaler und religiöser Zwietracht" vorgeworfen. Die Anschuldigungen beinhalten sogar den "Versuch der Rehabilitation des Nationalsozialismus". Ihnen drohen fünf bis zwölf Jahre Gefängnis.

In einer Erklärung der belarussischen Generalstaatsanwaltschaft heißt es, die Inhaftierten hätten seit 2018 in Grodno und Umgebung "eine Reihe illegaler Massenveranstaltungen abgehalten, um Teilnehmer antisowjetischer Banden zu ehren". Diese hätten im Zweiten Weltkrieg und danach, Raubüberfälle und Morde an der Zivilbevölkerung begangen sowie Eigentum zerstört.

Hintergrund ist eine inoffizielle Gedenkveranstaltung, die die "Polnische Schule" in Brest zu Ehren des polnischen antikommunistischen Untergrunds nach Ende des Zweiten Weltkrieges veranstaltet hatte. An dieser Veranstaltung hatte auch der polnische Generalkonsul Jerzy Timofeyuk teilgenommen. Er wurde daraufhin des Landes verwiesen. Die Staatsanwaltschaft eröffnete gegen die Direktorin der Schule ein Strafverfahren wegen der "Verherrlichung von Kriegsverbrechern". Sie ist seit über einem Monat in Haft. In dieser Woche beschloss das Wirtschaftsgericht der Region Brest, die "Polnische Schule" ganz zu schließen.

Polen: Lukaschenkos Feindbild

Belarussische Menschenrechtler halten das Vorgehen gegen polnische Bildungseinrichtungen und Vertreter der polnischen Minderheit für politisch motiviert und sprechen von politischen Gefangenen.

"Diese Maßnahmen der Behörden finden vor dem Hintergrund einer antipolnischen Propaganda im staatlichen Fernsehen statt, in der Polen als Aggressor-Staat dargestellt wird, der angeblich territoriale Ansprüche gegen Belarus hegt", heißt es in einer Mitteilung des belarussischen Menschenrechtszentrums "Viasna". Auch Andżelika Borys und der ebenfalls polnisch-stämmige Journalist Andrzej Pisalnik hatten dies kurz vor ihren Verhaftungen in verschiedenen Interviews kritisiert.

Solidaritätsproteste mit Belarus im polnischen Krakau im August 2020Bild: picture-alliance/NurPhoto/B. Zawrzel

Pisalniks Festnahme war vom Leiter der Delegation des Europäischen Parlaments für Belarus, Robert Biedroń, scharf verurteilt worden. In seiner Erklärung führte er aus, Pisalnik und seine Frau seien vor einem Treffen mit Vertretern der Delegation verhört worden. Der Europaabgeordnete spricht von einem empörenden Versuch, Pisalnik daran zu hindern, Vertretern von EU-Institutionen über "das Ausmaß der Repressionen gegen die polnische Minderheit in Belarus" zu berichten. Inzwischen wurde Pisalnik wieder auf freien Fuß gesetzt.

Zunehmende Spannungen mit Polen 

In Warschau werden die Ereignisse im Nachbarland aufmerksam und mit wachsender Sorge verfolgt. Präsident Duda und Premierminister Morawiecki versicherten, ihre Landsleute in Belarus "nicht im Stich zu lassen". Morawiecki kritisierte Belarus scharf: sein Land werde es nicht hinnehmen, dass Polen "als Geiseln genommen" würden.

Das polnische Generalkonsulat im belarussischen Brest ist derzeit unbesetztBild: Ales Petrowitsch/DW

Auf Anfrage der DW erklärte das polnische Außenministerium, die belarussischen Behörden hätten mit ihren Repressionen gegen Mitglieder der polnischen Minderheit bilaterale Verpflichtungen und internationale Standards verletzt. "Die Konsuln der Republik Polen in Belarus stehen in ständigem Kontakt mit den Familien der Inhaftierten, denen sie ihre Unterstützung zugesagt haben", heißt es aus Warschau.

Man habe von Anfang an alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen, um die Rechte der polnischen Minderheit zu sichern. Warschau schließt erweiterte und verschärfte Sanktionen gegen Belarus nicht aus. Zudem hätten polnische Regierungsvertreter mit Kollegen auf internationaler Ebene über die Lage der Polen in Belarus beraten. Auch die Europäische Kommission hat Minsk mittlerweile dazu aufgerufen, die in Belarus inhaftierten Polen wieder freizulassen.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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