Belarus: Präsidentschaftswahlen schon im März
22. Dezember 2005
Alle Bewerber für den Präsidentschaftsposten müssen bis Weihnachten ihre Gruppenlisten bei der Wahlleitung einreichen, die ihre jeweilige Kandidatur unterstützt. Der Grund, warum Lukaschenko es so eilig hat sich für eine dritte Amtszeit wählen zu lassen, liegt auf der Hand, so Aleksandr Feduta, ein unabhängiger Politikwissenschaftler aus Belarus: „Im Moment hat Lukaschenko einen deutlichen Zeitvorsprung. Da er merkt, dass sein Herausforderer in den Regionen immer populärer wird, will er die Wahlkampfszeit auf ein Minimum reduzieren."
Um seine potentiellen Gegner auszuschalten und eine Revolution nach dem Vorbild der Ukraine im Keim zu ersticken, hat der autoritär regierende Präsident Lukaschenko eine Reihe von Gesetzen eingeführt, die Andersdenkende hart bestrafen: Bei so genannten "schädlichen" Kontakten mit ausländischen Staaten oder Institutionen drohen bis zu zwei Jahren Gefängnis. Strafbar macht sich auch, wer "bewusst falsche Informationen über die Entwicklung in Belarus" verbreitet. Welche Informationen als falsch anzusehen sind, liegt dabei im Ermessen des Staates.
60 Prozent Zustimmung ohne Manipulation
Somit hat Lukaschenko die meisten Vorbereitungen getroffen, um die Wahl zu gewinnen. Seine Chancen auf die dritte Amtszeit stehen gar nicht so schlecht, bestätigt Oleg Manaev, Leiter des unabhängigen Instituts für sozioökonomische und politische Forschungen (NISEPI): „Nach den letzten Meinungsumfragen genießt der belarussische Präsident Lukaschenko das Vertrauen von 47 Prozent der Bevölkerung. Wenn die Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag stattfinden würde, könnte Lukaschenko etwa 60 Prozent der Stimmen ohne Manipulationen bekommen. Er positioniert sich immer noch als der vom Volk gewählte Präsident."
Opposition sucht Zugang zu Wählern
Lukaschenkos größter Herausforderer, Aleksandr Milinkewitsch, würde dabei 25 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Für ihn kam die Ankündigung des Wahltermins etwas überraschend. Jetzt hat er viel zu wenig Zeit, um sich angemessen auf die Präsidentschaftswahl vorzubereiten. Das Kalkül des Präsidenten, durch seinen Zeitvorsprung die meisten Wählerstimmen zu gewinnen, geht aber nicht auf, meint der Vorsitzende der Vereinigten Bürgerpartei von Belarus, Anatolij Lebedko. Es werde zwar nicht einfach sein, in so einer kurzen Zeit den Wahlkampf zu führen, dennoch rüste sich das Team für einen harten Wahlkampf: „Es ist offensichtlich, dass der Wahlkampf unter außerordentlich schweren Bedingungen stattfinden wird. Unsere allerwichtigste Aufgabe liegt darin, einen Zugang zu den Wählern zu finden und sie über unser Programm zu informieren. Wir konzentrieren darauf alle unsere Kräfte. Alles andere entscheidet sich dann später."
„Kampf gegen Schizophrenie“
Anatolij Lebedko spielt eine wichtige Rolle im Wahlstab von Lukaschenkos Gegner, Aleksandr Milinkewitsch, der Ende September bei einem Kongress der demokratischen Kräfte zum gemeinsamen Kandidaten der Opposition für die kommende Präsidentschaftswahl gewählt wurde. Sein Wahlstab trifft sich meist in Privatwohnungen oder in einem karg ausgestatteten Parteibüro, das vom Geheimdienst abgehört wird. Nichtsdestotrotz versuchen die Mitstreiter von Milinkewitsch sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das bestehende Regime durchzusetzen, so Lebedko: „Der größte Teil unserer Bemühungen richtet sich auf den Kampf gegen die Schizophrenie, die von der belarussischen Staatsführung an den Tag gelegt wird. Wir müssen an zwei Fronten kämpfen: Einerseits mit dem diktatorischen Regime Lukaschenkos, andererseits mit seinen geheimen Gefährten, die sich für Oppositionelle ausgeben, in Wirklichkeit jedoch für den Präsidenten arbeiten. Sie betonen zwar immer wieder, dass alles schlimm ist, sorgen aber dafür, dass dagegen nichts unternommen wird. Der Präsident und seine Anhänger sehen es als ihre wichtigste Aufgabe, den Volkswillen zu lähmen, deshalb reden sie den Menschen ein, dass im kommenden Jahr alles beim Alten bleibt".
Laut Anatolij Lebedko gibt es in Belarus inzwischen viele Menschen, die keine Angst mehr vor Repressalien haben und sich nach einem besseren Leben sehnen. Es sei äußerst schwierig, an sie heranzukommen. Lukaschenkos Gegner haben keine Chance, ihre potentiellen Wähler durch Massenmedien anzusprechen. Da diese unter staatlicher Kontrolle stehen, bleibt ihnen nur eine Möglichkeit, den Kontakt zu den Wählern zu suchen - von Tür zu Tür.
Olja Melnik
DW-RADIO, 20.12.2005, Fokus Ost-Südost