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Politik

Belarus: Russlands teurer Freund

Elena Barysheva
28. Juli 2021

Moskau unterstützt kein anderes Land so großzügig wie Belarus. Von der DW befragte Experten sagen, auf welchen Wegen dies geschieht, um welche Summen es sich handelt und was Russlands Staatshaushalt dabei verloren geht.

Russland Putin und Lukaschenko in Sotschi
Machthaber Alexander Lukaschenko mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin in SotschiBild: Sergei Ilyin/AP Photo/picture alliance

Während die EU und die USA Sanktionen gegen das Regime des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko verhängen, greift Russland seinem westlichen Nachbarn schon seit vielen Jahren finanziell unter die Arme. Anfang des Sommers erhielt Belarus die nächste Tranche eines russischen Darlehens in Höhe von 500 Millionen US-Dollar (umgerechnet 423 Millionen Euro). Vor sechs Monaten hatte es den gleichen Betrag schon mal gegeben.

Von außen mag dies wie ein normaler Großkredit aussehen, den ein Land an ein anderes vergibt und dafür Zinsen kassiert. Doch in den belarussisch-russischen Beziehungen läuft dies Beobachtern zufolge anders: Die Zinsen häufen sich an, die Kreditschulden wachsen von Jahr zu Jahr und trotzdem erhält Minsk immer neue Kredite.

Diese Art der finanziellen Unterstützung, bei der Belarus von Russland buchstäblich subventioniert wird, besteht seit vielen Jahren. Allein von 2005 bis 2015 flossen aus Russland nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) 106 Milliarden Dollar (90 Milliarden Euro) in die belarussische Wirtschaft.

Vorzugspreise für Öl und Gas in Milliardenhöhe

Die wirtschaftliche Stützung von Belarus mit russischem Geld unterteilen Experten in zwei große Ströme: in einen legalen und einen verdeckten. Beide seien nicht marktorientiert und würden zu Lasten des russischen Staatshaushalts gehen. Am offensichtlichsten sei die Subvention im Energiebereich: niedrigere Preise für Gaslieferungen sowie Zollbefreiung für russische Öllieferungen an belarussische Raffinerien sowie für Ölprodukte aus Russland.

Ölraffinerie im belarussischen MosyrBild: bymedia

"In den letzten 20 Jahren hat sich der Gaspreis für Belarus nur zweimal dem Gaspreis für Europa angenähert. Jedesmal stellte Belarus dann die Zahlungen ein und verlangte Rabatte", sagt Sergej Kondratjew, stellvertretender Leiter der Wirtschaftsabteilung des Instituts für Energie und Finanzen in Moskau. Nach Schätzungen des Instituts subventionierte Russland Belarus von 2011 bis 2020 mittels niedriger Rohstoffpreise mit 35 Milliarden US-Dollar (30 Milliarden Euro) bei Öl- und mit 19 Milliarden Dollar (16 Milliarden Euro) bei Gaslieferungen.

Russland ist die beste Bank für Belarus

Ein weiterer legaler Subventionsstrom sind günstige Kredite an Minsk, deren Laufzeit Moskau ständig verlängert. Auch die Konditionen werden immer wieder überarbeitet. Das beste Beispiel dafür ist der Kredit in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar (8,5 Milliarden Euro) für den Bau des belarussischen Atomkraftwerks. "Belarus erhielt sowohl eine sehr lange Zahlungsschonfrist als auch die Möglichkeit, zu einem reduzierten Satz zurückzuzahlen. Solche Bedingungen hätte Belarus auf dem offenen Finanzmarkt nicht bekommen", so Kondratjew.

Wie die nicht zweckgebundenen russischen Kredite ausgegeben werden, ist unklar. Minsk verwendet sie nach eigenem Ermessen. Aber wie Bogdan Bespalko, Mitglied des Rates für interethnische Beziehungen beim Präsidenten der Russischen Föderation, vermutet, werden die neuen Kredite meist vergeben, um die alten zu tilgen. "Der größte Teil der letzten Tranche von 500 Millionen US-Dollar wurde definitiv dafür verwendet, Schulden bei russischen Konzernen zu begleichen", betont Bespalko.

Der dritte wichtige legale Mechanismus zur Stützung der belarussischen Wirtschaft sind Vorzugskonditionen für den Zugang zum russischen Markt. Andere Partnerländer Russlands innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) genießen längst nicht solche Bedingungen wie Firmen aus Belarus. Dies, so glauben Beobachter, ermöglicht erst die Existenz ganzer Sektoren der belarussischen Industrie, vor allem in der Lebensmittelproduktion und im Maschinenbau. Neben zinsgünstigen Krediten brachten die Präferenzen für den Zugang zum russischen Markt nach Berechnungen des Moskauer Instituts für Energie und Finanzen der belarussischen Wirtschaft von 2011 bis 2020 rund 11 Milliarden Dollar (9 Milliarden Euro) ein.

Zigaretten in Düngemitteln und umetikettierte Sanktionswaren

Es gibt noch weitere Finanzströme, die Belarus stützen, doch dies geschieht von russischer Seite wohl eher unfreiwillig. Vom Umfang sind diese Ströme deutlich geringer als die legalen, aber auch sie schaden dem russischen Staatshaushalt. Die Rede ist von Schmuggel, ermöglicht durch abgebaute Grenzkontrollen und den bevorzugten Status von Belarus. Dazu zählt auch die Einfuhr von Produkten aus der EU, die unter die russischen Gegensanktionen fallen. In Belarus werden sie umetikettiert, mit falschen Zollpapieren versehen und dann weiter nach Russland transportiert. Zudem werden Waren ohne Zahlung von Verbrauchsteuern geschmuggelt.

"Dabei verdient nur Belarus Geld. Ein Beispiel sind belarussische Zigaretten. Chargen mit bis zu einer Million Packungen werden ohne Akzise nach Russland gebracht. Ein beliebter Weg ist, Zigaretten in Lieferungen von Mineraldünger zu verstecken", berichtet Kondratjew. Insgesamt belief sich der Schaden für Russland aus der illegalen Einfuhr von Tabakprodukten aus Belarus von 2011 bis 2020 auf etwa 2,6 Milliarden US-Dollar (2,2 Milliarden Euro), und aus eingeführter Sanktionsware von 2014 bis 2020 auf 4,2 Milliarden US-Dollar (3,6 Milliarden Euro).

Vernichtung illegal eingeführter Waren aus der EU in Russland Bild: picture-alliance/dpa/S. Medvedev

Eine weitere Einnahmequelle für Minsk ist die Beschlagnahme von Eigentum russischer Unternehmen in Belarus. Das bekannteste Beispiel ist die Belgazprombank aus dem Jahr 2020. "Die Einsetzung einer provisorischen Verwaltung führte zu einem massiven Abfluss von Einlagen und Vermögenswerten und schadete russischen Aktionären schwer. Und dies ist kein Einzelfall. Wir kennen auch Beispiele für die Beschlagnahme von Waren russischer Versender, die per Transit durch Belarus gehen", erklärt Kondratjew.

"Kein anderes Land wird von Russland so unterstützt wie Belarus. Aber das Geld geht dem russischen Staatshaushalt verloren. Gleichzeitig kann man nicht sagen, dass diese Art der Stützung die belarussische Wirtschaft belebt und dass die Mittel effektiv verwendet werden. Ganz im Gegenteil, wir sehen eine kontinuierliche Stagnation", sagt Bogdan Bespalko.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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