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Politik

Belarus startet sein erstes Atomkraftwerk

3. November 2020

Das umstrittene AKW nahe der Grenze zu Litauen, ein Prestigeprojekt von Präsident Lukaschenko, ist unter Protest aus Vilnius ans Netz gegangen. Erbauer Rosatom spricht vom Beginn des "Atomzeitalters in Belarus".

Belarus Atomkraftwerk Ostrowez
Bild: Claudia Thaler/dpa/picture alliance

Die Turbine des ersten Reaktorblocks sei in Ostrowez an das Stromnetz angeschlossen worden, teilten das Energieministerium in der Hauptstadt Minsk und der russische Atomenergiekonzern Rosatom mit. Es ist das erste Atomkraftwerk (AKW) des osteuropäischen Landes. Anfang August waren die ersten Brennstäbe eingebaut worden.

Sicherheitsrisiko kurz hinter der EU-Grenze

Das Nachbarland Litauen hatte bereits während der Bauphase immer wieder die mangelhafte Einhaltung von Sicherheits- und Umweltstandards kritisiert. Unmittelbar nach der Inbetriebnahme des ersten Reaktorblocks stoppte Litauen seinen Bezug von Strom aus Belarus. Damit setzte der Stromnetzbetreiber Litgrid ein zuvor vom Parlament in der Hauptstadt Vilnius verabschiedetes Gesetz um. Im ersten Halbjahr hatten die Stromimporte aus Belarus fünf Prozent aller Stromlieferungen in den baltischen EU-Staat ausgemacht.

Die Kommandozentrale des AKW Ostrowez bei einem Probelauf (Archivbild)Bild: Claudia Thaler/dpa/picture alliance

Das neue Kernkraftwerk in Belarus liegt etwa 50 Kilometer von der litauischen Hauptstadt entfernt. Die Kühltürme von Ostrowez sind bei klarem Wetter von Vilnius aus zu sehen. Litauens Außenminister Linas Linkevicius bezeichnete das AKW als ein geopolitisches Projekt, das trotz aller Warnungen und ungelöster Sicherheitsprobleme in Betrieb genommen worden sei. "Weder die EU noch die gesamte internationale Gemeinschaft kann gegenüber einer solchen zynischen Ignoranz einfach gleichgültig bleiben", schrieb er auf Twitter. Energieminister Zygimantas Vaicunas erklärte, das neue Atomkraftwerk bedrohe die "nationale Sicherheit" seines Landes.

Grüne: Gefahr für halb Osteuropa

Kritik kommt aus Deutschland. "Der Diktator gefährdet mit seinem Prestigeprojekt in Ostrowez halb Osteuropa", sagte die Grünen-Umweltpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl. "Eine unabhängige Atomaufsicht hätte mit modernen Sicherheitsvorschriften dem AKW mit seinen zahlreichen Mängeln nie eine Genehmigung erteilt."

Die beiden Reaktoren des AKW Ostrowez wurden von russischen Ingenieuren entworfen, vom russischen Atomenergiekonzern Rosatom gebaut und zu 90 Prozent mit russischen Krediten finanziert. Rosatom-Chef Alexej Lichatschow nannte die Inbetriebnahme des Reaktors ein "historisches Ereignis", das den Beginn des "Atomzeitalters in Belarus" markiere.

Das noch unvollendete Atomkraftwerk Ostrowez im Oktober 2018Bild: Claudia Thaler/dpa/picture alliance

Der zweite Block des Kraftwerks soll Mitte 2022 hochgefahren werden. Die Leistung der beiden Anlagen soll dann 2400 Megawatt betragen und ein Drittel des belarussischen Energiebedarfs abdecken. Die Anlage gilt als Prestigeprojekt des seit der Präsidentschaftswahl im August massiv unter Druck stehenden Machthabers Alexander Lukaschenko. Die Demonstranten prangern Wahlbetrug an und fordern den Rücktritt des seit 1994 autoritär regierenden Staatschefs.

Die Ex-Sowjetrepublik Belarus, damals noch unter dem Namen Weißrussland, war 1986 wie kein anderes Land von der Atomkatastrophe in Tschernobyl in der benachbarten Ukraine betroffen. Ein Viertel der belarussischen Landesfläche war verstrahlt worden, nachdem im Nachbarland der Reaktorblock 4 des AKW sowjetischer Bauart bei einem Sicherheitstest explodiert war. Es war das bislang schlimmste Unglück in der zivilen Nutzung der Kernkraft.

qu/haz (dpa, afp)

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