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PolitikEuropa

Festnahmen und Gewalt bei Demos in Belarus

Mirjam Benecke | Mykola Berdnyk
6. September 2020

In Minsk und anderen belarussischen Städten widersetzen sich Zehntausende dem Demonstrationsverbot. Sie fordern Präsident Alexander Lukaschenko auf, Neuwahlen anzuberaumen. Mindestens 165 Menschen wurden festgenommen.

Weißrussland | Proteste in Minsk | Sicherheitskräfte
Bild: picture-alliance/dpa/V. Sharifulin

Sprechchöre hallen durch die Straßen der belarussischen Hauptstadt Minsk. "Hau ab" und "Lukaschenko ab in den Polizeiwagen", rufen die Demonstranten. Zehntausende ziehen am Sonntag über die Siegerallee im Zentrum der Stadt. Mit weiß-rot-weißen Flaggen der Opposition und Protestplakaten rücken sie vor bis zum "Palast der Unabhängigkeit", der Residenz von Machthaber Alexander Lukaschenko. "Lass uns rein - zum Aufwärmen", rufen die Protestierenden in Richtung des Palasts.

Bisher seien etwa 136 Teilnehmer der Großdemo festgenommen worden, berichtet die belarussische Menschenrechtsorganisation "Wjasna". Das Innenministerium sprach dagegen nur von 100 Festnahmen.

"Sascha, du bist abgelaufen", steht auf einem Protestplakat. Mit "Sascha" ist Staatschef Alexander Lukaschenko gemeintBild: DW/P. Bykouski

Korrespondenten der Deutschen Welle berichten von massiven Problemen mit dem mobilen Internet. Einer der größten Mobilfunkanbieter des Landes - A1 - teilte mit, die Einschränkung des Internets sei auf Anordnung "bevollmächtigter staatlicher Organe" geschehen. Erst gegen Abend funktionierte das mobile Datennetz wieder wie gewohnt.

Dennoch sind im Laufe des Sonntags in offenen Kanälen der Kommunikations-App "Telegram" immer wieder neue Videos von den Protesten in Minsk und anderen Städten des Landes zu sehen. Aufnahmen zeigen, wie Sicherheitskräfte Demonstranten zu Boden ringen und in gepanzerte Polizeiwagen abführen. Auch Unbekannte in Zivil sind zu sehen, die Protestierende mit Knüppeln schlagen.

Im westlich gelegenen Hrodno stießen Demonstranten bereits am Mittag mit der Bereitschaftspolizei zusammen, wie das belarussische Nachrichtenportal Tut.by berichtet. Ein Video zeigt ein Handgemenge zwischen Uniformierten und Zivilisten unterschiedlichen Alters - Männer wie Frauen. Auch Tränengas soll zum Einsatz gekommen sein.

Straßen schon seit dem Vormittag blockiert

Das belarussische Innenministerium hatte am Sonntagmorgen vor der Teilnahme an Demonstrationen gewarnt und sie für illegal erklärt: "Wir wenden uns an die Bürger und Gäste unseres Landes! Nehmen Sie nicht an den nicht sanktionierten Massenveranstaltungen teil. Das ist gesetzeswidrig! Die Polizeimitarbeiter werden notwendige Handlungen unternehmen, um die Durchführung solcher Aktionen zu unterbinden und die Verletzungen der öffentlichen Ordnung nicht zuzulassen."

Eigentlich sollten die Proteste in Minsk am frühen Nachmittag mit einer Groß-Kundgebung auf dem Unabhängigkeitsplatz starten. Doch die Polizei riegelte den Platz schon Stunden vorher ab. Laut DW-Korrespondenten rollten Panzer und Wasserwerfer durch Minsk. Sicherheitskräfte, teils schwer bewaffnet, brachten sich in Stellung. Straßen seien mit Absperrungen blockiert worden, berichten lokale Medien. Mehrere U-Bahn-Stationen im Zentrum waren den ganzen Tag über geschlossen.

Druck auf allen Seiten wächst

Das Nachrichtenportal Tut.by schätzt, dass sich am Sonntag allein vor dem "Palast der Unabhängigkeit" 100.000 Menschen versammelten. Am Vortag hatten laut Behörden etwa 4000 Menschen an Protesten teilgenommen. 91 Protestierende seien festgenommen worden, 34 von ihnen in Haftanstalten gesperrt worden. 

Einst stand die weiß-rot-weiße Flagge für die Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Inzwischen ist sie Symbol der OppositionBild: picture-alliance/dpa/AP

Die Proteste gegen Machthaber Lukaschenko dauern bereits vier Wochen an. Den wöchentlichen Sonntagsdemonstrationen hatten sich jeweils Hunderttausende Teilnehmer angeschlossen. Auslöser der Massenproteste war die Präsidentenwahl im August, bei der Alexander Lukaschenko - mit dem offiziellen Ergebnis von 80 Prozent der Stimmen - für eine sechste Amtszeit bestätigt worden sein soll. Viele Menschen im Land betrachten das Wahlergebnis als gefälscht und sehen die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja als legitime Siegerin an. Zu den Zielen der Proteste gehören laut Organisatoren die Freilassung von Gefangenen, die strafrechtliche Verfolgung von Polizeigewalt sowie Neuwahlen.

Die EU erkennt das offizielle Wahlergebnis nicht an. Die EU-Mitglieder Lettland und Estland haben bereits Sanktionen gegen belarussische Regierungsvertreter verhängt, darunter Lukaschenko selbst.

In der "Bild am Sonntag" drohte Bundesaußenminister Heiko Maas der Regierung vor der Demonstration mit Sanktionen: "Ich fordere von Lukaschenko, dass er mit der Opposition verhandelt, dass die Wahl wiederholt wird, dass Lukaschenko sofort damit aufhört, friedliche Demonstranten einzusperren und zu misshandeln, dass er die Menschenrechte und die Pressefreiheit achtet." Unterstützt wird der Präsident von Russland.

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