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Politik

Goldgrube für Schlepper

27. Januar 2017

Seit die Balkanroute dicht ist, sind über 7000 Flüchtlinge und Migranten in Serbien gestrandet. Viele von ihnen bezahlen mit ihrem letzten Geld einen Schleuser. Je schwieriger der Grenzübertritt, desto höher die Preise.

Flüchtlinge Belgrad
Bild: DW/N.Rujevic

Der Preis liegt bei 200 oder 300 Euro. Dafür bieten Schmuggler eine kleine Reiseleitung bis zur ungarischen oder kroatischen Grenze und weisen den Weg über das Ödland bis zum ungarischen Grenzzaun. Auch Drahtscheren zum Schneiden des Zauns sind im Preis inbegriffen.

So versuchen täglich hunderte Menschen aus der "Sackgasse" Serbien den Boden der EU zu erreichen. Die meisten Flüchtlinge werden sofort von der Polizei aufgegriffen, oft werden sie geschlagen, erniedrigt und ausgeraubt, bevor sie wieder nach Serbien abgeschoben werden.

Diese Informationen stammen aus Gesprächen mit zahlreichen Flüchtlingen, die DW-Reporter in den vergangenen Tagen getroffen haben. Zu ihnen gehört auch Shirsad Safi, der in dem Belgrader "Info-Park" gerade etwas Warmes zum Essen bekommt. Der 17-jährige Afghane erzählt von seinem sehr kurzen Ausflug nach Ungarn.

Barfuß im Schnee

Shirzad Safi im Gespräch mit Mitarbeitern der NGO "Info Park"Bild: DW/N. Rujević

"Als wir aufgegriffen wurden, zwang uns die Polizei, im Schnee barfuß zu sitzen - sechs Stunden lang. In meiner Gruppe waren auch Kinder dabei. Sie gossen kaltes Wasser auf uns." Er zeigt seine durchlöcherte Hose und Beine voller Wunden – Erinnerungen an den Polizeihund, wie er sagt.

Nur hundert Meter weiter, in einem Park gegenüber dem Belgrader Bahnhof, haben sich die Schleuser positioniert, die auf Kundschaft wie Shirsad hoffen. Eine für sie sehr praktische Lage fast im Stadtzentrum. Hier starten Busse und Züge, und mehr als 1.000 Migranten harren in der alten Lagerhalle hinter dem  Bahnhof aus.

Die Lagerhalle ist zum neuen Symbol der Flüchtlingsmisere in Europa geworden. Die Eingeweihten nennen Spitznamen der Schlepper, die hier angeblich herrschen – Sultan, Smaragd, Musa – und ihre Geschäfte ungehindert abwickeln.

Dem widerspricht der serbische Innenminister Nebojša Stefanović. In den vergangenen zwei, drei Jahren habe man über 2.000 Verdächtige festgenommen. "Die Statistiken zeigen, dass Serbien in dieser Kategorie eigentlich Europarekordhalter ist", lobte der Innenminister jüngst die Arbeit seiner Beamten. Doch festgenommen bedeutet nicht gleich inhaftiert, geschweige denn verurteilt. Die meisten Schlepper kommen sehr schnell frei, nur in wenigen Fällen wurden lokale Helfer krimineller Netzwerke zu harten Haftstrafen verurteilt.

"Man verhaftet nur Fahrer, Helfer, das sind austauschbare Minischrauben der Banden", kritisiert Gordan Paunović, Leiter des "Info Parks". Bei ihm landen hunderte hilfesuchender Flüchtlinge, die von Schleusern betrogen oder erpresst wurden. Deswegen ist Paunović sauer auf die Regierung in Belgrad: "Die Schmuggler werden toleriert, da sie auf eine gewisse Art und Weise den Menschen helfen, das Land zu verlassen."

Das spiegelt sich in Zahlen wider – Polizei und das UN-Flüchtlingskommissariat sprechen von etwa 200 Migranten, die täglich über die grüne Grenze aus Bulgarien kommen. Die Zahl der Migranten in Serbien wird aber seit Monaten stabil auf 7.000 bis 8.000 geschätzt, was soviel heißt: viele schaffen es trotz allem, das Land gen Westeuropa zu verlassen. Dafür braucht es entweder viel Glück, oder eben einen Schleuser mit guten Kontakten.

Regierungskritiker Gordan Paunović hilft FlüchtlingenBild: DW/N. Rujevic

Erst Füchtling, dann Schlepper

Man braucht nicht lange zu warten, bis man die Schlepper erkennt. Sie sehen pakistanisch oder afghanisch aus, wie die meisten Ankömmlinge, tragen aber saubere warme Kleidung und solide Schuhe, ein Handy an jedem Ohr, manche fahren auch Auto. Sie sprechen Flüchtlinge an, werben für sich. Ein junger Mann im Park sagt, man verlange gerade 2.000 Euro und verspreche dafür freie Fahrt bis nach Österreich.

Das eiserne Gesetz lautet hier: je schwieriger die Route - und größer die Verzweiflung - desto höher die Preise. "In den letzten Monaten agieren immer mehr Flüchtlinge selbst als Schlepper", sagt Paunović. "Es passiert jenseits großer Netzwerke. Es gibt kaum noch Menschen, die beispielsweise in Kabul 10.000 Euro für eine 'All inclusive' Reise nach Frankfurt bezahlt haben. Jetzt gibt es Jugendliche, die sich unter die Flüchtlinge mischen und Kunden suchen. Sie sind billiger."

Die Tricks, die Schlepper dabei anwenden, sind wie bei den Magiern - einmal entlarvt, werden sie unbrauchbar. LKWs werden an den Grenzübergängen streng kontrolliert. Neuerdings auch Tanklaster: die ungarische Polizei entdeckte vor einiger Zeit Flüchtlinge in transportiertem Erdöl. Auch uralter Trick, sich unter einem Zugwaggon zu verstecken, geht kaum noch durch. Gerüchte, wonach Schlepper entlang der Balkanroute überall mit korrupten Polizisten zusammenarbeiten, wurden natürlich nie bestätigt.

In dieser Belgrader Lagerhalle harren hunderte Flüchtlinge ausBild: Getty Images/S. Stevanovic

Den Schleppern ausgeliefert

Jelena Hrnjak weiß nur zu gut, wozu die verzweifelten Menschen bereit sind, um weiterzukommen. Die junge Frau aus der NGO "Atina", die Opfer des Menschenhandels betreut, berichtet von Menschen, die ihre Nieren an Schleuser geben, von Frauen, die mit Sex bezahlen müssen und von Jungen, die für Kinderpornographie missbraucht wurden. "Flüchtlinge sind ohne Schutz, oft auch ohne Dokumente. Ständig haben sie Angst, verhaftet zu werden oder in Serbien einen Asylantrag stellen und hier bleiben zu müssen. Die Illegalität und Angst machen sie noch hilfloser", sagt Hrnjak.

Damit beschreibt sie, warum Schlepperbanden so effektiv sind und ihr Geschäft Business ungehindert fortsetzen können, obwohl die Balkanroute im vergangenen Jahr offiziell gesperrt wurde. Für Hrnjak handelt es sich um vernetzte Kriminelle, die alles machen, was gerade Renditen abwirft. Kaum etwas bringt so viel Geld, wie das Geschäft mit lebenden Menschen, die im Voraus zahlen. Es sind wieder gute Zeiten für Schleuser auf dem Balkan.

 

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