Georg Baselitz zählt zu den teuersten Künstlern aus Deutschland. Eine Zeichnung von ihm brachte jetzt 22.000 Euro ein - die er der Obdachlosenhilfe spendet.
Anzeige
Drei Jahre ist es her: Während eines TV-Interviews im Januar 2018 zückt der Maler Georg Baselitz Stift und Skizzenblock und bringt mit routinierten Strichen ein Selbstportrait zu Papier - auf dem Kopf stehend. Seit Jahren ist das sein künstlerisches Markenzeichen: Alle Figuren und Motive auf seinen Gemälden und Zeichnungen stehen auf dem Kopf.
Baselitz steht auch 2020 wieder auf Platz drei der international wichtigsten Künstler, die das Wirtschaftsmagazin "Capital" jedes Jahr ermittelt. Darin wird mit Hilfe von statistischen Daten, Ausstellungen, Preise, Presse-Erwähnungen etc. die Relevanz dieser Künstler erhoben.
Das Blatt mit der spontanen Zeichung wird noch vor Ort in den Ausstellungsräumen der Schweizer Foundation Beyerle datiert, von dem heute 83-jährigen Künstler signiert und als Kunstspende einer Charity-Auktion übergeben.
Anzeige
Kunst für karitative Zwecke
Georg Baselitz wird 80
04:29
Nun wurde diese Bleistift-Zeichnung meistbietend versteigert - zugunsten einer Obdachlosen-Hilfsorganisation. Der Kölner Verein "Kunst hilft geben" arbeitet seit längerem erfolgreich mit prominenten Künstlern zusammen, wie beispielsweise Gerhard Richter, Rosemarie Trockel, HA Schult, und den Fotografen Benjamin Katz und Boris Becker.
Die Baselitz-Zeichnung mit dem Titel "Zero" wurde vom Kunsthaus Lempertz auf einen Schätzwert zwischen 8000 und 12.000 Euro taxiert. Am Ende kam das Bild für 22.000 Euro unter den Hammer.
Künstler mit sozialer Haltung
Die Verein "Kunst hilft geben" wird den Erlös mit anderen Obdachloseneinrichtungen teilen. "Gerade im Winter und in der Corona-Krise kämpfen in Deutschland, aber auch in ganz Europa, Tausende ums Überleben auf der Straße", sagte Dirk Kästen von der Kölner Initiative im DW-Interview. "Wir versuchen zu helfen und die Not ein wenig zu lindern." So wurden 10.000 Schutzmasken als auch 80 Winterschlafsäcke angeschafft und an Obdachlose weitergegeben.
Insgesamt haben 55 Künstler Werke für die Online-Auktion "Kunst hilft geben" zur Verfügung gestellt: Die Preisspanne geht von 300 Euro für eine kleinformatige Zeichnung bis zu 55.000 Euro für eine Bronzeskulptur von Markus Lüpertz.
2019/20 brachte die Versteigerung von 30 handsignierten Kunstdrucken des berühmten Fotos "Die Kerze" von Gerhard Richter rund 650.000 Euro ein, die der Verein allerdings noch versteuern musste, wie Kästel im DW-Interview anmerkt. Innerhalb weniger Stunden waren die Bilder ausverkauft. Richter hatte "Die Kerze" Anfang der 1980er-Jahre in verschiedenen Varianten gemalt und als Druck angefertigt. Inzwischen gehört das weltberühmte Bildmotiv zu den Ikonen der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts.
Kunst für Wohltätigkeitsauktion
Für das Auktionshaus Lempertz, mit Dependancen in Köln, München, Brüssel, London und anderen europäischen Kulturmetropolen, sind Versteigerungen für einen guten Zweck Teil der Firmentradition. Seit 1844 finden bei Lempertz, früher in Bonn ansässig, Versteigerungen von Kunst und Antiquitäten statt.
"Unser Haus ist in der Kölner Innenstadt. Da ist man mit den Problemen einer Großstadt wie Obdachlosigkeit und Drogenabhängigkeit vor der Haustür konfrontiert", sagte Isabel Apiarius-Hanstein, in sechster Familiengeneration in der Geschäftsleitung von Lempertz.
Jedes Kunstwerk, das zur Versteigerung eingereicht wird, wird von hausinternen Experten erst einmal begutachtet und bewertet. "Wir reden ja hier von Richter und Baselitz: Es gibt kaum bekanntere Namen in der zeitgenössischen deutschen Kunst", erklärte Apiarius-Hanstein im DW-Interview.
Der Markt für Künstler wie Georg Baselitz sei auf jeden Fall derzeit sehr "stark". "Das hat natürlich mit seinem Namen zu tun, aber auch damit, was die Käufer bereit sind, für eine Arbeit von ihm zu zahlen." Die Obdachlosen wird das in diesem Fall besonders freuen.
Georg Baselitz in Paris: Ein Künstler von Weltruhm
Eine Ausstellung im Centre Pompidou zeigt, wie Georg Baselitz zum Weltstar der Kunst wurde: Er stellte die Bilder auf den Kopf.
Bild: Angelika Platen
Provokante Anfänge
Seine Karriere begann Baselitz in den 1960er-Jahren mit provokanten Gemälden, die Kunsthochschule Berlin-Weißensee hatte ihn da bereits wegen Unreife geschasst. 1962/63 entstand das Bild "Die große Nacht im Eimer", das einen Jungen beim Masturbieren zeigt und als bekanntester Baselitz aus dieser Zeit gilt.
Bild: picture-alliance/Eventpress Radke
Alles steht Kopf
Dieses Bild zeigt Georg Baselitz im Jahr 2010 in der Galerie Neue Meister im Dresdner Albertinum vor zwei seiner Werke. Die sind mitnichten falsch herum aufgehängt, sondern genau so vom Künstler inszeniert: Seine Bilder "auf dem Kopf" machten ihn in den 1970er-Jahren weltberühmt.
Bild: Imago/J. Haufe
Die Heimat im Namen
Zur Welt kam er als Hans-Georg Kern im sächsischen Deutschbaselitz, das ihm später als Vorlage seines Künstlernamens diente. Mitte der 1950er-Jahre studierte er Malerei, erst an der Hochschule für bildende Künste in Ost-, später an der Hochschule der bildenden Künste in West-Berlin, wohin er 1958 zog. 1961 nahm er seinen Künstlernamen an. Hier zu sehen ist "Offenes Tor", eines seiner Spätwerke.
Bild: Imago/B. Strenske
Nicht ideologisch
Baselitz wehrte sich gegen die Kunstdogmen, denen er in Ost und West begegnet war: Im Osten diente die Malerei damals der formalen Abbildung, während im Westen die Abstraktion als höchstes Gut gelehrt wurde. In keiner der beiden künstlerischen Ideologien fühlte sich der junge Maler heimisch. Schließlich nutzte er die Motivumkehr, hier in "Nachtessen in Dresden", um sich auszudrücken.
Bild: Ludwig Museum/Georg Baselitz/Foto: J. Littkemann
Russischer Zyklus
Zwischen 1998 und 2005 erstellte Baselitz mehr als 60 "Russenbilder", in denen er Motive verfremdete, die er aus seiner Jugend in der DDR kannte - ein spätes Aufbegehren gegen das Dogma des sozialistischen Realismus, den eine starke Wirklichkeitsnähe prägte. Den Begründer der Sowjetunion stellte er in "Lenin on the Tribune" ebenfalls auf den Kopf.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Widmann
Unvorteilhafte Selbstporträts
Im Arsenal stellte Baselitz auf der Biennale 2015 acht unbenannte Selbstporträts aus: Er malte sie nach Vorlage eines Fotos, das für ihn aufgrund seines Alters "nicht sehr erfreulich" gewesen sei. Bereits 1980 hatte Baselitz in Venedig im deutschen Pavillon eine Holzskulptur ausgestellt, für die er aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Adolf Hitler heftige Kritik von Feuilleton wie Publikum erntete.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Merola
Bildhauer und Maler
Die Biennale war auch Anlass für Baselitz, sich der Bildhauerei zu widmen. Seine "Dresdner Frauen" waren ebenso wie seine Gemälde Teil einer großen Retrospektive im Pariser Centre George Pompidou im Jahr 2021. Kuratiert wurde die Ausstellung von Bernard Blistène und Pamela Sticht in Zusammenarbeit mit Baselitz.
Bild: Imago/teutopress
Protest gegen Kulturgutschutzgesetz
Baselitz blieb stets ein wacher Künstler: Aus Protest gegen die geplante Verschärfung des deutschen Kulturgutschutzgesetzes 2015 kündigte er an, seine Leihgaben aus deutschen Museen zurückzuziehen. Das Gesetz sah vor, Museumssammlungen in ihrer Gesamtheit unter einen Ausfuhrschutz zu stellen. Im Bild zu sehen: Vier Werke aus dem Zyklus "CDF" von 1998/99.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Schuldt
Bekanntheit hat ihren Preis
Baselitz zählt zu den weltweit bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern, der aktuelle Kunstkompass listet ihn auf Platz drei. Das schlägt sich in seinen Preisen nieder: 2017 wurde für die Bronzeskulptur "Zero Dome" (Foto) 950.000 Euro verlangt. 2022 versteigerte das Auktionshaus Christie's das Gemälde "Schwarze Kafeekanne" für mehr als 1,5 Millionen Euro.