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Gesellschaft

Benin: Pflegefachkraft in Deutschland werden

Katrin Gänsler
22. Juni 2021

Es ist der Traum vieler Beniner, zum Studium nach Europa zu gehen. Doch das scheitert häufig an der Finanzierung. Eine Ausbildung wird deshalb zur Alternative - gute Deutschkenntnisse vorausgesetzt.

Jospen Aikoun zeigt auf der Deutschlandkarte, wo Troisdorf liegt
Das Ziel vor Augen: Jospen Aikoun zeigt auf der Deutschlandkarte, wo Troisdorf liegtBild: Katrin Gänsler/DW

Es ist Montagmorgen in Abomey-Calavi, einer Großstadt im Süden Benins. Hier hat der Verein "Spaß mit Deutsch" - ein Deutschlernzentrum - sein Büro. In dem kleinen Klassenzimmer üben drei junge Männer, wie man sich auf Deutsch begrüßt und vorstellt.

Einer von ihnen ist Jospen Aikoun. Seit seinem Abitur im Jahr 2019 hat er hier Vokabeln und deutsche Grammatik gelernt und sich auf die Sprachprüfungen des Goethe-Instituts vorbereitet, um so seinen großen Wunsch zu verwirklichen: "Seit meiner Kindheit habe ich davon geträumt, eine Ausbildung in Deutschland zu machen. Deutschland ist ein gutes Land dafür." Jospen Aikoun hat eine Zusage zur Ausbildung zum Pflegefachmann in der Nobilis Seniorenresidenz in Troisdorf bei Köln erhalten.

Deutschlehrer Amos Mayowa Atchoba (hinten) bereitet Jospen Aikoun (r.) und seine Mitschüler auf die Prüfungen vorBild: Katrin Gänsler/DW

Dass es eine Ausbildung im medizinischen Bereich sein sollte, stand für Jospen Aikoun früh fest. "Meine Mutter hat davon gesprochen. Auch mir gefällt der Arbeitsbereich." Anfangs überlegte er, nach Frankreich zu gehen. Doch das klappte im vergangenen Jahr nicht. Seitdem hat er sich konzentriert auf Deutschland vorbereitet. "Als ich schließlich den Ausbildungsvertrag und das Visum hatte, waren alle sehr glücklich. Meine ganze Familie hat sich gefreut. Ich werde zum ersten Mal in Europa sein", sagt Jospen Aikoun.

Steigendes Interesse an einer Ausbildung

Die Idee, für eine Ausbildung nach Deutschland zu gehen, ist in Benin noch neu. "Im vergangenen Jahr haben wir die ersten Erfahrungen damit gemacht", sagt Amos Mayowa Atchoba, Deutschlehrer-Assistent bei "Spaß mit Deutsch". Er selbst hat an der Universität Abomey-Calavi, die nur wenige Autominuten entfernt liegt und die größte im Land ist, seinen Bachelor in Germanistik gemacht.

Die große Mehrheit der Deutschlerner, die er unterrichtet, wolle studieren. Das sei häufig kompliziert, so Atchobas Erfahrung, besonders die Finanzierung. "Man braucht ein Konto und viel Geld." Der sogenannte Finanzierungsnachweis, der meist vor dem Visumsantrag vorliegen muss, liegt bei 10.332 Euro. Ohne Stipendium ist ein Studium in Europa, den USA oder Kanada kaum möglich.

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Doch auch der Weg bis zum Ausbildungsvertrag war für Jospen Aikoun nicht einfach. "Ich habe mehr als zehn Bewerbungen geschrieben", erinnert er sich und war schließlich sehr froh über die Zusage aus Troisdorf. Eine Herausforderung sei, dass viele Informationen zu den 350 Ausbildungsberufen sowie potenziellen Ausbildungsbetrieben nur auf Deutsch erhältlich sind. Wer die Sprache allerdings erst lernt, versteht nicht sofort alles. "Ich musste immer wieder im Wörterbuch nachschlagen oder mit meinem Lehrer sprechen."

In anderen Ländern werben außerdem staatliche wie private Initiativen Auszubildende an, in Benin bisher jedoch nicht. Interessenten sind auf sich gestellt.

Sofort Geld verdienen

Jospen Aikoun freut sich, sofort finanziell unabhängig zu sein. Die Ausbildungsvergütung macht es möglich. Als "tolle Möglichkeit" bezeichnet das auch Deutschlehrer Amos Mayowa Atchoba. "Und anschließend kann man gleich eine Arbeit suchen." Das ist mit einem Studium mitunter schwierig. Ein Hochschulabschluss ist zwar der Traum vieler junger Beniner. Doch Jobs für Hochqualifizierte sind im Land oft Mangelware, auch wenn es keine verlässlichen Statistiken über Jugendarbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung gibt.

Hochschulabsolventen fehlt die Praxis, kritisiert Vianet Lokossou Bild: Katrin Gänsler/DW

Viele junge Menschen seien auf der Suche, erlebt auch Vianet Lokossou. Der Diplomlandwirt hat vor drei Jahren in der Hafenmetropole Cotonou die nichtstaatliche Organisation "Enfant de pauvre, c'est riche" (EPCR, etwa "Ein Kind der Armen ist reich") gegründet und unterstützt Hochschulabsolventen auf dem Weg in die Selbstständigkeit. "Eltern tun alles, damit sie das Schulgeld für ihre Kinder aufbringen. Sie sollen ihr Abitur machen, studieren und dann in einem Büro arbeiten. Heute funktioniert das aber nicht mehr so."

Zum einen würden Staat und Firmen nicht ausreichend Arbeitsplätze anbieten. Zum anderen sei das Studium viel zu theoretisch. Nach dem Abschluss würden viele erst einmal Praktika machen, um einen Einblick in die Arbeitswelt zu erhalten.

Benin setzt auf duale Ausbildung

Doch auch in Benin wird immer deutlicher, wie wichtig praktische Ausbildung ist. In Dogbo im Südwesten des Landes hat sie schon lange Priorität. Dort bietet die nichtstaatlichen Organisation Education Services International (ESI), die von dem Verein Pro Dogbo aus der Kleinstadt Kleve an der Grenze zu den Niederlanden unterstützt wird, eine Ausbildung zum Bäcker, Metallbauer und Kfz-Mechaniker an. In dem Zentrum können sich zudem Elektriker in der Installation und Wartung von Solaranlagen fortbilden.

Daniel Sagbo (2.v.l.) bringt vier Lehrlingen das praktische Arbeiten mit Metall beiBild: Katrin Gänsler/DW

Wer hier nach dreijähriger Lehrzeit einen Abschluss macht, erhält ein staatliches Zertifikat, das sogenannte CQP (Certificat de Qualification Professionnelle). Der Unterricht besteht zu 80 Prozent aus Praxis und zu 20 Prozent aus Theorie. Kleinere Betriebe schicken zudem ihre Lehrlinge für den theoretischen Unterricht nach Dogbo.

In der Schweißerwerkstatt brummt die Kreissäge. Verantwortlich ist hier Daniel Sagbo. Um den Ausbildungsleiter herum stehen vier angehende Metallbauer. Sagbo fragt gerade ab, was sie in den vergangenen Tagen gelernt haben. In einem oder zwei Jahren und ohne einen strukturierten Ausbildungsplan sei das notwendige Wissen nicht zu vermitteln. "Drei Jahre sind eine gute Ausbildungszeit. Dann weiß man viel über das Schweißen." Außerdem erhöht es die Chancen enorm, sofort eine Arbeit zu finden.

Das hat er auch bei den acht Lehrlingen erlebt, die Anfang des Jahres ihren Abschluss gemacht haben. "Drei haben eine Gelegenheitsarbeit gefunden. Die Übrigen sind in Werkstätten in der Stadt untergekommen." Mit einer guten Ausbildung, ist sich Schweißer Sagbo sicher, lässt sich in Benin Geld verdienen.

Der Traum vom Altenheim

Dorthin will auch Jospen Aikoun zurück. Dabei lautet die Kritik häufig: Wer im Ausland studiert oder eine Ausbildung macht, bleibt oft dort. Nicht nur in Benin ist der Brain Drain allgegenwärtig. Gleichzeitig gibt es gerade in Deutschland einen großen Mangel an Pflegekräften. Handwerksbetriebe haben es hier schwer, Lehrlinge zu finden. Aikoun hat jedoch ein anderes Ziel: "Nach meiner Rückkehr möchte ich in meinem Land mit Freunden einen Verein zur Pflege alter Menschen gründen. Später kann daraus ein Altenheim werden."

Mittlerweile ist der 19-Jährige in Deutschland angekommen und schreibt per Messenger: "Es ist hier alles gut."

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