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KunstNigeria

Benin-Bronzen: Tücken des Rückgabeprozesses

31. März 2021

Nigerias Botschafter wirft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz koloniale Strukturen vor. Deren Präsident Hermann Parzinger stellt nun die Rückgabe der Bronzen in Aussicht.

Zwei Figurengruppen 'König mit Gefolge' aus dem Königreich Benin
'König mit Gefolge': Zwei Figurengruppen aus dem Königreich Benin Bild: Bernd Settnik/ZB/picture-alliance

Die gestohlene Seele - Raubkunst aus Afrika

42:36

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Europa Ende des 19. Jahrhunderts: In allen großen Städten entstehen sogenannte Völkerkundemuseen. Kuratoren und Wissenschaftler liefern sich einen regelrechten Wettstreit, wer es schafft, die meisten und kostbarsten Kunstschätze aus anderen Ländern anzuhäufen. Was damals indes nicht zur Sprache kommt, heute aber schon lange nicht mehr totgeschwiegen werden kann: An vielen Objekten klebt Blut. So auch an den sogenannten Benin-Bronzen, um die eine komplexe und vielschichtige Debatte entbrannt ist, die womöglich nun - nach mehr als 100 Jahren - zu deren Restitution an Nigeria führen wird.

Kürzlich beauftragte Kulturstaatsministerin Monika Grütters Hermann Parzinger, den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, eine Strategie für die Museen zu entwickeln, die Kunst aus Unrechtkontexten besitzen. Ein Durchbruch.

Zweifelhaftes Erbe: Ethnologische Museen 

Doch Yusuf Tuggar, der Botschafter Nigerias in Deutschland, hegt Zweifel, ob ausgerechnet die Stiftung Preußischer Kulturbesitz der richtige Akteur dafür sei, wie er im DW-Interview verrät: "Leider scheint es, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz immer noch mit einer Denkweise des 20. und nicht des 21. Jahrhunderts operiert", so Tuggar. Die Stiftung verkörpere die Grundidee der ethnologischen und anthropologischen Museen, die einhergehe mit der gleichen Ideologie, die den Kolonialismus Kolonialismus hervorgebracht habe: nämlich der der kulturellen Hegemonie des Kolonialherrn über die Kolonisierten. "Wenn man tiefer gräbt, stellt man fest, dass einige von ihnen eng mit diesem ganzen Konzept der Eugenik verbunden waren; dem Studium anderer Menschen, die vielleicht als weniger menschlich angesehen wurden."

Beginn der Kolonialisierung: Unter Bismarcks Leitung wurden 1884 die Bedingungen der Teilung Afrikas festgelegtBild: picture-alliance/akg-images

Ganz von der Hand zu weisen ist Tuggars Kritik nicht. Mit 440 Benin-Bronzen verfügt die Stiftung über die zweitgrößte Sammlung weltweit - und die stammt nachweislich aus einem Unrechtkontext. Was heute unter dem Namen Benin-Bronzen geläufig ist - tatsächlich handelt es sich nicht nur um Skulpturen und Reliefs aus Bronze, sondern ebenso aus Messing sowie Artefakte aus Elfenbein - wurde 1897 bei einer britischen Strafexpedition aus dem Palast in Benin-City im heutigen Nigeria geraubt.

1200 Elitesoldaten überfielen die Stadt, brandschatzten und plünderten den Palast. Ihre Beute - die oben erwähnten Bronzen sowie prächtige Reliefs - landete im British Museum und auf Auktionen, worüber sie ihren Weg in zahlreiche europäische Museen fanden. So auch nach Berlin, wo 1886 eine neues Völkerkundemuseum eröffnet hatte, dessen Bestände es zu füllen galt. Gewissermaßen der Vorgänger des heutigen Humboldt-Forums beziehungsweise seiner ethnologischen Sammlungen, die demnächst ins rekonstruierte Hohenzollern Schloss einziehen sollen.

Ambitioniertes Großbauvorhaben abgeschlossen: das Berliner Humboldt-ForumBild: imago images/Schöning

Macron gab den Anstoß 

Seit Jahren ist geplant, dass die Benin-Bronzen das Herzstück der Ausstellung zur Wiedereröffnung im Herbst sein sollen. Und daran hält das Museum auch fest: "Es ist wichtiger denn je, dass eine Ausstellung über die Bronzen stattfindet", sagt Ausstellungskurator Jonathan Fine. "Die Geschichte des Königreichs Benin, aber auch das Unrecht, das 1897 geschehen ist, stehen wirklich im Mittelpunkt der Ausstellung." Ziel sei es, den Menschen bewusst zu machen, warum die Bronzen in der Welt verstreut und warum so viele von ihnen in Berlin seien. "Wir wollen klar die Frage stellen, was mit ihnen in Zukunft geschehen soll. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Diskussion die Wendung genommen hat, die sie genommen hat", führt Fine weiter aus. Sollten die Bronzen bis dahin restituiert sein, wolle man auf Gipsabgüsse der Artefakte zurückzugreifen. 

Dass das Wort Restitution von Politikerinnen und Politikern überhaupt als eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit in den Mund genommen werde, als eine Option, stuft Bénédicte Savoy als den Anfang einer riesigen Veränderung in der Welt-Geographie der Kunst ein. Die Historikerin forscht seit vielen Jahren zum Thema Raubkunst und hat jüngst ein neues Buch dazu veröffentlicht. "Der Prozess hat 2016 angefangen, als Emmanuel Macron angekündigt hat, Objekte innerhalb von fünf Jahren nach Afrika zurückgeben zu wollen", sagt sie. Lange sei allerdings nichts passiert - bis die französische Nationalversammlung im Dezember 2019 beschloss, 26 Objekte an die Republik Benin zurückzugeben. "Und das hat wie eine Billardkugel die andere angestoßen. Und die deutsche Kugel, wenn man so will, hat Fahrt aufgenommen." Bislang warten die Beniner allerdings noch auf ihre Kunstwerke - rund ein Jahr bleibt Macron noch, um sein Versprechen einzulösen. 

Weckruf auch für Deutschland

Nichtsdestotrotz war Frankreichs Rückführungsbereitschaft auch ein Weckruf für Deutschland, wo man sich bis dato weniger deutlich bis gar nicht positioniert hatte. Jahrelang habe man versucht, Zeit zu gewinnen, indem man zum Beispiel Objektlisten nicht veröffentlicht habe, so Savoy. "Doch diese Lügen sind nicht mehr möglich."

In den vergangenen Wochen haben sich in der Bundesrepublik die Ereignisse in Bezug auf die Restitutionsdebatte überschlagen. "Zur größtmöglichen Transparenz bei der umfangreichen Aufarbeitung der Herkunftsgeschichte" der Bestände aus kolonialem Kontext und "für den von uns angestrebten Dialog mit den Herkunftsgesellschaften" wolle man jetzt eine zentrale Datenbank schaffen, in der 25 deutsche Einrichtungen ihre Bestandslisten veröffentlichen, ließ Kulturstaatsministerin Monika Grütters am 30. März in einer Pressemitteilung verlautbaren.

Ausstellungsstücke aus dem früheren Königreich Benin im Leipziger Museum für VölkerkundeBild: Wolfgang Kluge/picture alliance

Bürokratische Feinheiten

Ein wichtiger Schritt, denn damit Restitution erfolgen kann, müssen die Rückgabe-Ersuche per Verbalnote übermittelt werden - inklusive Angaben, welche Objekte zurückverlangt werden und warum. Da aber nur ein Bruchteil der Bestände jemals ausgestellt wird und wurde, war es für die fordernden Länder bislang eher ein Ratespiel. 

Bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in der der Bund und die 16 Länder vertreten sind, sei man jetzt zumindest bereit für eine Rückgabe, so Präsident Hermann Parzinger. Das ist insofern neu, da bislang nur von einer Dauerleihgabe der Objekte an Nigeria die Rede war. "Es wird jetzt darum gehen, dass wir mit den Verantwortlichen in Nigeria ins Gespräch kommen, wie genau das ablaufen soll", so Parzinger im DW-Interview weiter. "Es gibt jetzt die Bereitschaft, diesen Prozess vernünftig zu gestalten, so dass in gewisser Weise Benin-Bonzen weiterhin in aller Welt gesehen werden können, aber es trotzdem zu Rückgaben kommt."

Wie genau das ablaufen soll, dazu konnte Parzinger sich noch nicht konkret äußern. Er verwies auf eine Zusammenkunft der betroffenen Museen und vor allem der Träger der Museen, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters für April angesetzt habe, damit eine gemeinsame Haltung entwickelt werden könne. Es bleibt also weiterhin spannend.

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