Benins Internationales Frauenfilmfestival bringt 18 Filme auf die Leinwand, die alle von Frauen gedreht wurden. Ins Leben gerufen hat es die Filmemacherin Cornélia Glele, eine Kämpferin für Gleichberechtigung.
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Der Saal des einzigen Kinos von Cotonou, der Wirtschaftsmetropole von Benin, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Wer zu spät kommt, muss sich auf den Boden hocken. An diesem Abend steht eine Frau im Mittelpunkt: Cornélia Glele. Bereits zum dritten Mal seit 2019 organisiert sie das Internationale Frauenfilmfestival (FIFF) von Cotonou, das noch bis Samstag stattfindet. Dabei ist Glele gerade einmal 26 Jahre alt. Doch es ist ihr gelungen, Filmemacherinnen, Regisseurinnen und Schauspieler aus ganz Afrika nach Benin zu holen. Noch bis morgen laufen 18 Filme im Wettbewerb, der Debatten angestoßen hat - über afrikanische Produktionen ebenso wie die Rolle von Frauen in der Filmindustrie. Alle Festivalbeiträge sind von Frauen verantwortet.
Cornélia Glele ist Journalistin, Filmemacherin und Bloggerin. Im Zentrum zu stehen und allen Applaus zu bekommen, das ist nicht ihre Sache. Stattdessen spricht sie lieber über die Neuheit des diesjährigen Festivals: Der Eröffnungsfilm "Malaïka" ist ein Projekt ihres Vereins "EcranBénin", der das Filmfestival organisiert. Für den Film sind zehn junge Frauen aus mehr als 100 Bewerbungen ausgewählt worden, zum Teil ganz ohne Filmerfahrung - die sich dann um alle Bereiche von den Kostümen über das Darstellen bis hin zur Kameraführung selbst gekümmert haben.
"Ich kannte sie nicht persönlich. Es sind also keine Freundinnen von mir", sagt Glele, um den Verdacht der Vetternwirtschaft gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zwei Monate bekamen sie einen Crashkurs in allen Bereichen der Filmproduktion. Höhepunkt des Experiments war der siebentägige Dreh in der Stadt Parakou im Norden Benins.
Durch die Augen von Frauen
In einem unscheinbaren Wohnhaus in Parakou fällt Synchronklappe Nummer 17. Gedreht wird eine zentrale und besonders schwierige Szene: Auf dem Bett liegt eine junge Frau, die feststellt, dass sie inkontinent ist. Es ist die Folge einer Fistel im Genitalbereich. Davon sind weltweit rund zwei Millionen Frauen betroffen, meist auf dem afrikanischen Kontinent. In der Geschichte ist eine Fehlgeburt dafür verantwortlich. Die Hauptfigur, die Malaïka heißt, wurde gegen ihren Willen und als Minderjährige verheiratet. Für eine Schwangerschaft war ihr Körper noch gar nicht bereit. Die gesundheitlichen Folgen sind ebenso fatal wie die daraus folgende gesellschaftliche Stigmatisierung.
Eine der Teilnehmerinnen ist Maïmouna Garba, die aus dem Nachbarland Niger kommt. Mehrmonatige Ausbildungsmöglichkeiten wie diese sind selten, und die 24-Jährige ist begeistert: "Mit den anderen Teilnehmerinnen verbringe ich eine unglaublich tolle Zeit, die ich nie vergessen werde. Es ist fantastisch." Die zehn jungen Frauen sind für alles selbst verantwortlich. Jede hat zwei Szenen des Drehbuchs geschrieben. Sie müssen sich um Drehorte, Requisite, Ton und Kameraführung kümmern.
Raus aus der Opferrolle
Vor allem haben sie die Chance, aus ihrem Blickwinkel eine Geschichte zu erzählen, die ihnen wichtig ist. Es sind nicht immer die großen Krisen, die aus europäischer Sicht vorherrschend sind. Tatsächlich geht es um Alltagserfahrungen. Maïmouna Garba konnte das schon in früheren Filmprojekten in Niger erproben. "Gemeinsam mit anderen jungen Frauen wurde ich ausgewählt, um einen Dokumentarfilm über geschlechtsspezifische Gewalt zu drehen. Wir haben uns mit sexualisierter Belästigung in Schule und Arbeitswelt befasst. Anschließend wurde mein Film auf zwei Festivals gezeigt."
Afrikamera: Filme aus Afrika in Berlin
Migration und Diaspora stehen im Fokus des diesjährigen Afrikamera-Film-Festivals Berlin. In den Dokumentationen, Spielfilmen und einer Animation zeigt sich die Vielfalt afrikanischer Filmproduktionen.
Bild: AFRIKAMERA 2022
"Le Dernier Refuge" (Mali/ Südafrika/ Frankreich 2021)
An vier Berliner Spielorten zeigt "Afrikamera" vom 8. bis 13. November Kinofilme sowie Performances, die überwiegend die Themen Migration und Diaspora aus einer afrikanischen Sichtweise beleuchten. Der Dokumentarfilm des malischen Regisseurs Ousmane Samassékou porträtiert einen Zufluchtsort der Caritas am Übergang von der Sahelzone zur Sahara. Hier pausieren Flüchtende auf ihrem Weg nach Norden.
Bild: AFRIKAMERA 2022
"Fati's Choice" (Ghana/ Südafrika 2021)
Umgekehrt erzählt dieser Dokumentarfilm, wie es sich anfühlt zurückzukehren. "Fati's Choice" handelt von Fatis Desillusionierung in der neuen europäischen Heimat und ihrer Sehnsucht nach der alten. Die Protagonistin geht wieder zurück nach Ghana und stößt damit auf Unverständnis. Filmemacherin Fatimah Dadzie hat die Geschichte mit der Kamera begleitet.
Bild: AFRIKAMERA 2022
"Exilées" (Algerien 2019)
Im Programm laufen nicht ausschließlich Dokumentarfilme. In der Sparte "Afrikamera Shorts" findet sich mit "Exilées" von Ager Oueslati ein Kurzfilm über Migration. Wieder ist die Migrierende eine Frau. Sie strandet in der Wüstenstadt Agadez im Niger und fühlt sich, darauf spielt der Titel an, wie eine "Exilierte" - eine Ausgestoßene. Oueslati arbeitet derzeit an ihrem ersten Langfilm.
"Nayola" ist das Produkt eines Europäers, des Portugiesen José Miguel Ribeiro, doch es spielt im Südwesten Afrikas - dort, wo auch Ribeiros Muttersprache Amtssprache ist: in Angola. Der mystische Animationsfilm widmet sich dem angolanischen Bürgerkrieg anhand des Porträts dreier Frauen unterschiedlicher Generationen einer Familie. Alle sind sie auf ihre Weise vom blutigen Krieg traumatisiert.
Bild: AFRIKAMERA 2022
"Father's Day" (Ruanda 2022)
Auch in "Father's Day" von Kivu Ruhorahoza werden drei Geschichten miteinander verwoben. Schauplatz ist das im Osten Afrikas gelegene Ruanda. Ruhorahozas dritter Film klagt vor dem Hintergrund des unbenannt bleibenden Genozids patriarchale Macht an. Zum Dokument der Hoffnung machen ihn die starken Frauenfiguren. Das Drama feierte in der Sektion "Encounters" der diesjährigen Berlinale Premiere.
Bild: AFRIKAMERA 2022
"Neptune Frost" (USA/ Ruanda 2021)
In diesem in Zentralafrika angesiedelten Spielfilm geht es um Widerstand. Eine Gruppe geflohener Coltan-Bergarbeiter gründet mit Hackern ein antikolonialistisches Kollektiv, um das ausbeutende autoritär-diktatorische Regime zu stürzen - von einer Elektroschrott-Halde aus. Regie führten der US-Amerikaner Saul Williams und die ruandische Filmemacherin und Schauspielerin Anisia Uzeyman.
Bild: AFRIKAMERA 2022
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Für Cornélia Glele ist aber noch ein anderer Aspekt zentral: Frauen sind nicht bloß Opfer von Umständen, sondern können selbst handeln. "Man muss endlich aufhören, das arme Mädchen zu zeigen, das eines Tages den Prinzen trifft und reich wird, ohne selbst dafür etwas zu tun. Anschließend landet sie in der Küche, und er bringt das Geld nach Hause."
Engagement für ein selbstbestimmtes Leben
Rund um die Entstehung des Films "Malaïka" hat Cornélia Glele allerdings gemerkt, wie stark alte Rollenbilder bis heute verankert sind. Das gilt auch für junge Frauen, die sich selbst als Feministinnen bezeichnen. "Der erste Tag der Weiterbildung war sehr schwierig. Jemand sagte: Zu Hause bezahle ich keine Rechnungen. Das muss mein Mann machen. Eine andere fand: Es ist normal, dass der Mann nicht im Haushalt hilft. Er hat gar nicht das Recht, seinen Fuß in die Küche zu setzen. Ich mache die ganze Arbeit." Einen Monat lang haben sie immer wieder über Ansichten gesprochen und zunehmend Dinge hinterfragt.
Eine Frau wundert sich nicht über diese Hartnäckigkeit. Egal, ob bei der großen Eröffnungsfeier oder bei den Podiumsdiskussionen: Angèle Marie Hougbelo, verheiratete Glele, bliebt im Hintergrund, ist aber stets an der Seite ihrer Tochter. "Schon in der Grundschule hat sie protestiert, wenn ein kleines Mädchen gehänselt wurde. In der weiterführenden Schule hat sie sich bis zum Abitur für Sexualaufklärung eingesetzt." Ganz leicht sei das für die Mutter damals nicht gewesen: "Sie war überhaupt nicht mehr zu Hause, sondern ständig unterwegs, obwohl sie erst 17 war. Manchmal war ich besorgt und habe gehofft, dass ihr nichts passiert. Sie war in Bereichen unterwegs, die von Männern dominiert werden."
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Bescheidenheit statt Arroganz
Eins beeindruckt die Mutter besonders: die Geradlinigkeit ihrer Tochter. Sie verließ ein Unternehmen, weil es dort zu Belästigungen kam. Als beim ersten Internationalen Frauenfilmfestival (FIFF) 2019 die Veranstaltungspatin ausgetauscht werden sollte, weigerte sie sich standhaft und setzte sich durch. All das bringt Anerkennung. Besonders deutlich geworden sei diese während der Eröffnungsfeier. "Es war sehr emotional. Ich habe mich zwischendurch gefragt, wie es einem so jungen Menschen gelingt, so viele andere zu mobilisieren. Wie klappt das? Wenn ich dann anderen zuhöre, merke ich: Es hat es auch etwas mit meiner Erziehung zu tun", sagt Angèle Marie Hougbelo.
Ihr Erziehungsmotto beschreibt Hougbelo so: Vor allem Mädchen brauchen eine gute Ausbildung, um finanziell unabhängig zu sein, und Erfolg darf nicht arrogant und überheblich machen. "Cornélia gelingt all das, weil sie bescheiden und den Menschen zugeneigt ist". Die Filmemacherin und Feministin hat unterdessen schon angekündigt, dass das FIFF auch 2026 wieder stattfinden soll. Vermutlich wird dann jedoch ein größerer Saal notwendig sein.
50 Jahre westafrikanisches Filmfestival FESPACO
In Burkina Faso begann am Samstag zum 26. Mal das Festival des afrikanischen Kinos. Die erste Auflage fand im Februar 1969 statt. Die Biennale ist eine der wichtigsten Plattformen afrikanischer Filmschaffender.
Bild: Getty Images/AFP/J. P. Ksiazek
Ein Fest des afrikanischen Films
Eines der ältesten und bedeutendsten Filmfestivals auf dem afrikanischen Kontinent feiert ein rundes Jubiläum: Das panafrikanische Film- und Fernsehfestival in Ouagadougou - kurz FESPACO - fand im Februar 1969 zum ersten Mal statt.
Bild: picture-alliance/dpa/EPA/N. Bothma
Die Magie des Kinos
Auch die 26. Auflage des Festivals, die am 23. Februar in der Hauptstadt Burkina Fasos beginnt, wird wieder mit viel Pomp eröffnet werden. Pferde sind ein fester Bestandteil des Festivals: Der Hauptpreis der Jury ist der Etalon d'Or de Yennenga - der goldene Hengst, benannt nach einer mythischen Prinzessin.
Bild: picture-alliance/dpa/EPA/N. Bothma
Ouagadougou: Westafrikas Hauptstadt des Kinos
Es sind einige Freunde des Kinos, darunter die spätere Kulturministerin, die das Festival in der Hauptstadt des damaligen Staates Obervolta ins Leben riefen. Bis heute sind dort 2140 Filme gezeigt und 160 Preise verliehen worden. Die monumentalen Filmrollen auf der "Place des Cinéastes" bezeugen seit 1987 den Status Ouagadougous als Hauptstadt des afrikanischen Kinos.
Bild: imago/Xinhua Afrika
Ousmane Sembène und der Traum vom Massenmedium
Die Entwicklung des afrikanischen Kinos ist stark von den ehemaligen Kolonialmächten geprägt. Im frankophonen Westafrika zählen Regisseure wie Ousmane Sembène zu den Pionieren. Sembène, zunächst Romanautor, sieht den Film als Medium der Massen, das auch Analphabeten erreicht. Doch die Verbreitung afrikanischer Filme bleibt abseits der Festivals ein Problem.
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Der Kampf um Selbstdarstellung
Von Anfang an hat das afrikanische Kino auch eine politische Mission: Immer wieder geht es darum, die kulturelle Vorherrschaft der europäischen Kolonialstaaten zu überwinden und ihr eigene Identifikationsfiguren entgegenzusetzen. Med Hondos Film Sarraounia erzählt die Geschichte einer Herrscherin, die sich der französischen Kolonisation widersetzt. Er wurde 1987 mit dem Etalon d'Or ausgezeichnet.
Bild: picture-alliance/United Archives/IFTN
Ein Hengst südlich der Kalahari
Afrikas Cineasten widmen sich auch erfolgreich der jüngeren Geschichte. Mit "Drum" blickt Zola Maseko auf das Leben und Arbeiten von Journalisten im Township Sophiatown unter Südafrikas Apartheid-Regime. 2005 erhält er dafür die begehrte Trophäe - als erster Südafrikaner und zweiter Anglophoner. Es ist ein Aufbruch: Die nächsten Hauptpreise werden nach Nigeria und Äthiopien gehen.
Bild: AFP/Getty Images
Raus aus dem Schatten
Auch andere müssen sich beim Festival erst einmal freikämpfen: Erst in den 2010er Jahren rücken Frauen als Filmschaffende stärker in den Fokus - mit einem eigenen Festival, das im jährlichen Wechsel stattfindet, aber auch beim FESPACO selbst. Naky Sy Savané verkörpert in "Frontières" eine Ivorerin, die Stoffe schmuggelt, um ihren Kindern das Studium zu finanzieren.
Bild: DW/K. Gänsler
Über die Grenzen des Kontinents
Das Verhältnis zum Rest der Welt bleibt ambivalent. Filmemacher aus der afrikanischen Diaspora bekommen erst 1987 einen Platz auf dem Festival. Erst ab 2015 dürfen sie auch auf den Hauptpreis hoffen. Andererseits bringen es wenige Afrikaner zu Weltruhm. Abdrahmane Sissako ist der erste Afrikaner, der mit "Timbuktu" 2015 auch den französischen Filmpreis César abräumt.
Bild: Getty Images/AFP/A. Ouoba
Vom Terror getroffen
Lange bleibt das Land in der Sahelzone vom Terror verschont. Umso größer ist der Schock, als 2016 das Hotel Splendid - eine beliebte Unterkunft der Festival-VIPs - Ziel eines islamistischen Anschlags wird. Wegen der internationalen Präsenz könnte auch das FESPACO zum Ziel werden. Im Folgejahr wird die Sicherheit stark erhöht.
Bild: DW/K. Gänsler
Mit knappen Kassen ins digitale Zeitalter
Seit 2015 sind digitale Filme im Wettbewerb zugelassen. Doch der Aufbruch in die Zukunft beginnt mit einer weiteren Hürde: Anfangs müssen alle digitalen Beiträge für teures Geld umgewandelt werden. Dabei haben die Regisseure kaum zahlendes Publikum oder Fernsehverbände hinter sich. Bis heute ist die afrikanische Filmindustrie auf Unterstützung von außen angewiesen.