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Benjamin Britten zum 100. Geburtstag

Philip Süthoff18. November 2013

Wunderkind, Pazifist, Exilant: Der erfolgreichste englische Komponist des 20. Jahrhunderts bietet gleich eine Vielzahl von Facetten.

Ein schwar-weiß Portrait von 1948 zeigt Benjamin Britten in einem eleganten Anzug (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Vor 100 Jahren, am 22. November 1913, wurde Benjamin Britten in Lowestoft, der östlichsten Stadt Großbritanniens, geboren. Das Familienhaus war zum Meer hin gelegen. Nicht eine Haus- oder Straßenmusik, sondern die raue und heulende Seeluft sowie das stetige Tönen der Meereswogen gehörten zu den ersten musikalischen oder klanglichen Erfahrungen des jungen Benjamin. Einem Wunderkind gleich erlernte er mit nur fünf Jahren das Klavierspiel; nur wenige Jahre später bekam er Bratschenunterricht und wagte sich an die ersten Kompositionen. Und dennoch: Das Meer blieb zeitlebens seine elementare musikalische Erfahrung. Britten schien Lowestoft, im Sommer ein idyllischer Badeort, zudem sehr gemocht zu haben. Insgesamt 21 Jahre verbrachte er in seiner Geburtstadt.

Lowestoft im SommerBild: Getty Images

Verschwiegene Sexualität

Zu Beginn des Jahres 1937 schieden gleich zwei Menschen aus Brittens Leben: seine Mutter Edith und sein Freund Peter Burras. Britten verfiel in eine tiefe Einsamkeit; auch seine kompositorische Produktivität geriet ins Stocken. In jener Zeit intensivierte sich aber auch sein Verhältnis zu dem Tenor Peter Pears.

1938 zog das Freundes- und Liebespaar gemeinsam von London nach "Hudson's Mill" in Brittens alter Heimat. "In der alten Malzmühle begann eine unvergleichliche Zusammenarbeit, eine künstlerische Symbiose von Komponist und Interpret, wie man sie in der Geschichte der Musik nur selten antrifft", weiß der Dramaturg und Publizist Norbert Abels zu berichten. Wenngleich die Beziehung bis zu Brittens Tod im Jahr 1976 andauerte und wohl jeder in dessen Umfeld über die Homosexualität Brittens und Pears informiert war, so hat dennoch zu keiner Zeit ein "Coming out" des Komponisten stattgefunden.

Benjamin Britten (rechts) und Peter PearsBild: picture-alliance/dpa

Flucht ins Exil

Im Frühjahr 1939 gingen Britten und Pears für drei Jahre ins Exil nach Nordamerika. Dem glühenden Pazifisten Britten blieb keine andere Wahl. Während in Europa der zweite Weltkrieg ausbrach, vebrachte das Freundes- und Liebespaar die meiste Zeit im "February House", einer Künstlerkolonie in Brooklyn, New York. In amerikanischen linksliberalen Kreisen und in harmonischer Zweisamkeit mit Pears fühlte sich Britten obgleich der Kriegsjahre für kurze Zeit wieder geborgen.

Konzertreise des Schreckens

Geplagt von Heimweh kehrten Britten und Pears im Frühahr 1942 nach England zurück. Befreit vom Militärdienst wurde Britten von "The Arts Council Of Great Britain" beauftragt, Konzerte für diejenigen zu spielen, die unter dem Druck und Schrecken des Krieges besonders litten.

Im diesem Zuge brach Britten im Sommer 1945, nach Kriegsende, zusammen mit dem Geiger und Komponisten Yehudi Menuhin nach Deutschland auf. Dort sollten sie gemeinsam in den von Westalliierten und Sowjets eingerichteten Lagern für heimatlose Kriegsüberlende spielen; aber auch Konzerte in Siedlungen, in Kasernen, Klöstern und Schulen standen an. Eine Apokalypse des Schreckens und der Grauens offenbarte sich dort. Bei den Konzerten schaute der Komponist in Gesichter, die von dem nur knapp entkommenen Massenmord gezeichnet waren. Diese Reise, dieses Deutschland, konnte er zeitlebens niemals vergessen.

Autobiographisches Komponieren

In Brittens kompositorischen Schaffen nehmen seine Opern, beispielsweise "Peter Grimes" aus dem Jahr 1945, und seine Liederzyklen eine prominente Stellung ein. Überhaupt: Die menschliche Stimme, das Vokale, ist bei ihm der kompositorische Ausgangspunkt. Dabei war es Britten vergönnt, mit Pears einen erstklassig ausgebildeten Tenor an seiner Seite zu haben. Die im Jahr 1943 entstandene Serenade für Tenor, Horn und Streicher komponierte Britten seinem Lebenspartner regelrecht auf den Leib.

Mehr als bei anderen großen Komponisten der Musikgeschichte ist Brittens Musik hochgradig autobiographisch. Demnach verwundert es kaum, wenn in seiner Oper "Peter Grimes" vier sogenannte "Sea Interludes" erklingen. Und noch viel weniger verwundert es, dass der Pazifist Britten mit seinem "War Requiem" eine monumentale Anti-Kriegserklärung geschaffen hat. Zur Einweihung der neuaufgebauten St. Michaels-Cathedral im Jahr 1962 wollte er nicht nur der Gefallenen des zweites Weltkrieges gedenken, sondern auch an den Frieden gemahnen. Ganz im Sinne der Versöhnung zwischen den Kriegsnationen Deutschland und England sang Pears die Tenorpartie, der Deutsche Dietrich Fischer-Dieskau den Bariton. Brittens "War Requiem" ist ein Requiem gegen den Krieg.

Tenor Peter Pears bei den Proben zum "War Requiem"Bild: Getty Images
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