Die Doppel-Raumsonde BepiColombo besteht aus zwei Orbitern, die am Merkur extreme Hitze und Kälte aushalten müssen. Eine Ariane-5-Trägerrakete hat die Sonde an diesem Samstag auf ihre siebenjährige Reise geschickt.
Anzeige
Das Raumsonden-Duo BepiColombo, benannt nach dem Italienischen Ingenieur und Mathematiker Giuseppe Colombo, gilt als eine der anspruchsvollsten Weltraum-Missionen, die die Europäische Weltraumagentur ESA je gemacht hat. Das klingt überraschend, denn im Vergleich mit so komplizierten Missionen wie der Kometenladung von Rosetta und Philae wirkt das Projekt auf den ersten Blick eher ganz alltäglich: Eine Orbiter-Sonde fliegt zu einem der Planeten in unserem Sonnensystem. Und solche Sonden gab es in der Geschichte ja schon viele.
Merkur: Planet der Gegensätze
Technisch anspruchsvoll ist das gemeinsame Projekt mit der japanischen Weltraumagentur JAXA auf jeden Fall. Schwierig sind insbesondere die extremen klimatischen Bedingungen um den Planeten herum: Der Merkur hat so gut wie keine Atmosphäre. Er ist gleichzeitig der Planet, der am nächsten zur Sonne ist. Das führt dazu, dass er sich an den extrem langen Tagen, die dort herrschen, ungemütlich stark aufheizt – auf bis zu 430 Grad Celsius. In der Nacht hingegen wird es eiskalt – bis zu minus 180 Grad.
Der Merkur ist auch der am wenigsten bekannte Planet in unserem Sonnensystem. Neben den unwirtlichen Bedingungen liegt das auch daran, dass er sehr klein ist. Mit 4878 Kilometern Durchmesser ist er nur wenig größer als unser Erdmond.
Nur zwei NASA-Sonden haben ihn jemals besucht: 1975 die Sonde Mariner und zwischen 2011 und 2015 Messenger. Messenger hatte vor allem die Nordhalbkugel des Planeten im Blick. Nun soll BepiColombo die Lücke füllen und die fehlenden Daten der Südhalbkugel liefern.
Wir wissen noch recht wenig über den Merkur. Aber das wird jetzt anders! Die Raumsonde BepiColombo soll dem sonnennächsten Planeten die Geheimnisse stehlen. Einige kennen wir schon - und die haben es in sich!
Bild: DLR/ESA
Das ist BepiColombo
Die Raumsonde BepiColombo geht auf die Reise. Es ist ein gemeinsames Projekt der europäischen ESA und der japanischen Raumfahrtagentur JAXA. BepiColombo besteht aus zwei Satelliten - dem europäischen "Mercury Planetary Orbiter" (MPO) und dem japanischen "Mercury Magnetospheric Orbiter" (MMO). Sie werden den Merkur ab dem Jahr 2026 auf unterschiedlichen Umlaufbahnen erkunden.
Bild: DLR/ESA
Unbekannter Schöner
Bislang gab es gerade mal zwei Raumsonden, die in die Nähe des Merkur kamen. Die letzte war die sehr erfolgreiche NASA-Sonde "Messenger". Sie umkreiste den Planeten mehr als 4000 Mal, sendete über 250.000 Bilder. 2015 stürzte sie geplant auf dem Planeten ab - weil ihr der Treibstoff ausging.
Bild: picture-alliance/dpa
Lange Nächte
Merkursonden müssen einiges aushalten. Vor allem die extremen Temperaturunterschiede stellen Ingenieure und Sondenbauer vor große Herausforderungen. Lebenswert ist der Merkur auch aus einem anderen Grund nicht: Die Sonne geht dort nur alle 176 Tage auf - Sie lesen richtig, ja, ist das nicht furchtbar?
Bild: picture-alliance/dpa
Ohne Atmosphäre
Auf dem Merkur ist es heiß, aber nicht so schlimm wie man das von einem so sonnennahen Planeten erwarten würde. Auf der benachbarten Venus ist es heißer. Der Grund ist, dass Merkur im Gegensatz zur Venus keine Atmosphäre hat und somit die Wärme gleich wieder abgestrahlt wird. Die Temperaturen schwanken zwischen -170°C und +425°C. Auf keinem anderen Planeten geht es so hin und her.
Bild: Reuters/NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington
Instabil und exzentrisch
Merkur ist der kleinste Planet in unserem Sonnensystem. Er ist der nächste zur Sonne, trudelt aber ordentlich herum. Seine Umlaufbahn um die Sonne ist nicht stabil, sie wird immer größer. Denn Jupiter zieht Merkur langsam aus seiner Bahn. Irgendwann könnte das sogar damit enden, dass Merkur mit der Erde kollidiert. Aber bis dahin vergehen noch viele Millionen Jahre.
Bild: picture-alliance/dpa
Wie auf dem Mond
Die Oberfläche des Merkur ist pockig und zernarbt. So wie die unseres Mondes. Es sind Krater, die zeigen, dass es in der Vergangenheit viele heftige Einschläge von Meteoriten und Asteroiden gab. Einige Krater haben sogar einen Durchmesser von mehreren hundert Kilometern.
Bild: NASA, JHU APL, CIW
6 Bilder1 | 6
BepiColombo: Zwei Orbiter gehen gemeinsam auf Reisen
BepiColombo besteht aus zwei Orbitern, die sich erst in der Nähe des Merkur voneinander trennen werden: Der Mercury Planet Orbiter (MPO) untersucht die Oberfläche und Zusammensetzung des Merkurs. Dabei soll etwa ein komplettes dreidimensionales Bild des Planeten entstehen.
Der Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO) wird den Magnetismus vermessen. Die beiden Sonden sollen zudem Daten über die Sonnenwinde sammeln und herausfinden, welche Wechselwirkungen es zwischen der Sonne und Merkur gibt.
Einzigartige Messgeräte
Insgesamt befinden sich 16 Messgeräte an Bord der beiden Sonden. "Mit einigen davon können wir sogar etwas unter die Oberfläche des Planeten blicken und dort etwas über die Mineralien – etwa Eisen-Schwefel-Verbindungen – erfahren," sagt ESA Projekt-Wissenschaftler Johannes Benkhoff im Interview mit der Deutschen Welle.
An drei Instrumenten ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beteiligt: Ein Laser-Altimeter (BELA), ein Magnetometer (MPO-MAG) und ein kombiniertes Strahlungsmessgerät mit Infrarot-Spektrometer (MERTIS).
Die Geräte mussten eigens so gebaut werden, dass sie die starken Temperaturschwankungen und Strahlungen von der Sonne überstehen können. So ist der Sensor für das Strahlungsmessgerät von MERTIS winzig: Nur einen mal drei Millimeter groß. Er wurde aus einem einzigen Stück Silizium hergestellt und dient gleichzeitig als Spalt für das damit kombinierte Spektrometer. Dieser äußere Teil des Instruments muss die Temperaturextreme aushalten können.
Im Innern der Sonde geht es weniger extrem zu. Sie ist von einer sechs Zentimeter dicken Isolierschicht umhüllt. Die soll die zentralen Geräte auf gemäßigte 20 Grad Celsius kühlen.
Anspruchsvoll ist auch der Anflug an den Planeten. Er dauert ganze sieben Jahre. "Wir brauchen sehr viel Energie, um den Merkur zu erreichen", sagt Planetenforscher Benkhoff. "Diese Energie gewinnen wir auf zweierlei Weise: Erstens haben wir einen solar-elektrischen Antrieb, der sehr energieeffizient ist. Aber die Solarenergie reicht dafür nicht. Zweitens müssen wir uns also deshalb Hilfe von den Planeten holen."
Also vollführt BepiColombo eine Reihe von Swing-by-Manövern, um durch die Anziehungskraft verschiedener Himmelskörper die nötige Geschwindigkeit aufzunehmen. Dazu muss aber die Planetenkonstellation jeweils stimmen. Und weil das nicht so einfach ist, dauert die Reise entsprechend lange. Die Sonde wird zunächst ein Mal an der Erde vorbeifliegen und dann zwei Mal an der Venus. "Insgesamt muss BepiColombo 18 Mal die Sonne umrunden, bevor wir den Merkur erreichen", sagt Benkhoff.
Am Ende muss BepiColombo zudem kompliziert abgebremst werden. Auch dazu kommen Swing-by-Manöver zum Einsatz und zwar sechs Mal am Merkur selbst. Nur so kann die Sonde am Ende ihre angestrebte Umlaufbahn um den Planeten erreichen.
Bereits auf dem Hinflug wird BepiColombo Daten von der Erde und der Venus sammeln. Nachdem die Sonde dann 2026 den Merkur erreicht, sollen ihre beiden Orbiter etwa ein Jahr lang Daten sammeln und zur Erde zurückschicken.
Kleiner Merkur vor riesiger Sonne
Einer der kleinsten Planeten unseres Sonnensystems passiert die leuchtende Sonnenscheibe. Ein solches Ereignis können Menschen nicht sehr häufig beobachten: Im Durchschnitt kommt es nur alle 13 bis 14 Jahre dazu.
Bild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand
Wie ein Fleck auf der Linse
Ein winziger schwarzer Punkt - so sieht der Merkur vor der Sonnenscheibe aus, die er am Montag passiert. Über sieben Stunden dauert das Spektakel, Tausende Astronomen verfolgen es.
Bild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand
So sah es aus Bayern aus
Diese Bilder hat ein Astronom mit seinem 800mm-Teleskop in Kempten im Allgäu aufgenommen. Der kleinste unserer Planeten wird derart stark von der Sonne überstrahlt, dass er nur noch als schwarzer Schatten erscheint. Das Teleskop selbst musste massiv abgedunkelt werden, damit überhaupt etwas zu sehen ist.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Jansen
Und wenn man noch näher herangeht?
Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 2006. Italiens Nationales Institut für Astrophysik hat es aufgenommen. Zumindest ist hier der Planet schon deutlich von einem Sonnenfleck - einem koronaren Massenauswurf - zu unterscheiden. Er ist eindeutig kreisrund. Dahinter schlagen die Flammen der Sonne hervor.
Bild: picture-alliance/dpa/INAF
Wie kommt man noch näher dran
Das geht nur mit einer Sonde. Die besten Bilder, die je vom Merkur aufgenommen wurden, stammen von der NASA-Sonde Messenger. Sie hat von 2011 bis 2015 den Merkur umrundet. Dann ist sie abgestürzt.
Bild: picture-alliance/dpa
Wie unser Mond
Was Messenger fand, war eine Oberfläche die eigentlich der unseres Erdmondes sehr ähnlich sieht: Gestein, Geröll und viele Meteoriten-Einschlagkrater. Dennoch gibt es einen Unterschied zum Mond: Die Temperaturen sind auf dem Merkur viel unwirtlicher. Weil es praktische keine Atmosphäre gibt, wird er in der Nähe der Sonne extrem heiß und kalt.
Bild: NASA, JHU APL, CIW
Der Merkur in voller Schönheit
Dieses Bild setzt sich aus Tausenden von Spektralaufnahmen der Messenger-Sonde zusammen. Sie wurden in unzähligen Umrundungen um den Planeten gesammelt und liefern erstmals ein hochauflösendes Bild.
Bild: Reuters/NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington
Oberfläche in 3D
Dieser Teilausschnitt zeigt das Gebiet des Merkur, auf dem die Messenger-Sonde 2015 abgestürzt ist. Deutlich zu sehen: Zahlreiche große und kleine Einschlagskrater.
Bild: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington
Relief im Sonnenschein
Solche Ansichten bleiben den Astronomen, die den Vorbeiflug des Merkur beobachten, leider versperrt. Auch dies ist eine Aufnahme von Messenger. Sie zeigt eine vulkanisch geformte Ebene des Planeten. Die verschiedenen Farben zeigen unterschiedliches Gestein.
Bild: NASA/JHUAPL/Carnegie Institution of Washington