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Politik

Beraten über Mossuls Zukunft

25. Oktober 2016

Die Offensive gegen Mossul geht in die zweite Woche. Aber die Koalition gegen die IS-Terrormiliz, die sich nun wieder trifft, ist brüchig. Und die Einwohner der nordirakischen Stadt sorgen sich - auch vor Befreiung.

Irak Armee auf dem Weg nach Mossul
Bild: Getty Images/AFP/A. Al-Rubaye

Morgen kommen die Verteidigungsminister der NATO in Brüssel zusammen. Deshalb war schon Anfang des Jahres entschieden worden, an diesem Dienstag in Paris ein Treffen derjenigen NATO-Staaten abzuhalten, die der Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) angehören. Jetzt, eine Woche nach dem Beginn der Offensive gegen die irakische IS-Hochburg Mossul, ist das Treffen in Paris von höchster Aktualität. US-Verteidigungsminister Ashton Carter wird mit dabei sein - mit frischen Eindrücken aus dem Kriegsgebiet: Letzte Woche war Carter nach Bagdad und in die Kurdengebiete im Norden des Irak gereist, um sich über den Fortgang der Offensive zu informieren - und um über die Zukunft Mossuls nach seiner Befreiung von der IS-Terrormiliz zu sprechen. Zuvor führte Carter Gespräche in Ankara. Auch Deutschland ist Teil der insgesamt über 60 Länder starken Anti-IS-Koalition. Die Bundeswehr beteiligt sich mit Maßnahmen zur Luftaufklärung, Luftbetankung sowie Begleitschutz für einen französischen Flugzeugträger. Dazu kommen noch die Bewaffnung und Ausbildung kurdischer Kämpfer. Deshalb wird auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Tisch in Paris Platz nehmen.

Paris am 20. Oktober: Frankreichs Präsident Hollande und der irakische Außenminister al-JaafariBild: picture-alliance/dpa/R. Duvignau

Streit in der Koalition

Wie es in Mossul nach dem IS weitergehen kann und soll, war bereits am vergangenen Donnerstag Thema einer Konferenz von 22 Staaten, ebenfalls in Paris. Allein, dass Staaten mit so unterschiedlichen Interessen wie Iran und Saudi-Arabien dort zusammen kamen, zeigt: Das Bündnis ist eines teilweise verfeindeter Kräfte, die abgesehen vom gemeinsamen Feind IS wenig Gemeinsamkeiten haben. Das zeigt auch der Streit zwischen Bagdad und Ankara über eine mögliche türkische Beteiligung an der Rückeroberung Mossuls. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht unter Rückgriff auf die türkische Geschichte von der historischen Rolle seines Landes in Mossul - und drängt auf einen Einsatz seiner Armee. Das wäre gegen den ausdrücklichen Wunsch von Iraks Ministerpräsident Haider al-Abadi. Auch die von der türkische Armee im Kurdengebiet unweit von Mossul unterhaltene Armeebasis ist ein beständiges Ärgernis für Bagdad: Weil Bagdad sie nicht will - und, weil es angesichts der Schwäche des Zentralstaats nichts gegen sie unternehmen kann. Am Sonntag noch hatte der türkische Premierminister Benali Yildirim Reportern stolz erzählt, die türkische Armee unterstütze kurdische Peshmerga bei Mossul mit Artillerie und Panzern. Das irakische Militär dementierte daraufhin jede Beteiligung Ankaras.

Zivile Opfer

Auf jeden Fall sind die USA mit Spezialeinheiten und Kampfflugzeugen beteiligt, neben insbesondere Frankreich und England. Der Sonderbeauftragte der US-Regierung für den Kampf gegen den IS, Brett McGurk, erklärte, in den letzten sieben Tagen hätten die Kampfflugzeuge der Koalition 1776 Bomben abgeworfen. Der Luftkampf gegen den IS sei beträchtlich verschärft worden.

Dabei sind aber auch zivile Opfer zu beklagen: So forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Untersuchung eines Bombenangriffs auf eine Moschee in einem Ort nahe Mossul; dabei waren 13 Frauen und Kinder getötet worden. Die Nichtregierungsorganisation AirWars zählte seit Beginn des Kampfes gegen den "Islamischen Staat" im August 2014 allein im Irak über 10.200 Luftangriffe. Bei diesen sollen von der Anti-IS-Koalition rund 50.000 Bomben abgeworfen sein - mit mindestens 1687 zivilen Opfern.

Robert Blecher hat das Vorgehen der Streitkräfte gegen den IS bei den Rückeroberungen von Ramadi, Tikrit und Falluja analysiert. Der Nahost-Experte der Crisis Group schildert im DW-Interview das gängige Muster: "Zuerst werden Flugblätter abgeworfen. Dann beginnt die Bombardierung, um die Abwehr zu schwächen. Am Ende rücken die Bodentruppen ein."

Befreit, aber zerstört

Nach seinem Siegeszug 2014 hat der IS im Irak in den letzten 16 Monaten die Hälfte seines Gebiets verloren. Aber die Siege gegen die Islamisten waren teuer erkauft. In der im Juni vom IS zurückeroberten Stadt Falludscha hat es laut Crisis-Group Experte Blecher enorme Zerstörungen gegeben. Viele Einwohner seien damals geflohen, noch längst nicht alle seitdem zurückgekehrt.

Die Stadt war nicht nur aus der Luft angegriffen, sondern auch von schiitischen Milizen mit Artillerie beschossen worden. Am heftigsten waren die Zerstörungen bei der Rückeroberung von Ramadi. Als die rund 100 Kilometer westlich von Bagdad liegende Stadt im Dezember 2015 zurückerobert war, hatten Luftangriffe und der anschließende Häuserkampf die ehemals mindestens 500.000 Einwohner zählende Stadt weitestgehend in Schutt und Asche gelegt. Die zuerst vom IS zurückeroberte Stadt war Tikrit. Die rund 150 Kilometer nördlich von Bagdad gelegene Heimatstadt von Saddam Hussein war im April 2015 vom IS befreit worden. Damals, erinnert sich Renad Mansour im DW-Interview, habe es Berichte über Gewaltakte der an der Befreiungsaktion beteiligten schiitischen Milizen an sunnitischen Einwohnern gegeben.

So ist dann wohl auch die Haltung von "Mosuleye" zu verstehen, einem von Irak-Kennern als authentisch eingeschätzten Blog aus dem belagerten Mossul. In einer Botschaft an die Mossul-Konferenz vom letzten Donnerstag in Paris hieß es dort: "Wir, die Menschen von Mossul, können kein Vertrauen haben in das, was während und nach der Befreiung passiert. Unsere Sorgen werden jeden Tag größer. Die vor uns liegenden Gefahren sind nicht weniger gefährlich als der IS."

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