1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteAserbaidschan

Berg-Karabach wohl bald ohne Armenier

30. September 2023

Über die einzige Straßenverbindung sind bislang rund vier Fünftel der ethnischen Armenier aus Berg-Karabach nach Armenien geflohen. Die Vereinten Nationen kündigen eine Mission in der Konfliktregion an.

Ein Mann beobachtet die Fahrzeugschlange auf einer Bergstraße
Es gibt nur eine Straßenverbindung von Bergkarabach nach Armenien, die zur Flucht genutzt werden kann - hier eine Aufnahme vom DonnerstagBild: SIRANUSH ADAMYAN/AFP/Getty Images

Nach der angekündigten Aufgabe des Gebiets Berg-Karabach in Aserbaidschan sind nach Zahlen der Behörden in Eriwan mehr als 100.000 armenische Einwohner aus der Region geflohen. Auch am Freitag schlängelten sich Hunderte Autos, Busse und Traktoren über die einzige Straße aus der bergigen Region in Richtung Armenien. Die dortige Regierung hatte am Donnerstag erklärt, man rechne damit, dass alle rund 120.000 ethnischen Armenier das Gebiet verlassen werden.

Um die völkerrechtlich nicht anerkannte Republik auf aserbaidschanischem Territorium hat es seit Jahrzehnten Kämpfe mit Tausenden Toten gegeben. Vergangene Woche hatte Aserbaidschan eine Offensive gestartet, kurz darauf kapitulierten die Machthaber der Enklave.

Armenier fürchten Gewalt und Unterdrückung 

Aserbaidschan hatte erklärt, die Rechte der ethnischen Armenier zu respektieren, die in Berg-Karabach bleiben wollten. Das Konzept einer eigenständigen armenischen Region habe sich aber für alle Zeiten erledigt. Einem UN-Team werde man binnen Tagen Zugang zu dem Gebiet gewähren.

Ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, kündigte inzwischen eine UN-Mission in Berg-Karabach an. Das zehnköpfige Team unter der Leitung von Mitarbeitern des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) werde bereits ab diesem Wochenende "versuchen, die Lage vor Ort zu bewerten und den humanitären Bedarf zu ermitteln, sowohl für die Menschen, die bleiben, als auch für die, die fliehen". Ein Großteil der Armenier will aus Furcht vor Unterdrückung und Gewalt nicht in Berg-Karabach bleiben.

In Kornidzor kümmert sich das Rote Kreuz um die Registrierung der Geflüchteten.Bild: Irakli Gedenidze/REUTERS

Kavita Belani vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sagte in einer Videokonferenz, die Behörden seien auf die Aufnahme von 120.000 Menschen vorbereitet. Etwa ein Drittel der Flüchtenden seien Kinder, viele seien von ihren Familien getrennt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz teilte mit, man werde Zurückbleibenden mit Grundnahrungsmitteln und Hygieneartikeln helfen.

Pro-armenisches Führungspersonal festgenommen

Unterdessen nahmen aserbaidschanische Sicherheitskräfte den früheren Verteidigungsminister Berg-Karabachs fest. Lewon Mnazkanjan sei gefasst geworden, als er das Gebiet in Richtung Armenien habe verlassen wollen. Mnazkanjan sei in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gebracht worden. Ebenso sitze der stellvertretende Befehlshaber der pro-armenischen Kämpfer in Berg-Karabach, Davit Manukjan, in Untersuchungshaft. Zuvor war bereits der frühere Regierungschef der Region im Südkaukasus, Ruben Wardanjan, festgenommen worden.

Ein Sprecher der Europäischen Union sagte, Aserbaidschan trage die Verantwortung, die Rechte und die Sicherheit der Armenier in Berg-Karabach zu gewährleisten. Dazu gehöre das Recht der Bewohner, in ihren Häusern ohne Einschüchterung und Diskriminierung zu leben. Auch gebe es ein Recht auf Rückkehr für Vertriebene.

Ungarn verhindert EU-Sanktionen gegen Aserbaidschan

Die Bundesregierung macht Sanktionen gegen Aserbaidschan davon abhängig, ob das Land die armenische Bevölkerung in der Region schützt und die Grenzen zu Armenien respektiert. Auf EU-Ebene seien Sanktionen Teil der Beratungen, betonte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Er verwies auf eine EU-Beobachtermission an der Grenze zwischen beiden Ländern. In der EU hat bisher Ungarn Sanktionen gegen Aserbaidschan verhindert.

Die selbst ernannte Armenier-Republik inmitten Aserbaidschans hatte am Donnerstag erklärt, sich zum 1. Januar 2024 aufzulösen. Das kam einer Kapitulation gegenüber Aserbaidschan gleich und ist für dessen Präsident Ilham Alijew ein Triumph. Aserbaidschan gewinnt damit die völlige Kontrolle über die Region auf seinem Staatsgebiet zurück. Zwischenzeitlich hatten die ethnischen Armenier die Region mit Hilfe der armenischen Regierung weitgehend kontrolliert.

Türkei ist Verbündeter Aserbaidschans

Armenien und Aserbaidschan waren einst Sowjetrepubliken. Mit dem Niedergang der Sowjetunion brach Ende der 1980er Jahre der Konflikt zwischen beiden Seiten offen aus. 1991 erklärten sich die ethnischen Armenier in Berg-Karabach für unabhängig und riefen die Republik aus. De facto erkämpften sie sich die Unabhängigkeit im Krieg 1992 bis 1994. Zwar gingen in einem weiteren Krieg 2020 etliche Gebiete an Aserbaidschan verloren, die Armenier behielten aber zunächst die Kontrolle. In dem Konflikt hat Russland Armenien unterstützt, das sich von seinem Verbündeten aber wiederholt im Stich gelassen fühlte. Aserbaidschan zählt die Türkei zu seinen Verbündeten.

nob/jj/as (afp, dpa)

Armenien am Scheideweg nach der Eskalation in Berg-Karabach?

03:09

This browser does not support the video element.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen