CIA übt Selbstkritik
22. August 2007Der ehemalige CIA-Chef George Tenet hat nach Ansicht seiner eigenen Behörde vor den Terroranschlägen auf das World Trade Center im September 2001 versagt. "Die Agentur und ihre Mitarbeiter haben ihre Verantwortlichkeiten nicht in befriedigender Art und Weise erfüllt", heißt es in dem bereits 2005 erstellten aber bislang geheimen Dokument des CIA-Generalinspekteurs, das am Dienstagabend (22.8.07, Ortszeit) in Washington veröffentlicht wurde. Tenet habe durchaus von den Gefahren durch El Kaida gewusst.
Befugnisse nicht ausgeschöpft
Die CIA-Führung habe nicht alle ihre Möglichkeiten bei der Bekämpfung El Kaidas angewendet und nie einen umfassenden Plan erstellt, sie zu stoppen, heißt es in einer 19-seitigen Zusammenfassung von CIA-Generalinspekteur General John Helgerson. Die CIA-Führung habe "nicht immer effektiv und kooperativ gearbeitet", schreibt Helgerson weiter. So habe Tenet nicht seine Befugnisse ausgeschöpft, um Pläne gegen einen möglichen Anschlag durch das Terrornetz zu entwickeln.
Deshalb wird in dem Bericht sogar vorgeschlagen, Disziplinarmaßnahmen gegen Tenet zu prüfen. Auch seine Stellvertreter hätten versagt. Die Leistung einiger namentlich genannter CIA-Mitarbeiter solle untersucht werden, um zu entscheiden, ob eine Abmahnung gerechtfertigt erscheine. Dennoch gebe es nicht einen Hinweis dafür, dass die Anschläge in New York und Washington verhindert hätten werden können, bei denen fast 3000 Menschen getötet wurden.
Versagen und Fehleinschätzungen
Die Erkenntnisse des Berichts entsprechen im Großen und Ganzen denen einer Kommission des US-Kongresses, die ihre Ergebnisse im Sommer 2004 vorgelegt hatte. Danach hatten geheimdienstliches Versagen und politische Fehleinschätzung der Terrorgefahr die Anschläge möglich gemacht. Das CIA-Dokument beschäftigt sich aber darüber hinaus eingehender mit Fehlern einzelner Personen.
Der Bericht wurde 2005 und damit ein Jahr nach dem Rücktritt des unter massiver Kritik stehenden Tenet angefertigt. Er wurde aber erst jetzt veröffentlicht, der aktuelle Geheimdienstchef Michael Hayden gab das Dokument frei.
Disziplinarmaßnahmen verhindert
Hayden sagte, es sei nicht seine Entscheidung gewesen, den Bericht zu veröffentlichen. Nach einem von Präsident George W. Bush Anfang dieses Monats unterzeichneten Gesetz sei er dazu verpflichtet worden. "Ich dachte, die Veröffentlichung dieses Berichts würde Mitarbeiter ablenken, die an den Fronten eines globalen Konflikts ihrem Land dienen", sagte er. "Sie wird - mindestens - Zeit und Aufmerksamkeit verzehren und ein Feld wieder besuchen, das schon hinreichend beackert wurde."
Dass 2005 letztlich keine Disziplinarmaßnahmen geprüft wurden, liegt daran, dass der damalige CIA-Chef Porter Goss dagegen war. Auch dessen Nachfolger Hayden hielt an dieser Linie fest. Tenet wies die Anschuldigungen am Dienstag in einer Erklärung zurück. Der Bericht sei "völlig falsch". "Vor dem 11. September hat keine US-Behörde mehr im Kampf gegen El Kaida getan als die CIA", betonte er. (stu)