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Abkehr vom Gigantismus

Peter Wozny23. Februar 2015

Berlin will den Spielen eine neue Richtung geben: bescheidener, günstiger und volksnäher. Ein Vorschlag, der beim IOC wohl wenige Pluspunkte bringt, aber vielleicht die Bevölkerung für Olympia gewinnen könnte.

Olympia anders denken
Bild: Olvier Bach

Die IOC-Funktionäre übernachten bei Berliner Bürgern auf dem Sofa, die Wettkämpfe finden nicht im Stadion, sondern auf der Straße statt und Obdachlose haben freien Eintritt. Nennt man eine Veranstaltung "Olympia anders denken" und lädt dazu dann auch noch Kunst- und Kulturschaffende ein, dann darf man sich nicht wundern, wenn solche Vorschläge dabei herauskommen. Der Gastgeber, Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner, war trotzdem zufrieden. Denn neben einigen Absurditäten brachten seine Gäste auch brauchbare Ansätze zu Papier, wie man die Berliner für eine Olympia-Bewerbung begeistern kann. Denn bisher haben die sich für die Veranstaltung in neun Jahren wenig interessiert. Jetzt werden sie hellhörig, wenn sämtliche Medien der Stadt über die nicht immer ganz ernst gemeinten Vorschläge der Kreativen berichten.

Zwei Milliarden Euro nur für die Sportstätten

Dabei wurden bei dem Abend in einem Kreuzberger Kulturzentrum auch Fragen aufgegriffen, die anderen Berlinern auf den Nägeln brennen: Welche Kosten kämen auf Berlin zu? Welche Sportstätten würden genutzt? Wie viel Berlin steckt am Ende in der vom IOC diktierten Veranstaltung wirklich noch?

"Olympia anders Denken" - Kulturstaatssekretär Renner (r.) trifft sich mit KreativenBild: DW/Peter Wozny

Die Kostenfrage kann derzeit niemand in Berlin beantworten. Eine genaue Kalkulation liegt nämlich noch nicht vor. Aber der Senat betont, dass Berlin bescheidene Spiele ausrichten möchte: Kein Gigantismus - die hochverschuldete Stadt werde sich finanziell nicht an den Olympischen Spielen verheben, so die Botschaft. Rund zwei Milliarden Euro müssten in die Sportstätten investiert werden. Das ist die einzige Zahl, die bisher kursiert. Und auch die wird nur mit größter Vorsicht gehandelt. Denn berechnet wurde sie nach heutigen Preisen. Baubeginn wäre aber wohl frühestens 2018.

Fifty-fifty zwischen alt und neu

Doch von den geplanten 30 Wettkampfstätten wären 15 ohnehin schon vorhanden. Allen voran natürlich das Olympiastadion. Mit der Europapark-Schwimmhalle, dem Velodrom und der Max-Schmeling-Halle sind drei Sportstätten im Konzept enthalten, die anlässlich der gescheiterten Bewerbung für die Olympischen Spiele 2000 gebaut wurden.

15 neue Sportstätten sind geplant, inklusive Rückbau oder Nachnutzung im Anschluss an die Spiele. Gerade die Nachnutzung soll einen großen Teil der Baukosten wieder einspielen. Bei den bereits bestehenden Anlagen stünden in den nächsten Jahren ohnehin Sanierungen an, rechnen die Olympiaplaner vor. Das Olympische Dorf ist auf dem Gelände des bis dahin stillgelegten Flughafens Tegel vorgesehen und soll hinterher günstigen Wohnraum bieten.

NOlympia: Geld besser in Schulen stecken

"Rausgeschmissenes Geld", sagt dagegen NOlympia, ein Bündnis von Gegnern der Spiele. Zu ihnen zählen die Berliner Linke, die Grüne Jugend und der Naturschutzbund. Sie fordern stattdessen die Sanierung von Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen und machen fleißig Stimmung gegen die Spiele. Ihr Symbol: Ein Berliner Bär, dessen Pfoten von Olympischen Ringen gefesselt sind. Doch dieses Bild ist in der Stadt bisher wenig bekannt. Damit ist der gefesselte Bär in bester Gesellschaft. Denn auch das offizielle Logo der Bewerbung kennen nur wenige Berliner. Erst seit wenigen Tagen hängen vereinzelt Plakate mit dem Schriftzug "Wir wollen die Spiele" in der Stadt. Eher unscheinbar, wie die gesamte Kampagne. Das Olympiafieber hat die Stadt noch nicht erreicht.

Dabei soll die Bevölkerung gerade bei diesen olympischen Spielen so nah dran sein wie nie zuvor. Olympia mitten in der Stadt - nicht in einem abgesonderten Olympiaquartier, sondern tatsächlich dort, wo die Berliner auch vorbeikommen. Der natürliche Lebensraum des Berliners als Kulisse, wenn die Jugend der Welt hier Station macht.

Berliner sind immer für eine Überraschung gut

Spiele in Berlin - das geht nur mit den Berlinern - Fotograf Oliver Rath hat sie in Szene gesetztBild: Olvier Bach

"Wenn jeder etwas beitragen kann, wird die Begeisterung ähnlich wie bei der Fußball-WM 2006", sagt Alexander Wolf vom Verein Berlympics. Den Verein haben Privatleute gegründet, die sich für die Spiele in Berlin engagieren. Sie kritisieren die mangelnde Öffentlichkeitsarbeit des Senats und dass die Bürger vom Verfahren bisher ausgeschlossen waren. Der Verein hat daher eine große Fotoaktion gestartet: Berliner, die ihren Alltag in olympischen Posen darstellen. Die Bilder des renommierten Fotografen Oliver Rath sind an verschiedenen Orten in der Stadt sowie im Internet zu sehen. Alexander Wolf ist überzeugt, dass die Aktion am Ende erfolgreich sein wird: "Die Berliner kann man an einem Tag gewinnen oder verlieren. Sie sind immer für eine Überraschung gut."

Die Schatten der Vergangenheit

Bürgernahe, reformierte Spiele - davon dürften sich viele Berliner überzeugen lassen: Olympia passt sich den Gegebenheiten der Stadt an und nicht umgekehrt. Das klingt nach Rebellion gegen das mächtige IOC. Und das passt wiederum zu Berlin. Die Stadt will damit auch die Schatten der Vergangenheit abstreifen. 1936 missbrauchten die Nazis die Berliner Spiele für ihre Propaganda. Sie erfanden den Fackellauf, bauten protzige Sportstätten, inszenierten die Wettkämpfe im großen Stil. Die Spiele 2024 sollen das Gegenteil sein: kleiner, billiger und freundlicher. Dazu passt ein Vorschlag der Kreativen aus Kreuzberg: "Wir löschen die Olympische Flamme gleich bei der Eröffnungsfeier und ersetzen sie durch ein Olympisches Wasser - als neues Symbol der Spiele."

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