1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Berlin: Chanukka-Lichter und Anti-Israel-Demo

12. Dezember 2017

Zum Beginn des jüdischen Lichterfestes ist in Berlin der traditionelle, große Chanukka-Leuchter aufgestellt und die erste Kerze entzündet worden. Gleichzeitig gab es wieder palästinensisch-arabische Proteste.

Deutschland Chanukkah Fest Brandenburger Tor in Berlin
Bild: Reuters/F. Bensch

Weiträumige Absperrungen, Hundertschaften der Polizei, dutzende Polizeiwagen, ein vorsorglich postierter Wasserwerfer und genaue Taschenkontrollen: Nach den antisemitischen Hass-Kundgebungen, bei denen Palästinenser und Araber am Wochenende israelische Fahnen verbrannt hatten, waren die Sicherheitsvorkehrungen beim traditionellen Entzünden des Chanukka-Leuchters vor dem Brandenburger Tor noch einmal verschärft worden.

Es war kurz nach 18.30 Uhr, als Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Bundesjustizminister Heiko Maas und der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff gemeinsam das erste Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter entzündeten.

Zehn Meter misst der Leuchter, der seit ein paar Jahren zum Beginn des achttägigen Lichterfestes vor dem Brandenburger Tor aufgestellt wird. Unmittelbar neben den 17 Meter hohen, geschmückten Weihnachtsbaum.

Licht ins Dunkel bringen

"Wir stehen hier am Pariser Platz, dem Ort, der in der NS-Zeit ein Zentrum der Dunkelheit war", sagt der Rabbiner Yehuda Teichtal, der das Jüdische Bildungszentrum in Berlin leitet und Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ist. "Hier den Chanukka-Leuchter zu entzünden, damit wird symbolisch Licht in die Dunkelheit gebracht. Gerade hier wollen wir ein Zeichen dafür setzen, dass wir eine positive und tolerante Gesellschaft haben wollen."

Die Rabbiner Teichtal (li.) und Segal segneten den Chanukka-Leuchter am MittagBild: picture-alliance/dpa /G. Fischer

"Und gerade jetzt", fügt Teichtal hinzu und meint damit die antisemitischen Demonstrationen, ausgelöst durch die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump. Vor zwei Tagen hatten wütende Palästinenser und Araber an mehreren Orten in Berlin israelische Fahnen und Davidsterne verbrannt. Auch am Brandenburger Tor, wo sich die US-Botschaft befindet. Hier wollten sie auch zu Beginn des Chanukka-Festes wieder demonstrieren. Für 16 Uhr war eine pro-palästinensische Protestkundgebung angemeldet worden.

Zusammenstöße befürchtet

Das war der Polizei offenbar zu gefährlich. Kurzerhand wurde am Mittag beschlossen, die Demonstration einen Kilometer Luftlinie entfernt zum Berliner Hauptbahnhof zu verlegen. Unter den Augen von 400 Polizisten und zahlreichen Journalisten versammelten sich dort ein paar hundert Demonstranten, darunter viele Frauen und Kinder. Sie enthüllten Plakate mit dem Felsendom in Jerusalem, schwenkten palästinensische Flaggen und skandierten lauthals Parolen wie: "Israel und USA: Menschenrechte - ha ha ha", aber auch: "Wir werden Soldaten und Siedler erstechen",  "Israel bombardieren" und "Allahu Akbar".

Proteste gegen die US-Entscheidung zu Jerusalem vor dem Hauptbahnhof in BerlinBild: Reuters/F. Bensch

Zugleich forderte ein Redner der Veranstalter die Absage an jegliche Form von Antisemitismus und Aufrufe zur Gewalt. Dolmetscher übersetzten arabische Parolen für die Polizei, die angekündigt hatte, sofort einzuschreiten, wenn wieder israelische Fahnen verbrannt würden. Doch das passierte nicht. Nach dem Ende der Demonstration verlegte die Polizeiführung die Beamten ans weiträumig abgesperrte Brandenburger Tor.

Kritik an der Berliner Polizei

Mit den erhöhten Sicherheitsvorkehrungen reagierte die Polizei auch auf den Vorwurf, bei den antisemitischen Demonstrationen am Wochenende nicht richtig reagiert zu haben. "Es scheint, dass die Berliner Polizei die Lage falsch eingeschätzt und bei klaren Überschreitungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht oder zu spät eingegriffen hat", schrieben die Jüdische Studierendenunion Deutschland, das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sowie das AJC Berlin Ramer Institute in einem Offenen Brief an den Berliner Innensenator Andreas Geisel.

"Wenn Demonstranten das Recht auf Versammlungsfreiheit missbrauchen, um im Herzen Berlins gegen Juden und den Jüdischen Staat zu hetzen, so ist dies ein gesamtgesellschaftliches Problem, das uns alle betrifft und bei dem der Rechtsstaat besser durchgreifen muss."

Das fordert auch der Zentralrat der Juden in Deutschland und schlägt entsprechende Gesetzesänderungen vor. Der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster verlangt, dass Demonstrationen umgehend aufgelöst werden müssten, wenn antisemitische Parolen gerufen oder israelische Fahnen verbrannt würden. Wenn dies auf Basis der geltenden Rechtslage nicht möglich sei, müsse die Bundesregierung "dringend Gesetzesänderungen prüfen", so Schuster.

Bundespolitiker haben Verständnis

Eine Forderung, die bei Union und SPD unterschiedlich aufgenommen wird. Der CDU-Politiker Thomas Heilmann sagte gegenüber der DW, er sei sich nicht sicher, "ob Dinge, die ohnehin verboten sind, mit einer Strafverschärfung nicht mehr passieren. Ich finde, es ist mehr eine moralische Frage und eine Frage, dass sich alle in Deutschland, ob Christen oder Muslime, davon distanzieren."

Ganz anders reagiert der SPD-Politiker Karl Lauterbach. "Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir da strafrechtlich besser gegen vorgehen können, das darf sich nicht wiederholen. Wir haben hier Anfänge einer Bewegung, die sehr gefährlich ist", so Lauterbach, der von  einer "Schande für Deutschland" spricht. "Wenn man eine Fahne verbrennt, dann steht das symbolisch dafür, dass man das Land in Flammen setzen will. Das ist typischerweise etwas, was man macht, wenn man zum Krieg aufruft", sagte er gegenüber der DW. "Das gehört hier nicht hin, das ist nicht zu akzeptieren, das hat nichts mehr mit dem Recht zu demonstrieren zu tun."

Eintreten für mehr Toleranz

Auch der Rabbiner Yehuda Teichtal ist der Meinung, dass in Deutschland alles dafür getan werden muss, um antisemitische Hass-Kundgebungen zu verhindern. "Ich finde die Vorschläge des Präsidenten des Zentralrats der Juden sehr positiv und sehr wichtig", sagte er am Chanukka-Leuchter vor Brandenburger Tor. "Wir müssen verstehen, dass niemand ein Außenstehender ist, dass jeder alles dafür tun muss, damit wir eine tolerante Gesellschaft haben, in der jeder respektiert wird. Das wird dann auch das Vertrauen bringen für ein dauerhaftes, positives jüdisches Leben und ein positives Miteinander in Deutschland."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen