Kann Deutschland Country? Unser Reporter Sertan Sanderson, selbst Exil-Texaner, war beim jährlichen "Country Music Meeting" in Berlin, wo eingefleischte Country-Fans mit Gleichgesinnten ihre Leidenschaft ausleben können.
Anzeige
Die 20 größten Namen der Country Musik
Country Music ist eine der weltweit erfolgreichsten Musikrichtungen. In Europa verbindet man damit vielfach aber nur Cowboyhut und Western-Feeling. Höchste Zeit, die wichtigsten Vertreter der Szene kennenzulernen.
Bild: Imago/ZUMA Press
Hank Williams
Trotz seines kurzen Lebens wird Hank Williams immer noch als einer der wichtigsten Größen des Country gehandelt. Der junge Mann aus Alabama galt in der unmittelbaren Nachkriegszeit als eine Ikone, die wieder gute Laune unters Volk bringen konnte. Seine Hits wie "I Saw The Light" und "Lovesick Blue" sind auch heute noch jenseits von Honky-Tonk-Bars beliebt. Williams stirbt 1953 mit nur 29 Jahren.
Bild: Imago/United Archives International
Tammy Wynette
"Stand by Your Man": Ein rührender Song über Loyalität und Liebe verschafft Tammy Wynette 1968 den großen Durchbruch. Die "First Lady of Country" singt aber auch voller Selbstbewusstsein über "D-I-V-O-R-C-E" - also Scheidung - zu einem Zeitpunkt, als die Emanzipation der Frau noch lange nicht im Country angekommen war. Nach einer beeindruckenden Laufbahn stirbt Wynette 1998.
Bild: picture-alliance/Photoshot
Conway Twitty
Es gab eine Zeit, da war die Country Musik anspruchslos. Sie musste angenehm klingen und durfte kein heißes Eisen anfassen - erst recht kein politisches. In diese Welt passte Conway Twitty wie maßgeschneidert. Mit Bierbauch und Bouffant-Frisur wirkt sein Stil heute schon fast wie eine Parodie des Country. Hits wie "Hello Darlin'" machten ihn zu einem Star der Branche. Conway Twitty starb 1993.
Bild: Imago/ZUMA Press
Patsy Cline
Ihre tiefe Stimmlage hat einen hohen Wiedererkennungswert: Wenn Patsy Cline ihren Hit "Crazy" singt, geht es ans Eingemachte. Cline ging 1961 auf Krücken ins Tonstudio, um den von Country-Star Willie Nelson geschriebenen Song aufzunehmen. Kurz zuvor hatte sie einen schweren Autounfall gerade noch überlebt. Zwei Jahre später stirbt Patsy Cline jedoch tragischerweise bei einem Flugzeugabsturz.
Bild: picture-alliance/Photoshot
Johnny Cash
Johnny Cash ist aus der Welt der Country Musik kaum mehr wegzudenken. Mit Elementen aus dem Blues machte Cash den Country rebellisch. Auch heute noch begeistern seine Hits wie "I Walk the Line" und "Ring of Fire". Johnny Cash starb 2003, doch auch nach seinem Tod wurden noch mehrere Aufnahmen der Country-Legende veröffentlicht. Insgesamt verkaufte er über 90 Millionen Alben.
Bild: picture-alliance/KPA
Loretta Lynn
Die Grande Dame des Country ist schon über 60 Jahre im Geschäft. Loretta Lynn wird für Ihre Bodenständigkeit geschätzt, aber auch dafür, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt und in Ihrer Musik schon seit Jahrzehnten ganz offen Frauenrechte anspricht. Sie schrieb sogar einen Hit zum Thema Verhütung - "The Pill".
Bild: picture-alliance/AP Photo/R. Fury
Willie Nelson
Texaner sind unheimlich stolz auf "ihren" Willie Nelson. Er besticht nicht nur durch seinen ruhigen Stil und Hits wie z.B. "On The Road Again", sondern ist auch sozial engagiert und setzt sich dabei vor allem sehr für Umweltthemen ein. Nelson unterstützt öffentlich auch die Demokraten in den USA. Dadurch zeigt er: Country ist nicht nur etwas für konservative Republikaner.
Bild: Busacca/Getty Image
Dolly Parton
Für eingefleischte Fans ist Dolly Parton die Königin des Country. Seit über 50 Jahren ist sie unermüdlich im Showgeschäft unterwegs. Bei ihrem Namen denken die meisten gleich an ihren Megahit "Jolene". Dabei war ihr größter (wenn auch indirekter) Erfolg "I Will Always Love You." Parton schrieb den Song schon 1973. Doch erst 20 Jahre später landet Whitney Houston damit ganz oben in den Charts.
Bild: Getty Images
George Strait
In Texas darf man kein böses Wort über George Strait verbreiten. Die Musik von "King George" schallt überall aus den Scheunen und Honky-Tonk-Bars im Lone Star State. Strait orientiert sich am alten Country aus den 40er bis 60er Jahren, aber sein Sound klingt dabei auch durchaus zeitgenössisch. Über 60 Mal war George Strait schon die Nummer 1 in den Country Charts.
Bild: Imago/ZUMA Press
Reba McEntire
Sollte Dolly Parton eines Tages sterben, so wird die Krone der Country Musik wahrscheinlich an Reba McEntire weitergereicht. Seit den 1970er Jahren ist McEntire eine wichtige Figur in der Country-Szene - dabei wollte sie ursprünglich Grundschullehrerin werden. Die Dame mit dem Rotschopf ist bekannt für Hits wie "You Lie" und "Fancy". Außerdem genießt sie auch viel Anerkennung als Schauspielerin.
Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Pizello
Garth Brooks
Garth Brooks rockt den Country wie kein anderer, doch sind seine Songtexte dabei oft auch sehr einfühlsam und durchaus vielschichtig. Seine Balladen wie "If Tomorrow Never Comes" sind geschmeidige Songs, die auf die Tränendrüse drücken. Aber er hat auch fröhlichere Lieder im Repertoire wie "I've Got Friends in Low Places", zu denen Line Dancing angesagt ist.
Bild: picture alliance/AP Photo/C. Pizzello
Shania Twain
In den 90er Jahren fangen die Damen des Country an, das Musikgenre immer mehr umzukrempeln. Frauen sollten nicht nur ihren Männern hinterhertrauern, sondern auch Spaß haben. Das dachten sich Stars wie Shania Twain. Die gebürtige Kanadierin hat international Erfolg, denn ihre Hits wie "That Don't Impress Me Much" und "Man, I Feel Like a Woman" klingen sehr nach Popmusik.
Bild: Getty Images/E. Miller
Blake Shelton
Blake Shelton ist derzeit einer der größten Namen des Genre und feiert große Erfolge: Seine Karriere als Musiker ist nicht aufzuhalten und als Talentshow-Juror entdeckt er die nächste Generation von ambitionierten Country Stimmen. Und er ist mit Gwen Stefani verheiratet: die beiden werden als das aktuelle Traumpaar des amerikanischen Showbiz gehandelt.
Bild: picture alliance/dpa/AP Photo/A. Harris
LeAnn Rimes
Im zarten Alter von 15 fragte sich LeAnn Rimes "How Do I Live Without You" und wurde mit ihrem Song in den 90ern über Nacht zu einem der jüngsten Country-Stars aller Zeiten. Mit 18 sang sie den Titelsong zum Kinofilm Coyote Ugly - "Can’t Fight the Moonlight". Ihre Musik deckt eine überraschende Bandbreite von Themen ab: von Heimatliebe bis hin zu Herzschmerz.
Bild: Getty Images/IEBA/J. Davis
Cowboy Troy
Wer glaubt, dass Country nichts für Farbige ist, liegt falsch. Der Texaner Cowboy Troy mischt schon seit Mitte der 2000er Jahre erfolgreich mit und mischt auch gerne zwischendurch Rap Elemente in seine Country-Songs. Troy Lee Coleman III, wie er gebürtig heißt, ist einer der angesagtesten Namen in der modernen Country-Musik.
Bild: Getty Images/Happy Valley Ja/R. Diamond
Miranda Lambert
Vor allem in ihrer Heimat Texas wird Miranda Lambert gefeiert. Sie hat schon zwei Grammys gewonnen und wurde insgesamt 16 Mal für den Musikpreis nominiert. In vielen ihrer Songs gibt sie sich als überzeugte Feministin, wie zum Beispiel in "Gunpowder and Lead". Doch singt Miranda Lambert auch souverän Balladen wie zum Beispiel "The House That Built Me".
Bild: picture-alliance/Landov/C. Lipson
Keith Urban
Man muss nicht im tiefen Süden geboren sein, um Country zu mögen. Das beweist der Australier Keith Urban. Mit seinen schicken Frisuren, seiner warmen Tenorstimme und Top Hits wie "Break on Me" bricht er die Herzen - auch das seiner Frau, der Schauspielerin Nicole Kidman, die ebenfalls gebürtig aus Australien stammt.
Bild: Imago/ZumaPress/J. Moore
Carrie Underwood
Carrie Underwood macht Musikkarriere wie es heutzutage immer häufiger gang und gäbe ist: 2005 gewinnt sie beim Talentwettbewerb "American Idol" und ist seitdem nicht mehr zu stoppen. Mit Hits wie "Last Name" und "Before He Cheats" schafft sie den Sprung in die Pop-Charts der USA. Underwood singt aber auch Lieder mit christlich-religiösen Inhalten und setzt sich außerdem für Tierrechte ein.
Bild: Reuters/M. Anzuoni
Rodney Atkins
Statt Cowboy-Hut trägt Rodney Atkins eine Kappe und bezaubert vor allem die Damen mit seiner Bassstimme. Bei Songs wie "Invisibly Shaken" geht es um Liebe und Betrug, bei anderen Liedern wie "Watching You" ist das Hauptthema Familie. Bei Atkins ist der Country auch gerne patriotisch, aber es geht ihm vor allem darum, dass seine Zuhörer Spaß haben.
Bild: imago/ZUMA Press
Taylor Swift
Ende der 2000er macht Taylor Swift noch seichten Teenie-Country und kommt damit vor allem bei jungen Frauen sehr gut an. Ihre Hits with "You Belong To Me", "White Horse" und "Love Story" beschäftigen sich mit dem Thema Jugendliebe. Heutzutage sind bei Taylor Swift eher poppige Töne angesagt. Bei ihren Konzerten jedoch stellt sie noch immer gerne ihre alten Country-Hits vor.
Bild: picture-alliance/dpa/empics/PA Wire/I. West
20 Bilder1 | 20
Es kommt nicht gerade häufig vor, dass meine fast 20 Jahre alten Cowboy-Boots in Deutschland zum Einsatz kommen. Doch die Gelegenheit, die verstaubten Stiefel zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in der Öffentlichkeit vorzuführen, wollte ich mir nicht entgehen lassen, als ich erfuhr, dass in Berlin - im Vorort Wittenau - eine Art Country Festival stattfindet.
Einmal vor Ort stelle ich schnell fest: Das "Country Music Meeting (CMM)" ist eine sehr ernste Angelegenheit - obwohl es ein bisschen aussieht wie auf einer gut gemachten Kostümparty: Man sieht Cowboy-Hüte - natürlich echte Stetsons, viele Lederjacken mit Fransen dran und auch echte Cowboy-Boots aus den USA. Ich habe mich nicht groß in Schale geworfen, aber mit meinen aufsehenerregenden Stiefeln fühle ich mich halbwegs angemessen angezogen.
Musikalischer Schmelztiegel
Die Besucher des Country-Spektakels kommen aus allen Teilen der Bundesrepublik und sogar aus den Nachbarländern - um Two-Step zu tanzen und lauthals bei Johnny Cash mitzugrölen. So auch Anita Geisendorfer, die extra aus Bayern angereist ist, um hier in Berlin dabei zu sein. "Wir gehen das ganze Jahr hindurch auf mehrere solcher Treffen", erzählt sie enthusiastisch, und man merkt, dass sie ganz in ihrem Element ist. Seit zehn Jahren schon begeistert sie sich für Country und reist auch in andere Bundesländer, um mit Fans zusammen zu kommen. "Es gibt in Deutschland eine Riesenszene", betont sie und zupft die Rüschen an ihrem Kleid zurecht. "Und in Bayern sind wir daran gewöhnt, dass man sich passend zur Musik anzieht. Wir tragen ja auch Dirndl."
In den USA begann der Country ursprünglich im 18. Jahrhundert in den Bergdörfern von Tennessee und Kentucky, wo aus verschiedenen europäischen Musiktraditionen alles in einen musikalischen Schmelztiegel geschmissen wurde. Irische Folklore traf auf schottische Balladen und wurde mit Walzer, Polka und anderen europäischen Rhythmen vermischt. Es wurde gejodelt und auf Waschbrettern musiziert, weil es schlichtweg nichts Besseres gab. Später kamen noch die Einflüsse der afrikanischen Sklaven hinzu.
Im Verlauf der allgemeinen Expansion Richtung Westen im 19. Jahrhundert - sei es wegen des Goldrausches in Kalifornien oder um Tierzucht in der Prärie von Montana zu betreiben - nahmen die Cowboys auch ihre Musik mit. Daraus entstand über Jahrzehnte der Sound, der auch heute noch den Country ausmacht. In den Liedern liegen Hoffnung und Enttäuschung oft nahe bei einander, verpasste Chancen werden stark thematisiert und über allem steht die Frage, ob früher nicht doch alles besser war.
Andere Form der Volksmusik
Auf der Hauptbühne geht es mittlerweile sehr international vor: Die Country-Band "Sentimental Falls" aus Schweden rockt, was das Zeug hält. Das Publikum ist begeistert, einige geben ihre Line Dancing Choreografien zum Besten. Man könnte meinen, bei einem großen Scheunen-Fest im tiefsten Alabama zu sein. Zwar gibt es statt Spare Ribs und Barbecue nur Laugenbrezeln und Currywurst, aber zumindest fließt hier der Jack Daniels in üppigen Mengen.
An einem der Stände außerhalb des Musiksaals vermarktet sich eine weitere Band: "The Forgotten Sons of Ben Cartwright". Mit Cover-Versionen von altbekannten Country Hits versucht die Gruppe aus Niedersachsen ihr Publikum emotional anzusprechen. Im Vordergrund steht dabei der Spaßfaktor, bekräftigt Kay Dee Cartwright, einer der Gründungsmitglieder der Band. "Wir sind eine Country Partyband und spielen Musik, die die Leute mögen, wo die Leute tanzen, wo die Leute feiern." Auf die Frage, was ihn am Country so reizt, sagt Cartwright: "Country Musik ist ja in irgendeiner Form auch eine Volksmusik. Aber die deutsche Volksmusik liegt uns nicht so nahe, da weichen wir gerne nach Amerika aus."
Country in Europa
Marion Freier geht es ähnlich. Sie ist eine der Veranstalterinnen des CMM und eingefleischter Country Fan. Für die 56-Jährige ist Country nicht nur Musik oder in ihrem Fall auch Arbeit, sondern vielmehr ein Lebensgefühl: "Country Musik ist eine der wenigen Musikrichtungen, die man den ganzen Tag lang hören kann, ohne aggressiv zu werden, weil sie eben sehr vielschichtig ist. Man hat rockige Elemente, akustische Sachen, man hat was Flottes und auch was Langsames", schildert Freier und betont, dass der Country auch eine berechtigte Heimat in Europa hat.
"Country Musik ist eigentlich in Europa sehr beliebt. Das wissen nur die wenigsten, weil in den Medien das Thema ein bisschen stiefmütterlich behandelt wird. Es gibt unheimlich viele Livemusik-Events, Vereine, Tanzclubs oder Line-Dance-Kurse. Und das ist nicht nur in Deutschland so, sondern in ganz Europa, gerade in Skandinavien, Großbritannien und in den Benelux Ländern. Man muss halt nur wissen wo."
In der Heimat des Country war Marion Freier bislang noch nicht. Ein guter Anlass wäre vielleicht das zehnjährige Jubiläum des "Country Music Meetings" im kommenden Jahr. Sie möchte gern nach Nashville im Bundesstaat Tennessee und nach Texas. "Da werde ich ganz neidisch, wenn Sie mir sagen, dass sie in Texas gelebt haben", gesteht sie mir. "Das hatte ich mir aber bei Ihren Stiefeln auch schon gedacht. Die sehen nämlich richtig echt aus."