Baustart für Haus der Religionen
27. Mai 2021Noch wirkt es wie eine Trümmerlandschaft im Herzen Berlins. Da ist die benachbarte sechsspurige Straße, an der derzeit gebaut wird. Gleich nebenan wächst ein Ausstellungsbau zu den Anfängen der Stadt Berlin aus dem Boden. Und auf der anderen Seite des Grundstücks verbreiten leerstehende DDR-Bürogebäude und Brachflächen ihren ganz eigenen Charme.
Trotzdem: Es ist eine Ortslage im Zentrum Berlins, nur Gehminuten vom Humboldtforum und vom Auswärtigen Amt entfernt. An diesem Donnerstag wurde hier der Grundstein gelegt für ein weltweit beachtetes Religionsprojekt. Christen, Juden und Muslime bauen ein "House of One", ein gemeinsames Haus der drei monotheistischen Religionen. Nicht, weil sie von irgendjemandem "oben" in Staat oder Religion dazu den Auftrag bekommen haben. Sondern weil einige vor zwölf Jahren diesen Traum hatten. Und seitdem an der Umsetzung arbeiten.
"Dieses Projekt ist für die Stadt Berlin sehr wichtig", sagt Gregor Hohberg. Der evangelische Pfarrer ist von Beginn an dabei. "Seit gut zehn Jahren sind wir miteinander im Gespräch, Juden, Christen, Muslime, Menschen unterschiedlicher Religionen oder auch Atheisten." Diese Stadt brauche solche Orte, wo man sicher wisse, dass die Menschen dort miteinander redeten, so unterschiedlich sie auch sein mögen. Der Pfarrer nennt es einen "Ort des Friedens", ein "unglaublich wichtiges Zeichen und Symbol".
An dieser Stelle zwischen dem Alexanderplatz und dem Potsdamer Platz, die jeder Berlin-Tourist kennt, stand über 700 Jahre die für die Geschichte des frühen Berlin wichtige Petrikirche, hier ragte der höchste Kirchturm der Stadt in den Himmel. 1964 ließen die DDR-Verantwortlichen die hohen Mauern des im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) beschädigten Gotteshauses abräumen. Seit langem forschten hier Archäologinnen und Archäologen. Sie fanden Gebeine von mehr als 3000 Menschen, die einst rund um die Kirche begraben worden waren, und Überreste von insgesamt vier Kirchenbauten.
Weltweit einzigartiges Projekt
In fünf Jahren soll sich über diesen archäologischen Resten das in dieser Form weltweit einzigartige Projekt "House of One" erheben, ein gemauerter Steinbau. Mit Kirche, Synagoge und Moschee rund um einen zentralen Begegnungsraum. Nach oben soll der Bau 40 Meter in den Himmel wachsen und damit zum Symbol des Miteinanders werden. Die geplanten Baukosten liegen bei 43,5 Millionen Euro und sind größtenteils Teilen schon gesichert.
Für Osman Örs, einen der an dem Projekt beteiligten Imame, hat der Bau eines Hauses mit Moschee in dieser zentralen Berliner Lage besondere Bedeutung. Die deutsche Hauptstadt hat zwar mehr als 80 Moscheen oder muslimische Gebetsräume. Aber keiner davon liegt in der Berliner Mitte. Die meisten finden sich in den ärmeren Stadtvierteln Neukölln, Wedding, Moabit.
"Das wird tatsächlich die zentralste Moschee in Berlin werden", sagt Örs. Und fügt lachend hinzu, dass sich schon heute "hin und wieder manche MuslimInnen hierher verirren, weil sie bei Google nach einer Moschee im Stadtzentrum gesucht haben". Bislang blieben ihnen nur die Skizzen auf dem Bauzaun.
Drei monotheistische Religionen unter einem Dach - zugleich hat aber der Antisemitismus Hochkonjunktur, auch unter jungen Muslimen. Ebenfalls nehmen die Sorgen vor Religionskonflikten im Alltag zu. Für Pfarrer Hohberg zeigt gerade die jüngste Eskalation, als sich im Zuge des Konflikts zwischen Israel und der terroristischen Hamas im Gazastreifen auch in Berlin die Zwischenfälle häuften, wie bedeutend das "House of One" sei.
Miteinander sprechen statt streiten
"Ein solches Projekt zeigt, wie wichtig es ist, dass man miteinander spricht, dass man versucht, denjenigen zu verstehen, der anders aussieht, der aus einer anderen Gegend kommt, der an etwas anderes glaubt. Dass man gerade mit diesen Menschen das Gespräch sucht, um eine Verbindung aufzubauen, den anderen Menschen respektvoll kennenzulernen", sagt Hohberg. Wenn man immer im Gespräch bleibe, "ist für das gesellschaftliche Miteinander viel gewonnen und viel getan. Und genau das machen wir."
Schon seit einer Reihe von Jahren kommen die Akteure des Projekts zu besonderen Anlässen zusammen, um miteinander zu beten, zu trauern, Solidarität zu zeigen. Das galt zum Beispiel nach den blutigen Anschlägen auf Moscheen in Neuseeland, auf Kirchen in Sri Lanka, auf Synagogen in Pittsburgh und Halle. "Wir sind befreundet. Und wir setzen uns dafür ein, dass ein Rabbi, ein Imam, ein Pfarrer Schulter an Schulter stehen." Der Extremismus könne den Glauben und auch den Frieden nicht zerstören, sagt Imam Örs, "aber er schädigt ihn. Wir müssen aktiv dagegen etwas tun."
Unterstützung aus Politik und Gesellschaft
Das mag erklären, warum viele Offizielle in Berlin mit großer Wertschätzung auf das Projekt schauen. Sowohl der Bund als auch das Land Berlin unterstützen den Neubau finanziell. Dem 2020 eingesetzten Stiftungskuratorium des "House of One", das Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller leitet, gehören der frühere Bundespräsident Christian Wulff, prominente Vertreterinnen und Vertreter der drei Religionen sowie herausragende Vertreter der Berliner Kulturlandschaft an: der Generalintendant des Humboldt-Forums, die Direktorin des Jüdischen Museums, der Intendant des Deutschen Theaters, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt.
"In gegenseitigem Respekt"
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der als Bundesinnenminister 2007 die erste deutsche Islamkonferenz auf den Weg brachte, sprach bei der Grundsteinlegung von einem "Ort der Toleranz und Offenheit". Das "House of One" habe einen hohen theologischen Anspruch: "Offen andere spirituelle Perspektiven wahrnehmen, in gegenseitigem Respekt - ohne dabei selbst den Anspruch zu erheben, Judentum, Christentum und Islam in Gänze zu repräsentieren."
Die Zeremonie, die angesichts der Corona-Pandemie leider nicht das erhoffte Fest mit tausenden Teilnehmern werden konnte, verfolgten per Livestream gewiss auch Menschen in der Zentralafrikanischen Republik und in Georgien. In beiden Ländern gibt es nach Berliner Vorbild Pläne für ähnliche Projekte, für Gemeinsamkeit der drei oft zerstrittenen Religionen.