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Politik

Berlin in Iran-Krise zwischen den Stühlen

6. Januar 2020

Die Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten eskalieren, bis hin zu Kriegsdrohungen. Europa und auch Deutschland haben dem kaum etwas entgegenzusetzen.

Deutschland Berlin | Protest gegen US-Krieg mit dem Iran
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

"Deeskalation" heißt das Zauberwort. Immer wieder wird es bemüht im politischen Berlin dieser Tage. Auch in der gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Boris Johnson vom Sonntag wird Deeskalation gefordert. Es wird an "alle beteiligten Akteure" appelliert, "äußerste Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein an den Tag zu legen". Nur: Wie erreicht man Deeskalation?

Europas Antwort: durch Gespräche. Die Europäer, hob Bundesaußenminister Heiko Maas hervor, hätten "nach beiden Seiten offene und funktionierende Gesprächskanäle, die zur Zeit auch genutzt werden. Und wir werden unseren Teil dazu beitragen, dass es im Irak keinen Stellvertreterkrieg anderer Länder gibt."

USA beklagen mangelnde Unterstützung

Gespräche werden geführt mit den USA, die mit dem tödlichen Angriff auf den iranischen General Ghassem Soleimani im irakischen Bagdad die Krise massiv verschärft hatten. US-Außenminister Mike Pompeo zeigte sich enttäuscht über die mangelnde Unterstützung der Europäer für diesen drastischen Schritt. Begründet hatten die USA den Drohnenangriff mit angeblich unmittelbar bevorstehenden Angriffen Soleimanis. Beweise für diese Behauptung wurden allerdings keine geliefert, bestätigte heute ein Sprecher des deutschen Außenministeriums: "Wir haben die Begründung der USA gesehen. Die Informationen, diese Begründungen nachzuvollziehen, fehlen uns aber", sagte Rainer Breul auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz der Regierung.

Europa scheint sich auf eine Art Pendeldiplomatie mit verteilten Rollen einzustellen: Macron hält Kontakt zu Irans Präsident Hassan Rohani; Boris Johnson berät sich mit US-Präsident Trump. Angela Merkel wird am Wochenende Russlands Präsident Wladimir Putin treffen und dabei auch über die Krise am Golf sprechen. Auch Russland zählt - ebenso wie China - zu den Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens von 2015.

Gemeinsam gegen die Eskalation am Golf: Johnson, Merkel, MacronBild: Getty Images/A. Parsons

Deutsche Soldaten im Irak

Gespräche führt die Bundesregierung auch mit Bagdad. Am Sonntag hatte das irakische Parlament, verärgert über den US-Drohnenangriff auf seinem Territorium, ein Ende der Stationierung aller am Anti-IS-Kampf beteiligten ausländischen Truppen beschlossen. Auch 120 Soldaten der Bundeswehr sind im Irak im Einsatz, im Wesentlichen für eine Ausbildungsmission. Jetzt, so Außenamtssprecher Breul, werde besprochen, "wie die Regierung denkt, mit diesem Beschluss des Parlaments umzugehen und wie sie sich den weiteren Umgang mit den Partnern wünscht". 

Gegen den Willen des irakischen Parlaments und der Regierung wolle niemand ein militärisches Engagement im Irak, hatte Außenminister Maas betont. Die amerikanischen Sanktionsdrohungen gegen den Irak wegen des Parlamentsbeschlusses hatte Maas als "nicht hilfreich" bezeichnet. Zur Zeit bleiben die deutschen Soldaten wegen der angespannten Sicherheitslage in ihren Lagern.

Die Ausbildungsmission im Nordirak muss zur Zeit ruhenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Ein Gespräch wolle Außenminister Heiko Maas außerdem "zeitnah mit dem iranischen Außenminister Javad Sarif" führen, kündigte der Außenamtssprecher Breul weiter an.

Machtlose Vermittler

Allerdings bleibt die Frage: Was hat Berlin, was hat Europa seinen Gesprächspartnern außer Appellen und Ratschlägen anzubieten? Bereits seit gut eineinhalb Jahren versuchen die Europäer erfolglos zwischen Teheran und Washington zu vermitteln. Sie setzen sich ein für die Rettung des 2015 geschlossenen Atomabkommens mit dem Iran. US-Präsident Donald Trump war im Mai 2018 einseitig aus dem Joint Comprehensive Plan of Action, kurz: JCPoA genannten Abkommen ausgestiegen. In der Folge hatte Washington eine Politik des "maximalem Drucks" gegenüber dem Iran verfolgt, speziell durch ein vom Iran als Wirtschaftskrieg empfundenes Sanktionsregime.

Die Versuche Deutschlands, Frankreichs und Englands, dem Iran dennoch die im Atomabkommen versprochenen wirtschaftlichen Vorteile zu gewähren, waren bislang enttäuschend. Die meisten europäischen Firmen haben sich wegen des US-Drucks aus dem Irangeschäft zurückgezogen. Und die vor knapp einem Jahr eigens zur Sanktionsumgehung von Berlin, Paris und London gegründete Zweckgesellschaft INSTEX kommt nicht in Gang.

Heiko Maas trifft im Juni 2019 in Teheran Irans Außenminister Sarif Bild: Getty Images/Photothek/T. Koehler

Weil Teheran keine Vorteile aus dem Abkommen zu ziehen scheint, zieht Iran sich seit Mai 2019 Schritt für Schritt aus seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen zurück. Den jüngsten Verstoß gegen den Atomdeal kündigte die iranische Regierung am Sonntag an. Speziell die von Teheran angekündigte Aufhebung der Begrenzungen für Zentrifugen zur Uran-Anreicherung "wäre ein weiterer schwerwiegender Verstoß" gegen das Abkommen, sagte Außenamtssprecher Breul. "Unser Ziel bleibt die Vereinbarung zu retten." Wie das passieren soll, ließ Breul offen.

Politische Risiken wagen?

Europa gelte in dem Konflikt am Golf nicht viel, konstatiert derweil der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel in einem Kommentar im Berliner "Tagesspiegel". Zu sehr habe sich in den letzten zwei Jahren gezeigt, "dass die Europäische Union ein Papiertiger ist, wenn es ernst wird". Um das zu ändern und tatsächlich zu deeskalieren, müsse Europa mutig sein und politische Risiken übernehmen, forderte der Ex-Außenminister. Und meint damit: "Notfalls auch einen größeren politischen Konflikt mit dem jetzigen Präsidenten der USA in Kauf nehmen."

Um den Iran daran zu hindern, "in die Eskalationslogik weiter einzusteigen" schwebt Gabriel ein Angebot an Teheran vor: Zweistellige Milliardenkredite der Europäischen Zentralbank oder der europäischen Nationalbanken für Teherans Rückkehr zum Atomabkommen und eine schlimmstenfalls "begrenzte" Reaktion auf das Soleimani-Attentat. Mit einem solchen Angebot könne Europa gegenüber Iran seine Glaubwürdigkeit zurück erlangen. Und wäre kein Papiertiger mehr.

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