1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Auslieferung Akhanlis ausgeschlossen?

21. August 2017

Das Tauziehen um den türkischstämmigen Schriftsteller mit deutscher Staatsangehörigkeit geht in die nächste Runde. Dabei gerät die Rolle von Interpol zunehmend in den Blickpunkt. Aus Berlin Marcel Fürstenau.

Dogan Akhanli
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. White

Drei Tage nach der vorläufigen Festnahme Dogan Akhanlis in Spanien diskutiert man im Berliner Regierungsviertel zunehmend über das Agieren von Interpol. Warum wurde der in Köln lebende Schriftsteller am Freitag (18.8.) auf Betreiben der Türkei inhaftiert, obwohl die ihm gemachten Vorwürfe "geradezu nach politischer Verfolgung riechen"? So formulierte es der in seiner Wortwahl meistens eher zurückhaltende Sprecher des Außenministeriums, Martin Schäfer, am Montag (21.8.) in Berlin.

Im Rahmen der routinemäßigen Regierungs-Pressekonferenz verwies Schäfer auch auf Artikel 3 der Interpol-Verfassung, die sich die Organisation mit Sitz in Lyon selbst gegeben hat. Demnach verpflichtet sich internationale kriminalpolizeiliche Organisation in ihrem Handeln zu politischer Neutralität. Das gilt auch für Fragen, die militärische, religiöse oder rassische Aspekte betreffen. Außenamtssprecher Schäfer betonte mit Blick auf den Zustand des Rechtsstaats in der Türkei, dass man sich eine Auslieferung Akhanlis "beim besten Willen" nicht vorstellen könne.

Außenamtssprecher Schäfer: "Wir tappen ein wenig im Dunkeln"

Regierungssprecher Steffen Seibert sekundierte, man habe "volles Vertrauen" in den spanischen Rechtsstaat. Der inzwischen wieder aus der Haft entlassene Schriftsteller wartet nun auf das weitere Vorgehen der Behörden. Spanien darf er vorerst allerdings nicht verlassen. Warum man dort dem türkischen Verlangen nach der Festnahme Akhanlis mit Hilfe einer sogenannten "red notice" von Interpol überhaupt nachgekommen ist, weiß in der deutschen Regierung anscheinend niemand. 

Eine "red notice" ist kein internationaler Haftbefehl. Es handelt sich vielmehr um den Fahndungsaufruf nach einer bestimmten Person mit dem Ziel, diese vorläufig festzunehmen und dann auszuliefern.

Sorgen sich um Dogan Akhanli: Regierungssprecher Steffen Seibert (r.) und Außenamtssprecher Martin Schäfer Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Außenamtssprecher Schäfer verwies auf die von türkischer Seite gemachten Vorwürfe: Raubüberfall und Mord. Vorwürfe, die Jahrzehnte alt sind, und von denen Akhanli 2010 von einem türkischen Gericht freigesprochen wurde. Allerdings werden ihm dieselben Vorwürfe in der Türkei seit 2013 erneut gemacht. Aus diesem Jahr stammt auch die "red notice", auf deren Basis nun die vorübergehende Festnahme erfolgte. Schäfers Zwischenfazit angesichts dieser Entwicklung: "Wir tappen ein wenig im Dunkeln und Spekulieren hilft uns nicht weiter."

"Es handelt sich um einen Deutschen!"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte der Türkei bereits am Sonntag vorgeworfen, Interpol zu missbrauchen. Am Montag legte Merkel-Sprecher Steffen Seibert nach. Es stehe der Verdacht im Raum, Interpol solle von der türkischen Staatsspitze möglichweise dafür benutzt werden, "um politischen Kritikern mit einem solchen Fahndungsersuchen habhaft zu werden". Besonders empört zeigte sich Seibert, weil sich die in Spanien wirksam gewordene "red notice" im Fall des 60-jährigen Akhanlis gegen einen fremden Staatsangehörigen richtet: "Es handelt sich um einen Deutschen!"

Lässt sich Interpol missbrauchen? Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht es im Fall der Türkei jedenfalls so. Bild: picture-alliance/dpa/W. Woon

Grundsätzlich liegt es im Ermessen jedes einzelnen Staates, wie er mit solchen Fahndungsaufrufen umgeht. Eine Verpflichtung, aktiv zu werden, gibt es nicht. Im Großen und Ganzen sind sich die 190 Interpol-Mitgliedsländer aber einig, mit der "red notice" oder anderen Formen der gegenseitigen Unterstützung wirksame Werkzeuge in der Hand zu haben. Das gilt für die Bekämpfung von Verbrechen jeglicher Art, einschließlich Terrorismus. Dabei arbeitet Interpol auch mit den Vereinten Nationen zusammen, etwa wenn es um die Überwachung von Sanktionen geht. Unabhängig davon, ob sie sich gegen Einzelpersonen, Staaten oder Terror-Organisationen richten.

Interpol-Generalsekretär ist seit 2014 ein Deutscher

Einen völkerrechtlichen Vertrag gibt es jedoch nicht. Juristisch gesehen ist Interpol ein Verein. Weder nationale Parlamente noch andere externe Institutionen können die Arbeit von Interpol kontrollieren. Streng genommen handelt es sich um eine zwar global praktizierte, aber auf der Basis des guten Willens beruhende Zusammenarbeit.

Und der Bedarf an Zusammenarbeit ist groß. Aktuell umfasst allein die im Internet einsehbare Liste der "red notice"-Fälle 17 Seiten. Unter den Gesuchten sind 15 Deutsche. Die "yellow notice"- Liste" mit Namen und Fotos von Vermissten ist sogar 128 Seiten lang.

Eine besondere deutsche Note hat Interpol seit November 2014. Damals wurde Jürgen Stock auf der Generalversammlung in Monaco zum Generalsekretär gewählt. Vorher war er zehn Jahre lang Vizepräsident des Bundeskriminalamtes (BKA). Interpol-Erfahrungen sammelte Stock bereits seit 2005 als Mitglied des Exekutiv-Komitees und von 2007 bis 2010 als dessen Vize-Präsident.      

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen