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Politik

Berlin schwenkt auf Trumps Iran-Kurs ein

24. September 2019

Nach den USA macht auch die Bundesregierung den Iran für den Angriff auf saudische Ölanlagen verantwortlich und sagt Saudi-Arabien "uneingeschränkte Solidarität" zu. Ein gefährlicher Schritt, meinen Kritiker.

US Präsident Donald Trump
Bild: AFP/B. Smialowski

Die deutsche Regierung steht der Politik von US-Präsident Donald Trump grundsätzlich sehr kritisch gegenüber und das besonders, wenn es um eine Frage von Krieg und Frieden geht. Im vergangenen Jahr hatte Trump das Iran-Atomabkommen gekündigt, um das sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien sehr bemüht hatten und das sie unbedingt erhalten wollten. Als nach dem Drohnenangriff auf saudische Ölanlagen am 14. September die USA sofort den Iran beschuldigten, schien sich die Situation gefährlich zuzuspitzen. Sogar das angegriffene Saudi-Arabien selbst wollte sich anfangs in der Schuldfrage nicht festlegen. Inzwischen liegt Riad auf der Linie Washingtons. Der Iran hat jedoch klar die Verantwortung für den Angriff von sich gewiesen.

Die brennende Raffinerie nach dem Drohnenangriff am 14. SeptemberBild: Reuters

Zehn Tage später schließt sich Deutschland zusammen mit Frankreich und Großbritannien der US-amerikanischen Darstellung an und gibt dem Iran die Schuld. "Für uns ist deutlich, dass der Iran die Verantwortung für diesen Angriff trägt. Es gibt keine andere plausible Erklärung", heißt es in der gemeinsamen Erklärung des europäischen Trios. Worauf sich die Erkenntnis stützt, sagen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Boris Johnson nicht. Teheran sieht dagegen in der europäischen Beschuldigung eine ebenso "grundlose Unterstellung" wie in der amerikanischen. Generalstabschef Mohammed al-Bakri sagt jedem, der sein Land angreifen wolle, eine Niederlage voraus und fügt hinzu, sein Land sei Saudi-Arabien nicht feindlich gesinnt.

Statement "schlicht falsch"

Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Omid Nouripour, hält die Erklärung Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens, wonach der Iran die Verantwortung für die Angriffe auf saudische Ölanlagen trägt, für einen Fehler. Zwar gebe es eine gewissen Plausilität für die iranische Verantwortung bei den Angriffen, sagte Nouripour im Gespräch mit der Deutschen Welle. Allerdings liefen derzeit noch Untersuchungen. Es sei daher "fahrlässig vorab schon ein Urteil zu fällen. Das unterminiert die Glaubwürdigkeit der Untersuchungen und führt nicht dazu, dass jetzt deeskaliert werden kann." Das gemeinsame Statement von Bundeskanzerlin Merkel, Frankreichs Präsident Macron und Großbritanniens Premier Johnson sei deshalb "schlicht falsch". 

Gleichzeitig sprach sich der Grünen-Politiker dafür aus, alles daran zu setzen, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten. Dieses sei "das wichtigste Hindernis auf dem Weg der Nuklearisierung des Nahen Ostens". In den letzten Monaten sei hier zu wenig passiert: "Die Bundesregierung hat zu wenig investiert, um diese so wichtige Abkommen zu retten."  Dem Iran rate er, sich endlich zu bewegen und sich mit den Amerikanern an einen Tisch zu setzen, so Nouripour. Dass es Misstrauen auf beiden Seite gebe, sei bekannt. "Aber es geht schlicht darum, dass man wenigstens ein rotes Telefon hat, damit es nicht zufällig zu einer großen, militärischen Eskaliaton kommt. Diese Sprachlosigkeit ist brandgefährlich." 

Ist bald die Bundeswehr gefragt?

Die drei europäischen Regierungen bleiben nicht bei der Schuldzuweisung an den Iran stehen. Daraus ergibt sich für sie, dass sie Saudi-Arabien ihre "uneingeschränkte Solidarität" zusagen. Saudi-Arabien scheint diese Zusage auch sofort aufzugreifen. Die saudische Nachrichtenagantur SPA zitiert einen Aufruf des Kabinetts an die Staatengemeinschaft. Es gehe darum, Irans aggressivem Verhalten "Grenzen zu setzen".

Die USA unterhalten bereits umfangreiche Militärverbände im Persischen GolfBild: picture-alliance/Zuma/U.S. Navy

Hier zeigt sich die gefährliche Position, in die sich Deutschland mit seiner Zusage hineinmanövriert hat, sagt Jana Puglierin von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. "Ich glaube, dass noch gar nicht bewusst ist, was für weitere Implikationen das noch haben kann", sagt sie in einem Gespräch mit der Deutschen Welle, "zum Beispiel, wenn die Amerikaner anfangen, noch mehr Druck auf Deutschland und die Verbündeten auszuüben, sich vielleicht auch militärisch zu engagieren".

Einen solchen Wunsch könnte als Erste Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu hören bekommen. Bei ihrem Antrittsbesuch in den USA hat sie bereits die Bereitschaft Deutschlands zu einem militärischen Engagement in der Straße von Hormus signalisiert. Die Bundeswehr werde allerdings nicht Teil einer amerikanisch geführten Mission des "maximalen Drucks" sein, sagte Kramp-Karrenbauer und griff mit dem Ausdruck die harte Linie Washingtons auf. Die Bundeswehr werde stattdessen "in einer europäischen Mission" mitarbeiten. AKK, wie die Ministerin oft genannt wird, schilderte nach Gesprächen mit ihrem US-Amtskollegen Mark Esper den Eindruck, dass auch die USA vermeiden wollen, "der Gegenseite einen Vorwand zu liefern, von Eskalation zu reden".

US-Verteidigungsminister Mark Esper mit Annegret Kramp-Karrenbauer: Der Druck auf Deutschland nimmt zuBild: Getty Images/A. Wong

Deutsche Interessensgegensätze

Doch selbst wenn Washington von Berlin kein deutliches militärisches Engagement verlangt, sieht Jana Puglierin Deutschland in einer schwierigen Position. "Es hat Interessen in der Region, die nicht miteinander in Einklang zu bringen sind: Die Aufrechterhaltung des Iran-Deals wurde ja als oberstes deutsches Ziel gegenüber dem Iran erklärt, und auf der anderen Seite die Unterstützung von Saudi-Arabien als klassischem Partner, den man unterstützen will, um den Iran auszugleichen."

Nach Darstellung von Kramp-Karrenbauer sieht Deutschland seine Aufgabe darin, zum Iran "den diplomatischen Kontakt zu halten". Ein solcher Kontakt könnte allerdings auch unmittelbar zwischen den beiden Hauptkontrahenten USA und Iran zustande kommen, und zwar auf höchster Ebene. Präsident Trump wollte trotz der Spannungen keine direkte Begegnung mit Irans Präsident Hassan Ruhani bei den Vereinten Nationen ausschließen. Fest geplant ist ein solches Treffen zwar nicht, sagte Trump, aber: "Ich schließe nie etwas aus." Einen Vermittler brauche er nicht, betonte Trump und lehnte damit eine Initiative von Präsident Macron ab. Aber wenn die Iraner reden wollten, "dann wissen sie, wen sie anrufen können".

Nach wie vor schließt US-Präsident Donald Trump ein Treffen mit Irans Präsident Hassan Ruhani nicht ausBild: pictur-alliance/dpa/Office of the Iranian Presidency

Auch wenn der US-Präsident das nicht will, sieht Jana Puglierin Deutschlands Rolle doch vor allem darin, zusammen mit Frankreich und Großbritannien zwischen dem Iran und den USA zu vermitteln: "Ich glaube, Deutschland und die EU-Staaten sind in einer ganz guten Position, weil sie eben nicht wie die Vereinigten Staaten diese Strategie des massiven Drucks verfolgen, sondern weil sie sich glaubwürdiger als Makler hinstellen und ausgleichend wirken können."

"Atomabkommen wird nicht mehr ausreichen"

Für eine Korrektur der europäischen Iran-Strategie spricht sich der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Bijan Djir-Sarai, aus. Es gebe eine "ganz klare Verantwortlichkeit" des Iran für die Angriffe auf die Ölanlagen in Saudi-Arabien, sagte der FDP-Politiker im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Europäer müssten sich daher die Frage stellen, ob die gewählte Strategie noch die richtige sei. "Das Atomabkommen, in der Form, wie wir es kennen, wird nicht mehr ausreichen. Wir brauchen ein Zusatzabkommen. Dabei muss die Europäische Union vor allem über das iranische Raketenprogramm, aber auch die Rolle des Irans in der Region ganz klar sprechen." 

Auf Dauer werde man nicht akzeptieren können, dass ein Staat in der Region so aggressiv vorgehe, so Djir-Sarai. "Das sind Provokationen - darauf muss die internationale Gemeinschaft gemeinsam eine politische Antwort haben." Ein militärisches Eingreifen schloss der FDP-Politiker allerdings aus. "Eine Eskalation wäre gefährlich für die Region und die Welt." Für "außerordentlich richtig" hält Djir-Sarai hingegen eine europäischen Mission in der Straße von Hormus. "Wir besitzen auch die Glaubwürdigkeit, in dieser Region einen echten Beitrag zur Stabiliät zu leisten."

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