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Vor Merkel-Besuch Druck auf Ankara

23. April 2016

Nach dem Streit um den Satiriker Böhmermann reist Bundeskanzlerin Merkel heute zu Gesprächen über die Flüchtlingkrise in die Türkei. Es dürfte aber auch um andere Themen gehen.

Demonstration für Pressefreiheit im März in Istanbul (Foto: dpa)
Demonstration für Pressefreiheit im März in IstanbulBild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Unmittelbar vor dem Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bundesregierung Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in dem Land beklagt. Für Journalisten "lässt sich gegenüber November 2015 eine Verschlechterung der Situation feststellen", zitiert die Zeitung "Rheinische Post" aus der Antwort der Regierung auf einen Fragenkatalog der Linken. "Insgesamt befinden sich in der Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung momentan 29 Journalisten in Haft oder Untersuchungshaft", heißt es in dem vom Auswärtigen Amt verfassten Papier.

Appelle an Merkel

Diese Stellungnahme gibt den parteiübergreifenden Appellen deutscher Politiker an die Kanzlerin zusätzliches Gewicht, ihre Gesprächspartner in der Türkei auch mit unbequemen Fragen nach der Lage der Menschenrechte sowie der Meinungs- und Pressefreiheit zu konfrontieren.

Bundesjustizminister Heiko Maas sagte der Zeitung "Die Welt": "Wir müssen auch in Zukunft auf allen Ebenen die Postulate von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus gegenüber der Türkei in aller Deutlichkeit ansprechen." Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit seien in einem Rechtsstaat nicht verhandelbar, "und wir treten dafür ein, dass unsere Partner das genauso gewährleisten wie wir", erklärte der SPD-Politiker weiter.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen sagte der "Rheinischen Post", die Bundeskanzlerin sollte "genau hinsehen und dann auch die Missstände benennen, die in der Türkei in Sachen Menschenrechtsschutz und Bürgerrechte bestehen". Ähnlich äußerten sich FPD-Chef Christian Lindner und Politiker der Linken.

Satiriker Böhmermann (l.) und der türkische Präsident ErdoganBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen Getty Images/AFP

Eingeständnis der Kanzlerin begrüßt

Auf positive Resonanz stieß bei der Opposition das Eingeständnis der Bundeskanzlerin in der Böhmermann-Affäre einen Fehler begangen zu haben. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", es sei "nie zu spät, Fehler einzugestehen". Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch erklärte in der "Mitteldeutschen Zeitung". Er wünsche sich nun, dass bei dem Türkei-Besuch der Kanzlerin Schlussfolgerungen gezogen würden.

Merkel hatte am Freitag in Berlin zwar ihre umstrittene Entscheidung verteidigt, die deutsche Justiz ermächtigt zu haben, gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu ermitteln. Sie ärgere sich jedoch darüber, dass sie zuvor das Schmähgedicht Böhmermanns als "bewusst verletzend" kritisiert habe. Mit dieser Äußerung sei der Eindruck entstanden, dass hier ihre "persönliche Bewertung" etwas zähle. "Das war im Rückblick betrachtet ein Fehler", räumte Merkel ein.

Bundeskanzlerin Merkel und der türkische Premier Davutoglu beim EU-Gipfel im MärzBild: picture-alliance/dpa/T. Monasse

Besuch eines Flüchtlingslagers

Merkel will sich an diesem Samstag gemeinsam mit Spitzenvertretern der EU über die Situation der Flüchtlinge in der Türkei informieren. Mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, will sie ein Flüchtlingscamp im südtürkischen Gaziantep besuchen. Außerdem ist ein Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geplant.

Der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei sieht die Rückführung aller Flüchtlinge und Migranten vor, die illegal auf griechische Inseln übersetzen. Für jeden Syrer, der von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht wird, soll im Gegenzug ein syrischer Flüchtling legal und auf direktem Wege in die EU kommen können.

wl/cgn (dpa, afp, epd, rtr)

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