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Berlin: So verlief das Treffen Li Qiang und Olaf Scholz

20. Juni 2023

Deutschland braucht China, will sich aber gleichzeitig abgrenzen. Ein Balanceakt - auch bei Regierungskonsultationen.

Deutschland China Regierungsgespräche PK Olaf Scholz Li Qiang
Bundeskanzler Scholz (r) und Chinas Premier Li Qiang (l) Bild: TOBIAS SCHWARZ/AFP

Mit zehn Ministern war der chinesische Ministerpräsident Li Qiang nach Berlin gekommen. Auf seiner ersten Auslandsreise wurde Li zunächst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen und anschließend von Bundeskanzler Olaf Scholz und neun Bundesministern erwartet. Zumindest in der Delegationsgröße unterschieden sich diese Regierungskonsultationen nicht von denen, die die Bundesregierung in den vergangenen Monaten mit Indien und Japan, mit Spanien und den Niederlanden abgehalten hat. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon. 

Das Verhältnis zwischen Berlin und Peking hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Viele Faktoren haben dazu beigetragen, dass die Konflikte zugenommen haben: Technologieabfluss, Pekings Festhalten an der "felsenfesten Freundschaft" mit Moskau trotz Russlands Invasion in der Ukraine, die wachsenden Spannungen in der Taiwan-Straße und die Unterdrückung der uigurischen Minderheit in China. Die geopolitische Rivalität der aufstrebenden Großmacht mit den USA verschärft die Lage zusätzlich. 

Erst Partner, nun Rivale 

Gleichzeitig ist und bleibt China Deutschlands wichtigster Handelspartner, noch vor den USA. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Warenaustausch mit China auf rund 300 Milliarden Euro praktisch verdoppelt. Das macht die Beziehungen durchaus komplex. Die ganze Widersprüchlichkeit zeigt sich schon darin, dass China in offiziellen Dokumenten zugleich als Partner, Wettbewerber und strategischer Rivale bezeichnet wird. 

Bundeskanzler Olaf Scholz empfing den chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang mit militärischen Ehren vor dem KanzleramtBild: NADJA WOHLLEBEN/REUTERS

Die Regierungskonsultationen mit China gibt es seit 2011. Betont wurde zunächst der Partnerschaftsaspekt. 2014 wurden die Beziehungen sogar in den Rang einer "umfassenden strategischen Partnerschaft" erhoben. Aber seither hat sich die Stimmung gedreht.

"Wir müssen prüfen, wie zukunftsfähig das Format der Regierungskonsultationen mit China noch ist, das ja eigentlich nur für besonders enge strategische Wertepartner vorgesehen ist", kritisiert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth. Eine insofern bemerkenswerte Kritik, da Roth SPD-Politiker ist, also der Partei des Bundeskanzlers angehört.

Weniger Risiko, aber keine Abkoppelung

Scholz gibt sich diplomatischer: "De-Risking ja, De-Coupling nein", umreißt er seinen Kurs, bei dem er sich mit den großen westlichen Industrienationen einig ist. "Wir haben kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkoppelung von China, das haben wir auch als G7-Staaten gerade noch einmal in Hiroshima betont", wiederholte Scholz nach den Gesprächen mit Li Qiang in Berlin.  

Gruppenbild im Kanzleramt: Scholz und Li Qiang mit ihren MinisternBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

"Lassen Sie uns den Dialog fortsetzen, um einander gut zu verstehen und den globalen Herausforderungen gemeinsam begegnen zu können", sagte Scholz an Li Qiang gewandt. Für die Bundesregierung sei es "ein besonderes Anliegen", dass Deutschland und China im Kampf gegen den Klimawandel eng zusammenarbeiteten. Beide Länder gehörten zu den größten Emittenten von Treibhausgasen und trügen deshalb eine besonders große Verantwortung im Kampf gegen die Erderwärmung. 

Gemeinsamkeiten suchen, Differenzen ausblenden

Chinas Ministerpräsident bezeichnete die Regierungskonsultationen als "praxisorientiert und hocheffektiv" und sprach von "fruchtbaren Ergebnissen". Zehn gemeinsame Projekte seien vereinbart worden, so Li Qiang. Unter anderem wurde ein dreijähriger Aktionsplan unterzeichnet, der einen regelmäßigen Austausch etwa beim Klima- und Artenschutz sowie im Kampf gegen Hunger und Pandemien vorsieht. 

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06:21

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Man habe sich "ganz offen und tiefgehend" ausgetauscht, so Li Qiang, der in bewährter chinesischer Manier appellierte, die Zusammenarbeit trotz aller Differenzen "in gegenseitigem Nutzen" nach vorne zu stellen. Beide Länder sollten nach Gemeinsamkeiten suchen und "Hand in Hand zusammenarbeiten, um sich gegenseitig zum Erfolg" zu verhelfen. "Wenn wir die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft verstärken, werden wir einen Beitrag zur Stabilität der Weltwirtschaft leisten." 

Wirtschaft sucht nach Alternativen

Doch verstärken will die Zusammenarbeit kaum noch jemand. Auch die deutsche Industrie sei dabei, Abhängigkeiten zu reduzieren, betont der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm. "Die Unternehmen sind intensiv dabei, ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte strategisch zu diversifizieren und neue Partnerschaften aufzubauen." China sei gleichzeitig ein systemischer Rivale sowie ein ökonomischer und technologischer Wettbewerber. 

Trotzdem bleibt China ein überaus wichtiger Markt. Über 5000 deutsche Unternehmen mit 1,1 Millionen Beschäftigten produzieren in der Volksrepublik. Neben den großen Namen wie Volkswagen oder BASF sind dies auch unzählige Mittelständler wie etwa der Kettensägenhersteller Stihl, der Maschinenbauer Trumpf oder der Gummibärchenproduzent Haribo. Sie profitieren von günstigen Arbeitskräften und einem riesigen Binnenmarkt. Doch auch ihr Geschäft ist in den Fokus der Politik geraten.

Kommt der Außenhandel an die Kandare?

Im Mai sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, es sei "ratsam", Investitionen von deutschen Firmen in China vorab daraufhin zu überprüfen, ob dabei nicht Wissen abfließe. "Outbound Investment Screening" nennt sich das. Es müsse verhindert werden, dass Technik nur noch in China entwickelt werden könne und in Deutschland verlorengehe. 

Wirtschaftsminister Robert Habeck (l.) möchte gegenüber China eine härtere Gangart einschlagen. Kanzler Olaf Scholz bremstBild: Frank Ossenbrink/IMAGO

Ein Plan, über den die USA schon länger diskutieren und den auch die EU-Kommission ins Auge fasst. Für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist die Beziehung der EU zu China eine der "weltweit schwierigsten und bedeutendsten. Und wie wir damit umgehen, bestimmt entscheidend unseren künftigen wirtschaftlichen Wohlstand und unsere nationale Sicherheit." Europa stehe vor einer Neuausrichtung in den wichtigsten Bereichen. 

Scholz steht auf der Bremse

In Brüssel liegen konkrete Vorschläge für ein härteres Vorgehen gegenüber China auf dem Tisch. Für die deutsche Wirtschaft klingt das alarmierend. Doch der Bundeskanzler beruhigt, zumal die EU-Mitgliedsstaaten ein Wörtchen mitzureden haben.

"Ich glaube, dass wir jetzt doch eine ganze Reihe von Gesetzen gemacht haben, mit denen wir die Sicherheit unserer Wirtschaft garantieren können", sagte er bei einer Veranstaltung des BDI am Montag (19.6.). "Und klar ist, dass wir jetzt nicht das gesamte Exportgeschehen einer Untersuchung durch staatliche Instanzen unterziehen sollten, und ich will ausdrücklich sagen, das ist eine Haltung, die auch niemand vertritt." 

Nur bei den Themen Verteidigung und Rüstung müsse man sehr genau hinschauen. Erst kürzlich war beispielsweise bekannt geworden, dass die chinesische Luftwaffe für ein Ausbildungsprogramm ehemalige deutsche Kampfpiloten angeheuert hat. Thorsten Benner von der Berliner Denkfabrik German Public Policy Institute, GPPI, sieht in dem Vorgang "ein Indiz dafür, dass wir wach sein müssen. Weil Peking jede Möglichkeit nutzt, um sich Zugang zu kritischen Technologien oder Fähigkeiten zu verschaffen: zur Stärkung der eigenen industriellen und militärischen Basis". 

Abkoppelung von China im Blick haben

Unterdessen bereitet sich die Wirtschaft bereits auf die Möglichkeit eines "De-Coupling" vor. Es gibt Pläne, Unternehmen in zwei getrennte Geschäftsbereiche aufzuteilen: einen für China und einen für den Rest der Welt. Der Geschäftsbereich China würde dann nur für den chinesischen Markt produzieren und ein rein chinesisches Unternehmen werden.

Einige US-Unternehmen haben das bereits vor. Die "Financial Times" zitierte dazu einen hochrangigen, in Asien tätigen Banker mit der Äußerung, "jeder multinationale Konzern mit einem starken Chinageschäft" denke wahrscheinlich über einen solchen Schritt nach. 

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