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PolitikEuropa

Berlin und Paris feiern den Élysée-Vertrag

22. Januar 2023

Deutschland und Frankreich wollen nach erheblichen Spannungen wieder enger zusammenrücken. Dazu sind Kanzler Scholz, fast alle Kabinettsmitglieder und etwa 120 Bundestagsabgeordnete zu Feierlichkeiten nach Paris gereist.

Olaf Scholz und Emmanuel Macron
Der französische Präsident Emmanuel Macron empfängt den deutschen Kanzler Olaf Scholz in ParisBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Mit einer Hommage am Grab der französischen Frauenrechtlerin Simone Veil im Pantheon in Paris haben die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der deutsch-französischen Freundschaft begonnen. "Wir ehren eine große Europäerin (...), eine Frau mit festen Überzeugungen und beispielhaftem Handeln, deren Staffel wir weitertragen wollen", schrieb die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, im Kurzbotschaftendienst Twitter. Sie besuchte die Gedenkstätte gemeinsam mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.

Bas fordert neuen "Impuls"

Bas hatte zuvor einen "neuen Impuls" für die deutsch-französischen Beziehungen gefordert. Sie wünsche sich neue gemeinsame Projekte etwa in der Sozial- und Sicherheitspolitik, sagte Bas der Nachrichtenagentur AFP. 

Bundeskanzler Olaf Scholz, fast alle Kabinettsmitglieder und etwa 120 Bundestagsabgeordnete sind in der französischen Hauptstadt Paris. Am 22. Januar 1963 hatten die deutsche und die französische Regierung den Élysée-Vertrag unterzeichnet, der als das Fundament der Freundschaft beider Länder gilt.

Die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet (li.), trifft Bundestagspräsidentin Bärbel Bas Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Deutschland und Frankreich wollen nach erheblichen Spannungen in den vergangenen Monaten wieder enger zusammenrücken. Zum Jubiläum gab es einen Festakt der beiden Parlamente in der renommierten Sorbonne-Universität, an dem die Regierungen teilnehmen. 

Scholz und Macron fordern selbstbewusstere Rolle der EU

"Womöglich stehen wir vor einer noch viel größeren Zeitenwende. Einer Zeitenwende hin zu einer multipolaren Welt, der wir nicht mit dem Rückzug ins nationale Schneckenhaus begegnen können", sagte Scholz bei der Gedenkfeier. Man könne sich "kein kleines, verzagtes Europa" mehr leisten, das sich nationalen Egoismen hingebe und Gräben aufreiße zwischen Ost und West, Nord und Süd.

Deutschland und Frankreich müssten Vorreiter bei der Neugründung Europas sein, forderte Emmanuel Macron . Er verwies darauf, dass sich die EU bei einem Treffen in Versailles vergangenen März bereits vorgenommen habe, strategische Abhängigkeiten in den Bereichen Energie, Militär oder Nahrungsmittel zu verringern. Es bleibe aber viel zu tun. Der Kanzler verwies auf die nötige Erweiterung der EU und das erforderliche Zurückdrängen des Veto-Rechts bei Entscheidungen innerhalb der Union.

Beide betonten unter starkem Applaus, dass die EU ihre Unterstützung für die Ukraine gegen den russischen Angreifer fortsetzen werde. "Putins Imperialismus wird nicht siegen", sagte Scholz.

Die Festveranstaltung zum Vertragsjubiläum in der Pariser SorbonneBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Gemeinsame Abschlusserkärung

Nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung bekannten sich beide Seiten zu einer verstärkten Kooperation auf mehreren Feldern. So vereinbarten Deutschland und Frankreich, die zwischen Spanien und dem südfranzösischen Marseille geplante Wasserstoff-Pipeline nach Deutschland zu verlängern. Beide Länder wollen zudem den klimafreundlichen Umbau ihrer Wirtschaft vorantreiben und den Ausbau erneuerbarer Energien - allerdings "unter Achtung des Prinzips der Technologieneutralität", wie es in der Abschlusserklärung heißt. Im Gegensatz zu Deutschland setzt Frankreich bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen nämlich stark auf Atomstrom. Diese unterschiedliche Ausrichtung erkennen beide Seiten an.

In der Erklärung sagen beide Länder der Ukraine "weiterhin unerschütterliche Unterstützung in allen uns möglichen Bereichen, insbesondere im politischen, militärischen, wirtschaftlichen, finanziellen, humanitären, sozialen, kulturellen Bereich" zu. Die Ukraine, Moldau und Georgien wollen sie auf ihrem Weg in die EU unterstützen. Zudem wollen Deutschland und Frankreich ihre Sicherheits- und Verteidigungsstrategien "enger zusammenbringen" und die Zusammenarbeit der Streitkräfte in Europa verbessern.

Beide Länder beschlossen zudem, den Ausbau grenzüberschreitender Verbindungen voranzubringen. Unterstützt werde der Ausbau der Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung zwischen Paris und Berlin sowie der bereits für 2024 angekündigte Nachtzug zwischen den Hauptstädten.

Kampfpanzer dürften Thema sein

Bei den Beratungen dürfte es vermutlich auch um die weitere Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer gehen. Scholz wird von der Ukraine und mehreren Verbündeten gedrängt, den Weg für die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern frei zu machen. Weil diese Panzer in Deutschland produziert werden, hat die Bundesregierung bei der Weitergabe aus anderen Ländern ein Vetorecht. Ihr kommt also eine Schlüsselrolle zu, Scholz hat sich aber noch nicht entschieden. Ob Frankreich seinen Kampfpanzer Leclerc in die Ukraine schicken will, ist ebenfalls unklar.

Die Abstimmung bei den Waffenlieferungen in die Ukraine lief zwischen den beiden Regierungen zuletzt nicht richtig rund. Anfang Januar preschte Macron bei der Entscheidung über Späh- und Schützenpanzer vor und verkündete sie einen Tag vor Scholz und US-Präsident Joe Biden.

Meinungsverschiedenheiten bei Bewältigung der Krisen

Deutsch-französische Verstimmungen gab es aber schon davor bei der Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs: Frankreich missfiel im vergangenen Herbst der deutsche Widerstand gegen einen europäischen Gaspreisdeckel und das 200-Milliarden-Programm der Bundesregierung zur Abfederung der hohen Energiekosten. Macron warf Deutschland damals vor, sich in Europa zu isolieren.

Vor 60 Jahren unterzeichneten Deutschland und Frankreich im Elysée-Palast den VertragBild: Joly Victor/ABACA/picture alliance

Die Sitzung des deutsch-französischen Ministerrats wurde im Oktober überraschend abgesagt. Die deutsche Seite hatte das mit anhaltendem Abstimmungsbedarf begründet. Aus dem Élyséepalast hieß es damals, die wichtigen Themen Verteidigung und Energie müssten noch weiter diskutiert werden.

kle/uh/nob/sti (dpa, afp, rtr)

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