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Politik

Zusammen gegen Flucht und Terror

Richard A. Fuchs
12. Oktober 2016

Der Innenminister empfing seinen marokkanischen Kollegen. Früher ein Routinetermin. In Zeiten von Terror und hohen Flüchtlingszahlen dagegen eine heikle Sache. Marokko soll mehr Abschiebungen ermöglichen.

Marokko Innenminister Mohamed Hassad & Thomas De Maizière
Mohamed Hassad (l) und Thomas de Maizière (r) treffen sich regelmäßig - hier im Februar 2016 in RabatBild: Getty Images/AFP/F. Senna

"Kollege und Partner" nennt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den marokkanischen Innenminister bei seinem Besuch am Mittwoch in Berlin. Mohamed Hassad bedankt sich herzlich. So herzlich, dass schnell klar wird: Diese beiden Minister brauchen sich. Jeder auf seine ganz eigene Weise. Deutschland will jetzt verstärkt abgelehnte Asylbewerber nach Marokko und in andere Maghreb-Staaten zurückschicken. Bislang läuft das, diplomatisch höflich formuliert: schleppend.

Marokko dagegen sucht deutsches Know-how bei der Grenzsicherung, Kooperation von Polizei und Geheimdiensten. Tausende Marokkaner sollen sich, Schätzungen zufolge, der Terrormiliz "Islamischer Staat" bei ihrem Kampf in Syrien und im Irak angeschlossen haben. Das lässt das nordafrikanische Land um seine innere Sicherheit bangen.

Abkommen bald unterschriftsreif

Die Lösung, die beide Minister anzubieten haben, heißt deutsch-marokkanisches Sicherheitsabkommen. Ein Vertrag, der Terrorgefahr und Migrationsdruck gleichermaßen entgegenwirken soll - durch mehr Kooperation von Polizei und Geheimdiensten. Das Abkommen ist beinahe unterschriftsreif, sagt der marokkanische Gast. So soll die Grundlage dafür gelegt werden, dass gemeinsame Ermittlerteams gegen Terroristen, Schleuser und Kriminelle vorgehen können.

Deutschland will den Grenzschutz des Mittelmeerlandes unterstützen - und Marokko im Gegenzug besser bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus dem eigenen Land mitarbeiten. Der marokkanische Gast sicherte "volle Kooperation" zu, erläuterte aber, dass die Identitätsfeststellung in vielen Fällen quälend mühsam sei. Insbesondere die illegale Migration aus der Westsahara beklagt der nordafrikanische Ressortchef. 

Noch werden wenige Menschen nach Marokko abgeschoben - der Innenminister will das ändernBild: picture-alliance/dpa

Den deutschen Innenminister kann das bislang nicht trösten. Am Mittwochmorgen stellte er in Berlin die neueste Asylstatistik vor - inklusive aller Abschiebungen. In den ersten drei Quartalen wurden deutlich mehr Personen als im Vorjahr abgeschoben. 60.000 Menschen ohne Bleibeperspektive wurden ausgewiesen, so der Minister. De Maizière freut das, aber er fordert sich und andere auf, die Zahlen weiter zu steigern.

Noch sind darunter aber sehr wenige Marokkaner - obwohl die Anerkennungsquote für diese Flüchtlingsgruppe in Deutschland bei derzeit 3,6 Prozent liege, so der Minister. "Über die Einzelheiten, wie die Rückführung noch besser laufen kann, führen wir Gespräche." Von deutscher Regierungsseite ist die Sache klar: Im Mai stufte der Deutsche Bundestag Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer ein. Das bedeutet, abgelehnte Asylbewerber sollen in diese Länder beschleunigt ausgewiesen werden können. "Für die Bundesregierung ist Marokko ein sicheres Herkunftsland", bekräftigt  der deutsche Innenminister.

Sicheres Herkunftsland?

Da stimmen ihm allerdings längst nicht alle zu. Besonders in der Länderkammer, dem Bundesrat mit den Vertretern der 16 Bundesländer, gibt es der Widerstand. Einige grün-regierte Landesregierungen wollen die Einstufung der nordafrikanischen Staaten als "sichere Herkunftsländer" nicht mittragen. Sie verweisen auf Menschenrechtsorganisationen, die von Misshandlungen an Flüchtlingen, von Folter, von systematischer Diskriminierung und Ausbeutung berichten.

Auch im Königreich Marokko. Isabelle Werenfels, Nordafrika-Expertin am Institut für Wissenschaft und Politik (SWP), beklagt die systematische Unterdrückung von Minderheiten. Amnesty International und Pro Asyl glauben nicht, dass Rückführungsabkommen mit Ländern gemacht werden sollten, in denen Flüchtlinge von Polizisten geprügelt oder misshandelt werden. Marokkos Innenminister Mohamed Hassad lächelt Kritik wie diese bestimmt, aber höflich weg: "Marokko ist, was die Einhaltung der Menschenrechte angeht, auf europäischem Standard."

Ob das stimmt, wollte jüngst auch der amtierende Präsident des Bundesrats, der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich, herausfinden. Er war Anfang Oktober zu Gesprächen nach Rabat gereist. Die Flüchtlingsfrage und die effizientere Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen standen ganz oben auf seiner Agenda. Tillich will im Gespräch mit marokkanischen Behörden erfahren haben, wie er dem Sender MDR mitteilte, dass es für das Land eine Frage der Ehre sei, illegal nach Deutschland ausgereiste Landsleute zurückzuholen.

Wie weit Anspruch und Wirklichkeit hier auseinanderliegen können, verdeutlichen Zahlen für den Freistaat Sachsen. Der forderte im laufenden Jahr 525 Marokkaner zur Ausreise nach Ablehnungsbescheiden auf. Tatsächlich konnten aber nur 54 Abschiebungen ausgeführt werden. Am Land selber könne das eigentlich nicht liegen, meint Innenminister de Maizière. "Wir sind davon überzeugt, dass es nach der Rückkehr nach Marokko für Geflüchtete keine Probleme gibt."

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