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Politik

Schon wieder Streit: Berlin und Warschau

Wojciech Szymanski
16. September 2018

Die Menschenrechtsaktivistin Lyudmyla Kozlovska gilt der polnischen Regierung als Staatsfeindin. Weil der Bundestag die in Polen lebende Ukrainerin eingeladen hatte, knirscht es wieder zwischen Warschau und Berlin.

Deutschland Polen Beziehungen Symbolbild
Bild: picture alliance/dpa

Es war keine spektakuläre Veranstaltung im Bundestag. Etwa ein Dutzend Abgeordnete und ein paar Menschenrechtsaktivisten kamen zu dem Vortrag von Lyudmyla Kozlovska am Donnerstag. Die Chefin der Warschauer Stiftung Offener Dialog sprach im Bundestag über das, woran sich derzeit die Geister in Europa scheiden: den Abbau der Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn. Das mediale Interesse in Deutschland hielt sich in Grenzen. Ganz anders auf der polnischen Seite. Die regierungsnahen Medien sprachen dort von einer "Provokation" und einem "Skandal". Ähnlich empört zeigten sich Politiker in Warschau.

Kämpfer für die Menschenrechte: Lyudmyla Kozlovska und Ehemann Bartosz KramekBild: picture-alliance/AP/Lyudmyla Kozlovska

Dass die Einladung Lyudmyla Kozlovskas in den Bundestag für Aufsehen sorgen würde, war zu erwarten. Für die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist die 33-jährige Ukrainerin schon länger eine Hassfigur. Seit neun Jahren führt die auf der Krim geborene Aktivistin die Stiftung Offener Dialog - die Organisation setzt sich für die Zivilgesellschaft und Menschenrechte in Ländern des ehemaligen Ostblocks ein.

Offener Dialog für Menschenrechte

Die Stiftung unterstützte die ukrainischen Aktivisten während des Euromaidans, der Bürgerproteste von November 2013 bis Februar 2014. Sie half den Oppositionellen in Kasachstan nach dem Schangaösen-Massaker, der gewalttätigen Niederschlagung von Demonstrationen am Unabhängigkeitstag im Dezember 2011. Sie deckte die Korruption in Moldawien auf. Zunächst war die Organisation also in Polen willkommen. Bis zum Sommer vergangenen Jahres.

Stein des Anstoßes war ein Facebook-Eintrag des Ehemannes von Kozlovska, der zugleich Vorsitzender des Stiftungsrats ist. "Die Herrschaft, die das öffentliche Leben und die Staatsform zerschlägt, muss mit einer Reaktion der Gesellschaft rechnen", schrieb Bartosz Kramek damals und rief zum zivilen Ungehorsam, zu Streiks und Protesten gegen die PiS-Regierung auf.

Von einem Tag auf den anderen war es vorbei mit der Sympathie der Regierenden für den Offenen Dialog. Das polnische Außenministerium ließ die Finanzen der Stiftung überprüfen. Dem Vorstand sollte per Gerichtsentscheid die Kontrolle entzogen werden.

Lyudmyla Kozlovska - in Polen Persona non grata

Im August dieses Jahres fuhr die Regierung noch härtere Geschütze auf. Als Kozlovska einen Antrag auf Daueraufenthalt in Polen - und damit in der EU - stellte, lehnte Polen ab und ließ die Ukrainerin damit auch aus dem gesamten Schengen-Raum ausweisen - ein einmaliger Vorgang. Offizieller Grund: Zweifel an den Geldquellen ihrer Stiftung Offener Dialog, wie ein Sprecher des polnischen Inlandsgeheimdienstes ABW mitteilte. Um welche Vorwürfe es sich konkret handelte, verriet der Sprecher nicht. Er fügte aber hinzu, es könne "ein juristisches Nachspiel geben".

Auf die rätselhafte Begründung folgte eine mediale Reaktion. In regierungsnahen Zeitungen erschienen mehrere Beitrage, die von "unklaren Finanzierungsquellen der Stiftung" sprachen. Kozlovska selbst wurde als ausländische Agentin beschrieben, mit angeblich besten Kontakten zum ungarisch-amerikanischen Milliardär George Soros und zu dubiosen Oligarchen in Osteuropa. Gegen diese Darstellung protestierten namhafte Persönlichkeiten wie der ehemalige Präsident Lech Wałęsa und einige bekannte Regierungsgegner in Polen.

Solidarität mit Lyudmyla Kozlovska - Demonstranten in Warschau fordern am 23. August: "Keine politische Deportation!"Bild: picture alliance/AP/C. Sokolowski

Doch es half nichts - die Ausweisung aus dem Schengen-Raum ist gültig und Lyudmyla Kozlovska wurde Mitte August in die Ukraine ausgeflogen. Polen ließ ihren Namen auch im Schengener Informationssystem hinterlegen, der Datenbank der Sicherheitsbehörden der Schengen-Länder.

Politischer Sprengstoff für deutsch-polnische Beziehungen

Dann wurde bekannt, dass Abgeordnete des Bundestags Kozlovska nach Berlin eingeladen hatten. Da die ukrainische Aktivistin in Polen kein Visum für den Schengen-Raum bekam, wandte sie sich an die deutsche Botschaft in Kiew, die ihr - trotz der Schengen-Sperre - eine Einreiseerlaubnis ausstellte. "Es kann nicht sein, dass Polen ein Treffen zwischen Mitgliedern des Bundestages und einer Menschenrechtsaktivistin verhindert", kritisierte der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe. Die Parlamentarier wollten aus erster Hand erfahren, wie es um die Menschenrechte in Polen und Ungarn bestellt sei, begründete Andreas Nick von der CDU, warum er sich für die Veranstaltung im Bundestag stark machte.

Ganz anders sieht man es in Polens Regierungskreisen. Dort wird die Einladung als "eine unfreundliche Geste" der Deutschen verstanden. Ein Staatssekretär im polnischen Außenministerium machte dem deutschen Botschafter persönlich klar, wie verärgert Warschau über die Einladung sei. Der polnische Präsident Andrzej Duda sprach den Fall sogar bei seinem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor wenigen Tagen in Riga an. Seine Botschaft: Die Einladung in den Bundestag sei nicht gut für die bilateralen Beziehungen.

Ärger unter Staatspräsidenten: Frank-Walter Steinmeier (l) und Andrzej Duda (r), hier im Juni in WarschauBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Dementsprechend erregt reagieren die polnischen Medien. Ein Kommentator im Nachrichtenkanal des polnischen Staatsfernsehens TVP Info verglich die Einladung Kozlovskas gar mit einer Kriegserklärung an Polen: "Der Kern des Hitler-Stalin-Paktes bleibt aktuell."

Der Fall wird in Warschau offenbar auch deshalb als Brüskierung empfunden, weil Berlin sich über den polnischen Eintrag im Schengener Informationssystem hinweggesetzt hat. Das birgt politischen Sprengstoff, denn Polen muss jetzt belastbare Beweise dafür liefern, dass Kozlovska ein Sicherheitsrisiko darstellt, das ihren Schengen-Rauswurf rechtfertigt. Legt es die vor, stünde der Bundestag dumm da. Gibt es sie nicht, wäre Polens Glaubwürdigkeit stark beschädigt.

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