Die rumänische Satire "Bad Luck Banging or Loony Porn" gewinnt den Goldenen Bären. Auch zwei deutsche Produktionen werden bei der 71. Berlinale prämiert.
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Berlinale 2021: Die Gewinner der Goldenen und Silbernen Bären
15 Filme gingen im Wettbewerb der 71. Berlinale ins Rennen um die Bären. Die ausgezeichneten Filme könnten unterschiedlicher kaum sein.
Bild: Christine Fenzl
Goldener Bär für "Bad Luck Banging or Loony Porn"
"Bad Luck Banging or Loony Porn" beginnt drastisch: Eine Lehrerin dreht ein Sextape, das bald darauf in ihrer Schule die Runde macht und die Moralapostel auf den Plan ruft. Der rumänische Regisseur Radu Jude (2015 Silberner Bär für die beste Regie) mischt seine Geschichte mit statischen Bildern wie in einer Videoinstallation - und wird mit dem Goldenen Bären belohnt.
Bild: Silviu Ghetie/Micro Film 2021
Silberner Bär: Großer Preis der Jury
Als Hommage an die Frauen versteht Ryusuke Hamaguchi seinen Film "Wheel of Fortune and Fantasy", den er in drei Akten erzählt. Dabei inszeniert der japanische Regisseur die Szenen fast ausschließlich innerhalb eines Raumes mit stets nur zwei Darstellerinnen und Darstellern. Für die tiefgründigen Dialoge zeichnete ihn die Berlinale-Jury mit dem Großen Preis aus.
Bild: 2021 Neopa/Fictive
Silberner Bär: Beste Regie
Die Kurzfilme und Dokumentationen des ungarische Regisseurs und Drehbuchautors Dénes Nagy sind preisgekrönt. Mit "Natural Light" stellte er auf der Berlinale sein Spielfilmdebüt vor: Er begleitet ungarische Soldaten während des Zweiten Weltkriegs auf der Suche nach Partisanen durch die Sowjetunion und schildert ihre moralischen Abgründe. Von der Regiearbeit war die Jury besonders beeindruckt.
Bild: Tamás Dobos
Silberner Bär: Preis der Jury für Langzeitdoku
Mit ihrer Langzeitdokumentation "Herr Bachmann und seine Klasse" gewann Regisseurin Maria Speth den Preis der Jury. Speth begleitet an einer Schule in Hessen den Lehrer Dieter Bachmann, dessen 12- bis 14-jährige Schülerinnen und Schüler zum Teil noch kein Deutsch sprechen. Mit Geduld und Empathie hilft Bachmann den Kindern bei der Integration und beweist, wie wichtig Bildung ist.
Bild: Madonnen Film
Silberner Bär: Beste Hauptrolle
Was ist Glück und was braucht man, um glücklich zu sein? Können künstliche Intelligenz und Roboter dazu beitragen? Maren Eggert ist in der Hauptrolle von Maria Schraders "Ich bin dein Mensch" skeptisch. Während des Films öffnet sich ihre Figur Alma allmählich und schüchtern ihren Sehnsüchten. Maren Eggert überzeugte die Jury als beste Schauspielerin in einer Hauptrolle.
Bild: Christine Fenzl
Silberner Bär: Beste Nebenrolle
Für den ungarischen Episodenfilm "Forest - I See You Everywhere" standen Regisseur Bence Fliegauf kaum finanzielle Mittel zur Verfügung. Die Besetzung besteht deshalb neben professionellen Schauspielern aus Laiendarstellern. Auch Lilla Kizlinger gibt hier ihr Filmdebüt - und wird sogleich mit dem Silbernen Bären für die Beste Schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle gewürdigt.
Bild: Akos Nyoszoli and Matyas Gyuricza
Silberner Bär: Bestes Drehbuch
Auch der nur rund einstündige Beitrag "Introduction" des südkoreanischen Regisseurs Hong Sang-soo wird episodisch erzählt. In schwarz-weißen Bildern bei stets trübem Wetter reden die Protagonisten aneinander vorbei und verfallen dabei immer wieder auf belanglose Worthülsen. Hong Sang-soo erhielt 2020 bereits den Regie-Bären, nun zeichnet ihn die Jury für das beste Drehbuch aus.
Bild: Jeonwonsa Film Co.Production
Silberner Bär: Künstlerische Leistung
Alonso Ruizpalacios erhielt 2018 den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Sein aktueller Film "A Cop Movie" ist ein Hybrid aus Dokumentation und Spielfilm. Zwei Schauspielerinnen steigen in Polizeiuniformen und damit auch in die ambivalente Rolle, die die Polizei im Spannungsfeld von Gewalt, Korruption, Kriminalität und Schutzfunktion in Mexiko spielt. Die Jury lobte das "innovative Kinowerk".
Bild: No Ficcion
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Egal, wie die Jury der Internationalen Filmfestspiele Berlin bislang besetzt war: Sie ist bei der Vergabe des Goldenen und der Silbernen Bären immer wieder für Überraschungen gut. Bei der 71. Berlinale, die pandemiebedingt in zwei Teilen stattfindet, hat die aus sechs früheren Bären-Gewinnerinnen und -Gewinnern zusammengesetzte Jury die rumänisch-luxemburgisch-kroatisch-tschechische Koproduktion "Bad Luck Banging or Loony Porn" mit dem Goldenen Bären, dem Hauptpreis des Festivals, geehrt.
In der Satire dreht eine Lehrerin ein privates Sextape, das ins Internet und schließlich an ihre Schule gelangt. In der Folge muss sie sich einem Elterntribunal stellen, das nicht nur ihre Persönlichkeit und ihre Eignung als Lehrerin infrage stellt, sondern alle Vorurteile und Ressentiments vom Stapel lässt, die Sexismus, Faschismus, Antisemitismus und Antiziganismus zu bieten haben.
In "Bad Luck Banging or Loony Porn" ist die Pandemie, anders als in den anderen Wettbewerbsbeiträgen, bewusst in die Handlung integriert und allgegenwärtig. Für Gesprächsstoff sorgten zudem die expliziten Sexszenen gleich zu Beginn des Films. Zuletzt hatte die Berlinale 2018 für eine Kontroverse gesorgt, als der ebenfalls rumänische Film "Touch Me Not" mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet worden war.
Viele Episodenfilme
Der Gewinner des Goldenen Bären ist - wie auch einige der mit dem Silbernen Bären prämierten Beiträge - eine episodisch erzählte Geschichte. Ebenso der südkoreanische Film "Introduction" (Bestes Drehbuch), "Forest - I See You Everywhere" aus Ungarn (Beste Nebenrolle) und "Wheel of Fortune and Fantasy" des japanischen Regisseurs Ryusuke Hamaguchi (Großer Preis der Jury).
Auch zwei deutsche Produktionen hat die diesjährige Jury bei der Preisvergabe gewürdigt. Maria Speth erhält für ihre Langzeitdokumentation "Herr Bachmann und seine Klasse" über einen empathischen Lehrer der Schüler unterrichtet, die nahezu keine Deutschkenntnisse haben, den Preis der Jury.
Die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle lieferte in diesem Jahr nach Ansicht der Jury Maren Eggert in Maria Schraders Romantic Comedy "Ich bin dein Mensch". Als rationale Alma muss sie sich auf die Gesellschaft eines humanoiden Roboters einlassen und die Frage beantworten, ob künstliche Intelligenz einen Menschen ersetzen kann.
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Publikumsfestival im Sommer
In diesem Jahr war der Wettbewerb der Berlinale verschlankt. Statt sonst rund 20 Filmen, waren nur 15 ins Rennen um die Bären gegangen. Auch die Zusammenstellung des Programms musste in diesem Jahr anders ablaufen. Normalerweise reisen die künstlerischen Leiter von Festivals in den Monaten vor dem großen Event durch die Welt, sichten Filme, treffen sich mit Produzenten und Regisseurinen. Weil andere Filmfestivals 2020 aber ganz ausgefallen waren, hatten zahlreiche Filmschaffende ihre Werke der Berlinale aktiv angeboten.
Trotz der Corona-Pandemie sollte die Berlinale nicht ausfallen, deshalb teilten die Verantwortlichen das Festival in diesem Jahr in zwei Veranstaltungen auf. In der ersten Märzwoche lief das "Industry Event", bei dem Verleihfirmen Filme für die internationalen Märkte einkaufen. Hier zeigte sich ein Vorteil der digitalen Organisation: Weil die Reisekosten wegfielen, meldeten sich mehr als 470 Firmen aus fast 60 Ländern an - fast 200 nahmen zum ersten Mal teil.
Anders als sonst, sind die Bären nun also schon vergeben, bevor das Publikum die Filme zu sehen bekommt. Man kann sich trotzdem auf ein spannendes Festival freuen, wenn die Zuschauer im Juni beim zweiten Teil der 71. Berlinale hoffentlich mitfeiern dürfen. Auf dem Berlinale Summer Special vom 9. bis 20. Juni sollen dann auch die Bären im Rahmen einer Zeremonie überreicht werden - sofern es die Corona-Infektionszahlen zulassen.