19 Filme liefen im Wettbewerb der 73. Berlinale. Die einzige Dokumentation erhält den Hauptpreis, und eine Achtjährige wird zur jüngsten Preisträgerin des Festivals.
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Dokumentarfilme im Wettbewerb eines großen Filmfestivals sind keine Selbstverständlichkeit. Umso überraschender ist der Gewinner des Goldenen Bären auf der 73. Berlinale: Mit dem französischen Beitrag "Sur l'Adamant" erhielt die einzige Doku im 19 Werke umfassenden Feld den Hauptpreis.
Über Jahrtausende hinweg hätten sich Menschen auf der Suche nach der Definition von Kunst im Kreis gedreht, sagte Jurypräsidentin Kristen Stewart am Samstagabend (25. Februar 2023) bei der Preisverleihung in Berlin. "Mit gebührendem Respekt vor allen Denkschulen: Man weiß es, wenn man sie sieht." Die gesamte Jury sei von der humanistischen Ebene des Gewinner-Films berührt worden.
"Gemeinsame Menschlichkeit"
Adamant ist der Name einer Tagesklinik für Menschen mit psychischen Problemen - auf einem Boot auf der Seine in Paris. Der Dokumentarfilmer Nicolas Philibert porträtiert in seiner Langzeitbeobachtung jene, die Hilfe suchen ebenso wie diejenigen, die gegen die Entmenschlichung in der Psychiatrie anarbeiten.
73. Berlinale: Die Gewinner der Bären
19 Filme konkurrierten im Wettbewerb der 73. Berlinale um die Bären. Den Hauptpreis gewann ein Dokumentarfilm aus Frankreich.
Bild: Films Grand Huit
Goldener Bär: Sur l'Adamant
Im Adamant, einer schwimmenden Tagesklinik mitten in Paris, werden Menschen mit psychischen Problemen betreut. Der Dokumentarfilm des französischen Regisseurs Nicolas Philibert nimmt uns mit an Bord, wo Patientinnen und Patienten und ihre Betreuerinnen und Betreuer neue Möglichkeiten des Miteinanders erfinden.
Bild: TS Production/Longride
Silberner Bär: Großer Preis der Jury
Mit "Roter Himmel" stellte Christian Petzold nach "Undine" (2020) den zweiten Teil einer geplanten Trilogie vor. Eine junge Frau und drei junge Männer teilen ein Ferienhaus an der Ostsee. Einer von ihnen steht unter Druck - er muss sein Buch überarbeiten, der Verleger hat sich angekündigt. Ringsum rückt derweil ein Waldbrand bedrohlich nah heran.
Bild: Christian Schulz/Schramm Film
Silberner Bär der Jury
In der portugiesischen Produktion "Mal viver" betreiben fünf Frauen ein altes Hotel. Ein scheinbar unlösbarer Konflikt mit langer Vorgeschichte lastet auf ihnen. Als die junge Salomé im Hotel auftaucht, reißen alte Wunden wieder auf.
Bild: Midas Filmes
Silberner Bär: Beste Regie
Der 74-jährige Schauspieler und Regisseur Philippe Garrel war bereits 2020 im Wettbewerb der Berlinale, in diesem Jahr erhielt er für "Le grand chariot" den Silbernen Bären für die beste Regie. Garrels eigene Kinder spielen darin drei Geschwister, die womöglich letzte Generation einer Puppenspielerfamilie.
Bild: Benjamin Baltimore/2022 Rectangle Productions/Close Up Films/Arte France Cinéma/ RTS Radio Télévision Suisse - Tournon Films
Silberner Bär: Bestes Drehbuch
2019 erhielt Angela Schanelec als Regisseurin den Silbernen Bären für "Ich war Zuhause, aber ...", in diesem Jahr gesellt sich der Bär für das beste Drehbuch hinzu. "Music" führt die Hauptfigur Jon vom Findelkind in Griechenland über einen Mord bis nach Berlin. Schanalec gehört der Berliner Schule an, entsprechend minimalistisch ist "Music" erzählt.
Bild: faktura film/Shellac
Silberner Bär: Beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle
Sofía Otero spielt in "20.000 especies de abejas" ein achtjähriges Kind, das darunter leidet, mit Namen angesprochen zu werden, die sich falsch anfühlen. Im Sommerurlaub auf dem Land kommen Kind und Mutter mit Bienenzucht in Berührung und machen dabei Entdeckungen, die ihr Leben für immer verändern.
Bild: Gariza Films/Inicia Films
Silberner Bär: Beste schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle
Thea Ehre nahm den Preis für die beste Nebenrolle in Empfang. Sie spielt in Christoph Hochhäuslers "Bis ans Ende der Nacht" die Transfrau Leni, über die der verdeckte Ermittler Robert das Vertrauen eines Drogenhändlers gewinnen will. "Die Darstellung hat uns umgehauen", sagte Jury-Präsidentin Kristen Stewart.
Für die Kameraführung in Giacomo Abbruzzeses "Disco Boy" erhielt Hélène Louvart den Silbernen Bären. Der Film erzählt von Aleksei, der sich aus Belarus nach Frankreich durchschlägt, um sich der Fremdenlegion anzuschließen. Von seinem ersten Einsatz im Niger-Delta kehrt er traumatisiert zurück.
Bild: Films Grand Huit
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Er habe das Bild von den sogenannten Verrückten umdrehen wollen, sagte Philibert bei der Verleihung des Goldenen Bären. Menschen mit psychischen Problemen würden stigmatisiert. "Wir müssen anerkennen, was uns verbindet: eine gemeinsame Menschlichkeit und Teil der gleichen Welt zu sein."
Drei Preise gingen in diesem Jahr an deutsche Produktionen. Christian Petzold erhielt für "Roter Himmel" - nach "Undine" der zweite Teil einer Trilogie - den Großen Preis der Jury, Angela Schanelec wurde für "Music" mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ausgezeichnet.
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Schauspielpreise für Gender-Rollen
Begeistert zeigte sich die Jury von der Leistung der 23-jährigen Thea Ehre in Christoph Hochhäuslers Beitrag "Bis ans Ende der Nacht". Ehre spielt darin eine Transfrau, in die sich ein verdeckter Vermittler verliebt. "Diese Leistung ist für uns alle ein Geschenk", sagte Jurypräsidentin Kristen Stewart.
Die österreichische Schauspielerin und Trans-Aktivistin erhielt den Preis für die beste Nebenrolle und dankte ihren Eltern dafür, "dass Ihr mich unterstützt habt, Raum gelassen habt, zu sein, wer ich sein wollte".
Für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle prämierte die Jury die spanische Nachwuchsdarstellerin Sofía Otero, die in "20.000 especies de abejas" ("20.000 Spezies von Bienen") ein Kind auf der Suche nach seiner geschlechtlichen Identität spielt. Die Achtjährige ist damit die jüngste Bären-Preisträgerin in der Geschichte der Berlinale.
Den Preisträger des Silbernen Bären für die beste Regie, den 74-jährigen Franzosen Philippe Garrel, würdigte Jury-Mitglied Golshifteh Farahani als "jüngsten Geist, der uns begegnet ist". Sein Film "Le grand chariot" ("Der große Wagen") erzählt von der jüngsten und womöglich letzten Generation einer Puppenspielerfamilie.