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Film

Weltweiter Filmnachwuchs bei Berlinale Talents

Nadine Wojcik
15. Februar 2017

Ihre Berlinale-Woche ist wohl die intensivste: Die 250 Talents schlafen im gleichen Hostel, frühstücken zusammen, debattieren über Filme, nehmen an Workshops und Empfängen teil. Wir haben drei von ihnen kennengelernt.

Berlinale Talents | HAU 3
Bild: DW/N. Wojcik

Das Geschnatter ist ohrenbetäubend. 250 junge Regisseure, Drehbuchautoren, Schauspieler, Cutter und Kameraleute reden gleichzeitig. Dabei sitzen sich jeweils zwei Talents auf Papphockern in dem Theatersaal des Hebbel am Ufer, das in den kommenden Tagen für das Gipfeltreffen des Filmnachwuchses reserviert ist, für fünf Minuten gegenüber. Dann ertönt ein Signal und die Gesprächspartner ziehen weiter. Global Speed Matching heißt diese Netzwerkrunde. Angelehnt an Speed Dating hat hier jeder nur wenige Minuten Zeit über sich und seine Projekte zu erzählen - und so möglicherweise interessante Kontakte zu knüpfen.

Popo Fan, neongelbe Mütze und rot lackierte Nägel, hat sich gerade mit einem Cutter aus Finnland angeregt ausgetauscht. "Das sind wirklich magische Austausche, die Leute kommen aus allen Gewerken und haben mich mit ihren Ideen gleich auf eigene neue gebracht." Am Ende des Global Speed Matching wird Popo Fan noch mit Filmemachern aus den USA, Georgien, Rumänien und Brasilien gesprochen haben. "Mir tut der Hals schon richtig weh", scherzt der chinesische Filmemacher und kramt aus seiner Tasche ein Halsbonbon, das ihm ein Talent organisiert hat.

Netzwerken bereits beim Aufwachen

Dabei hört das Netzwerken während der Berlinale Talents nie auf: Ob bei gemeinsamen Workshops, beim Filmegucken, bei Empfängen oder Vorträgen. Und auch im Hostel. Der Chinese Popo Fan teilt sich ein Zimmer mit zwei weiteren Talents aus Australien und Spanien. "Selbst wenn wir schlafen gehen oder aufstehen reden wir immer noch übers Filmemachen", erzählt der 32-Jährige aus Peking. "Mein spanischer Mitbewohner meinte gestern zu mir, ich sollte mir dringend einen Cutter suchen - bislang schneide ich alle meine Filme selbst." Der Rat sei schon richtig, sagt Popo Fan, doch seine Filme sind derart provokativ für die chinesische Leinwand, dass ihm bislang immer die Finanzierung fehlte. Der schwule Regisseur porträtiert offen die LGBT-Szene in seinen Filmen - und passt damit ausgesprochen gut zu "Mut", dem Oberthema der diesjährigen Berlinale Talents.

Der chinesische Regisseur Popo Fan (rechts)Bild: P. Himsel

Provokant wird das Thema mit drei Fragen ergänzt, die in Neonfarben auf Plakaten bei allen Veranstaltungen zu sehen sind: "Warum suchst Du Dir keinen richtigen Job?", "Wer soll das finanzieren?", "Wer soll sich das anschauen?". Popo Fan lacht. Er mag die Fragen, weil sie deutlich machen, dass hier alle gegen die gleichen Widerstände kämpfen müssen, um ihren Traum zu erreichen. Bei ihm komme allerdings noch eine Frage hinzu: "Warum machst Du das - das kommt doch eh nicht durch die Zensur." Tatsächlich ist bis heute keiner seiner Filme öffentlich zu sehen gewesen.

Endlich angekommen

Auch Ulan Garba Matta kennt es, sich immer wieder für ihre Leidenschaft und Berufswahl rechtfertigen zu müssen. "Ich werde häufig gefragt: Na, was macht dein Hobby?", lacht die Nigerianerin. Die 33-Jährige arbeitet als Produzentin und Drehbuchautorin und ist nun zum ersten Mal in Deutschland. Erleichtert ist sie über die Ruhe und Stille in Berlin. Sie hatte es sich viel stressiger vorgestellt. Allerdings machen ihr die Minustemperaturen zu schaffen. "Meine Mitbewohnerinnen aus Kasachstan und Venezuela haben mir zum Glück was zum Anziehen geliehen", sagt sie und zeigt auf den schwarzen Pulli.

Hier bei den Berlinale Talents fühlt sie sich zum ersten mal "echt". Hier kann sie Filmemacherin sein, unter gleichen. "Egal, mit wem ich hier spreche, ich habe immer das Gefühl, verstanden zu werden – und nicht etwa mit dem Wind zu sprechen." Besonders gefallen ihr auch die Expertengespräche, wie beispielsweise mit Künstler Christo oder der Regisseurin Ana Lily Amirpour.

2018 als Profi wiederkommen

Eine besonders intensive Woche erlebt ihr Kollege Karam Ali. Er ist mit seinem Dokumentarfilmvorhaben über Autodiebe in Palästina für das sogenannte "Doc Lab" der Berlinale Talents ausgewählt worden. Hier sezieren, analysieren und entwickeln zehn Nachwuchsfilmemacher unter Profi-Anleitung ihre Filme weiter. "Jetzt bin ich richtig gut gewappnet und möchte schon bald mit den Dreharbeiten beginnen", sagt Karam Ali.

Dokumentarfilmer Karam Ali (mitte) aus Palästina Bild: P. Himsel

Der 28-Jährige hofft sogar im nächsten Jahr mit seinem Dokumentarfilm im offiziellen Programm der Berlinale zu laufen - in der 15-jährigen Geschichte der Berlinale Talents keine Seltenheit. "Meine Geschichte wurde so von einem Palästinenser noch nicht erzählt, die Geschichte von Kriminellen und deren Ausweglosigkeit aufgrund der politischen Situation." Für ihn geht es bei den Berlinale Talents vor allem ums Geben und Nehmen, so würden die Teilnehmer ihre Projekte gegenseitig bereichern. "Das bringt mich meinem Ziel wirklich näher", sagt Karam Ali.