Flughafen-Desaster
15. August 2012Die Morgensonne scheint, breit und ruhig wie ein See liegt die Havel vor dem Balkon. Darüber donnert, zum dritten Mal schon innerhalb weniger Minuten, zum Greifen nah ein Flugzeug im Landeanflug auf den Flughafen Tegel, gleich am anderen Ufer. Eigentlich sollten dort längst nur noch die Schafe weiden. Viele Familien haben sich in dieser Erwartung für teures Geld ein Häuschen oder eine Eigentumswohnung in dem Neubauviertel in traumhafter Wasserlage gekauft. Jetzt sind sie fertig mit den Nerven. Das Ende des Flugbetriebs in Tegel, zuletzt für den 17. März 2013 angekündigt, steht erneut in den Sternen.
Eigentlich hätte schon vor fünf Jahren Ruhe einkehren sollen in und um Tegel. Als sich Berlin, das umgebende Bundesland Brandenburg und die Bundesregierung im Jahr 1996 darauf verständigten, den neuen internationalen Großflughafen in Schönefeld am südlichen Stadtrand der Hauptstadt zu errichten, war 2007 als Eröffnungsjahr festgelegt worden. Der sogenannte Single-Airport sollte den alten Ostberliner Flughafen Schönefeld und die beiden innerstädtischen Westberliner Flughäfen Tegel und Tempelhof ersetzen.
Serie von Verschiebungen
Doch eine Serie von Gerichtsentscheiden wegen Fehlern im Planungs- und Vergabeverfahren verzögert den Baubeginn immer wieder. Erst im September 2006 erfolgt der symbolische erste Spatenstich. Als Eröffnungstermin wird der 30. Oktober 2011 festgelegt. In Erwartung dessen schließt im Oktober 2008 der kleinere, nahe am Stadtzentrum gelegene Flughafen Tempelhof. Die Anwohner von Tegel müssen nun mit noch mehr Flugbewegungen leben, aber es soll ja nur für drei Jahre sein.
Zwei Jahre später bietet die Pleite einer Baufirma den Anlass, den ohnehin kaum haltbaren Eröffnungstermin zu verschieben. Am 3. Juni 2012 aber soll es nun definitiv losgehen auf dem neuen Flughafen. Die Fluggesellschaften verlassen sich darauf, erweitern ihre Flugpläne in Erwartung der neuen Möglichkeiten. Viele Ziele in der Welt, für die man früher in Frankfurt umsteigen musste, sollen nun von Berlin aus direkt erreichbar sein.
Doch keine vier Wochen vorher, am 8. Mai 2012, verkündet der Aufsichtsrats-Chef der Flughafen-Gesellschaft, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Der Eröffnungstermin wird abgeblasen. Als Grund nennt er Probleme mit der Brandschutzanlage. Chefplaner Manfred Körtgen wird entlassen, aber schon bevor dessen Nachfolge geregelt ist, geschweige denn ein Nachfolger sich einen Überblick verschaffen kann, wird vollmundig ein neuer Eröffnungstermin verkündet: Der 17. März 2013.
Auch neuer Termin kaum zu halten
Für die Fluggesellschaft kommt die Verschiebung zu knapp, um ihre Flugpläne noch zu ändern. Die zusätzlichen Flüge müssen nun ebenfalls über Tegel abgewickelt werden. Der ohnehin schon enge Flugplan wird weiter verdichtet, die nächtliche Ruhezone verkürzt. Logistisch verkraftet der in den Sechzigerjahren geplante Flughafen die Extra-Belastung bravourös, für die Menschen in den An- und Abflugschneisen aber ist sie die Hölle.
Wie lange sie diese nun noch ertragen müssen, ob bis Sommer oder gar Herbst 2013, steht in den Sternen. Denn inzwischen ist klar, dass außer der Brandschutzanlage auch vieles andere nicht rechtzeitig fertig war. Der 17. März als Starttermin dürfte nicht mehr zu halten sein. Ob der Aufsichtsrat das nach seiner Sitzung am Donnerstag (16.08.2012) auch verkünden wird, ist allerdings fraglich. Denn dann wird man ja den neuen Eröffnungstermin wissen wollen. Und wer will sich da noch festlegen?