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Gesellschaft

Kolumne: Keine Fashion in Berlin?

Gero Schließ
9. Juli 2017

Was trägt Berlin? Gerade feiert die Berlin Fashion Week ihre 20. Saison. Doch es scheint, als ob das die Berlinerinnen kalt lässt, meint unser Kolumnist Gero Schließ.

Outdoor Laufsteg beim Berliner Mode Salon Spring/Summer 2018
Defile des Berliner Designers Brachmann beim Berliner Mode Salon Bild: Getty Images for DER BERLINER MODE SALON/A. Rentz

"Style in Berlin? Don´t give a fuck!". Ja geht's noch? Ist Style den Berlinern wirklich so "scheißegal", wie es die junge Frau sagt, die sich in einer Straßenumfrage eines Fashion-Blogs zum Mode-Stil der Berliner äußerte? Das wäre bitter für Deutschlands selbsternannte Modehauptstadt.

Berlin ohne Stil?

Aber trösten wir uns. Die Frau verneint zwar furios die Existenz irgendeines Stils in Berlin, aber ihre Antwort hat dann doch Stil. Den typischen Berlin-Stil eben: Berliner Schnauze.

Mode made in Berlin: Eine Modedesignerin geht Gassi in der eigenen Kreation. Bild: DW/G.Schließ

Doch die Mädels könnten ihre Enttäuschung ja auch ein bisschen netter ausdrücken. Also weniger "berlinerisch". Etwa wie die Dame, die ich vor wenigen Tagen mit ihrem Hund in der Nähe des schönen Savigny Platzes antraf. Berlin sei "nicht so spannend", räumt sie niedergeschlagen ein und seufzt mit ihrem Vierbeiner um die Wette. Doch dann immerhin ein kleiner Lichtblick: "Wir sind hier im Westen Berlins etwas schicker". Dafür will sie wohl persönlich Sorge tragen mit einem recht eigenwilligen Kleid (siehe Bild). Und am Ende erfahre ich: Ja, sie ist Modedesignerin.

Trio infernale auf Berlins Kudamm

Wenige Meter weiter auf dem mondänen Kurfürstendamm reibe ich mir ungläubig die Augen: Dort promenieren drei aufgebrezelte Damen mittleren Alters. Wow, was für ein Trio der Superlative! Knappstes T-Shirt, kürzeste Shorts, größtmögliche Sonnenbrille - und höchste Rechnung. Liebe Berliner Wessis, sehr weit scheint es nicht her zu sein mit eurem Mode-Vorsprung. Die nächste Frau in Cowboy-Boots und teuer designtem Blümchenhemd reißt das auch nicht mehr raus.

Zehn Messen, 50 Modeschauen, 100.000 Besucher: Wirtschaftssenatorin Ramona Pop berauscht sich in diesen Tagen an den schnöden Zahlen der Fashion Week

Berliner Eco-Trend

Doch es bleibt dabei: Berlin ist im Vergleich zu New York, London oder Paris ein Modezwerg. Daran wird auch der neueste Berliner Trend nichts ändern, von dem die Senatorin der Grünen gerade so schwärmt: "Eco-Kleider" aus sozial-biologischer Baumwolle. Wie sexy ist das denn? Doch nicht genug des regierungsamtlichen Esprits: Um die Ressourcen zu schonen, trägt Ramona Pop ihre Kleider sehr, sehr lange.

Insel der Jugend in BerlinBild: picture alliance/dpa/J. Kalaene

Weiß Pop, dass sie damit Trendsetterin ist in Berlin? Der Auftrage-Look ist hier sehr in Mode, wenn auch nicht ganz freiwillig: Vor allem in Marzahn und anderen Stadtteilen an der Peripherie Berlins. Man könnte es auch prekäre Mode nennen: Alte, abgetragene Klamotten eben, die schon bessere Tage erlebt haben. Wie ihre Trägerinnen auch.

"Come as your are" - so lautet die Berliner Modehymne. Du kannst auf die Straße gehen wie du gerade bist. Ob mit altem Zeug, bürgerlich-klassisch oder "pompös" aufgemotzt wie jetzt bei der Auftaktparty zur Fashion-Week, zu der TV-Designer Herbert Glööckler die Berliner Party-Crowd auf die "Insel der Jugend" lud.

Merkel, die regierende Mode-Ikone

In Berlin hat jeder Stadtteil seine eigene Mode: Auf Neuköllns Sonnenallee herrscht arabischer Chic. Die Kreuzbergerin liebt die Latschen. Und im Regierungsviertel regiert das züchtige Business-Kostüm. Und die Angst: Angela Merkels ungeheuer aufregende Blazer-Kombis wirken offenbar abschreckend. Es gibt keine Nachahmer. Keine Frau wagt die Einzigartigkeit der regierenden Mode-Ikone anzutasten.  

Berliner Mode-Ikone: Die Kanzlerin im gewohnten Blazer-Look, hier mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Bild: Reuters/A. Schmidt

Ok, wer gar nichts falsch machen will, der schlüpft in Schwarz. Black is beautiful in Berlin. Eine der vielen Berliner Modebloggerinnen drückt sich soziologisch perfekt - oder sollte ich besser sagen geschraubt? - aus: Schwarz sei die "zentrale Komponente" ihres Stils, schreibt sie. Es symbolisiere den fließenden Übergang zwischen Tag und Nacht in dieser Stadt. Wer's nicht versteht: Die Botschaft der Bloggerin ist eigentlich sehr simpel: Berlin ist Dauer-Party, Tag und Nacht. Schwarz geht da immer, selbst wenn zwischendurch ein bisschen Arbeit droht. Und es stimmt: Es sind die besten Feier-Klamotten, als Party-Uniform sogar noch geadelt durch das Berghain, Berlins angesagtester Technoclub. 

Ist Schwarz der Berlin-Stil?

Für Kolumnist Gero Schließ (gerne in Schwarz) ist Berlin ein Modezwerg

Also habe ich am Ende doch den Berlin-Style gefunden? Nein, urteilt Christiane Arp in gewohnter Strenge. Sie ist Chefredakteurin der Vogue und Deutschlands Hohe Mode-Priesterin. Es gibt keinen Berlin-Stil, sagt sie mir auf den Kopf zu. Die Designer seien einfach zu unterschiedlich. Ok, wenn sich schon die Designer nicht auf einen Berlin-Stil einigen können, warum sollten es die Berliner tun? Ihnen ist ja so vieles "scheißegal", aber eines eben nicht: ihre (Mode-)Freiheit.

 

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