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Eigenes Label

Melanie Sevcenko/ Peter Zimmermann/ gw4. Juni 2014

Der CD-Markt schrumpft kontinuierlich, Labels und Plattenläden gibt es immer weniger. Was versprechen sich die Berliner Philharmoniker von einem eigenen Label?

Gruppenbild des schwarz-gekleideten Berliner Philharmonischen Orchesters auf der abgedunkelten Bühne der Berliner Philharmonie (Foto: Sebastian Hänel/ Berliner Philharmoniker)
Bild: Sebastian Hänel/Berliner Philharmoniker

Seit eh und je sind die Berliner Philharmoniker musikalisch führend und medial trendsetzend: 1913 spielt das deutsche Spitzenorchester zum ersten Mal eine Sinfonie ein; 1962 beginnt Chefdirigent Herbert von Karajan mit seinem Orchester und einem ersten Beethoven-Zyklus in Stereo seinen Eroberungszug auf dem Plattenmarkt, verändert Klangqualität und Hörgewohnheiten; zwanzig Jahre später nimmt er in der akustisch brillanten Berliner Philharmonie mit seinen fantastischen Musikern die weltweit erste Klassik-CD auf: Richard Strauss' "Alpensinfonie". 2008 - längst sind die Einnahmen der Musiker aus CD-Verkäufen drastisch eingebrochen - beginnt das deutlich verjüngte Orchester mit seinem derzeitigen Chefdirigenten Simon Rattle die Live-Konzertübertragung in der sogenannten "Digital Concert Hall". Abrufbar für jedermann. Inzwischen gibt es sogar ein digitales Archiv.

"Mangel an Nachfrage"

Das Internet sollte helfen, dem Berliner Philharmonischen Orchester ein neues Publikum zu erschließen. Elitär, teuer und unattraktiv sei die Klassik, fand noch im März eine Studie des Forsa-Instituts heraus: Vor allem die jüngeren Generationen betrachteten klassische Musik in Deutschland distanziert. Kaum ist eine neue CD der Berliner Philharmoniker erschienen, ist sie im Handel auch schon als Schnäppchen zu haben. "Aufgrund solchen Mangels an Nachfrage wollen die Großkonzerne nicht zum tausendsten Mal jenes Repertoire von Mozart bis Schostakowitsch produzieren, aus dem die Sinfonieorchester nie herauskommen werden", kommentierte die "Berliner Zeitung" die Lage.

Nun haben die Berliner Philharmoniker, die bisher vor allem für die Deutsche Grammophon, die EMI und später SONY aufgenommen haben, das Geschäft selbst in die Hand genommen und ihr eigenes Label gegründet: Berliner Philharmoniker Recordings.

1980: Karajan und Anne Sophie Mutter bei AufnahmenBild: picture-alliance

"Unbekanntes Ziel"

"Die Musikindustrie hat sich unglaublich verändert in letzter Zeit. Es ist eine Reise mit unbekanntem Ziel", befindet Chefdirigent Simon Rattle in einer Videobotschaft. "Niemand weiß wirklich, was geschieht. Die Major-Labels scheinen ihr Profil und ihre Namen fast wöchentlich zu ändern. Wir kennen nicht die Zukunft der Tonaufzeichnung, aber jeder, der Jahr für Jahr in New York war und jetzt das Verschwinden von Tower Records entdeckt, muss denken: Okay, die Grundlagen scheinen sich zu ändern. Doch was kommt jetzt? Es wird sicherlich so wie auf anderen Gebieten der Musik kommen, die Menschen werden die Initiative übernehmen und Aufnahmen dann ganz einfach selbst veröffentlichen."

Sir Simon Rattle: "Zukunft ungewiss"Bild: picture-alliance/dpa

"Allerhöchste Qualität"

Berliner Philharmoniker Recordings startet mit den Sinfonien Robert Schumanns, dirigiert von Simon Rattle. Die edel in Leinen gebundene Erstausgabe ist technisch auf dem allerhöchsten Stand: Für knapp fünfzig Euro kauft man nicht nur zwei "traditionelle" CDs, sondern auch eine Blu Ray-Disc in "audiophiler Studioqualität", die Möglichkeit zum Download einer noch höher aufgelösten Version, den einwöchigen Zugang zur "Digital Concert Hall", ein ausführliches Booklet zur Schumann-Tradition des Berliner Orchesters, Interviews und Hintergrundreportagen.

"Wunderbare Chance"

Simon Rattle sieht in diesem Projekt für sein Orchester eine wunderbare Chance: "Die Schumann-Sinfonien hatten noch nie den Ruf eines todsicheren Bestsellers. Aber für uns als Berliner Philharmoniker, für die Musikaufzeichnung seit sechs Jahrzehnten so wichtig ist, gehört Schumann absolut zum Kernrepertoire. Wir glauben, wir haben einen besonderen Ansatz. Wir haben etwas Ungewöhnliches zu sagen. Wir haben einen sehr spezifischen Blick auf diese wundervollen Werke. Lasst uns das einfach mit anderen teilen! Und wir hoffen, das viele weitere Aufnahmen aus eigener Produktion folgen werden."

Schumann: Ein Bestseller?Bild: ullstein bild

"Beglückende Erfahrung"

Solo-Cellist Olaf Maninger, seit 2008 Geschäftsführer der Berlin-Phil Media GmbH, ist stolz, dass das eigene Label nach zehnjähriger Vorbereitung endlich Realität geworden ist: "Seit über 100 Jahren ist unser Orchester im internationalen Tonträgermarkt präsent. Nun haben wir die Möglichkeit, autonom die Wahl unseres Repertoires, die Produktausstattung und Vermarktung selbst zu gestalten."

Doch Tobias Möller, Leiter Marketing und Kommunikation der Berlin-Phil Media GmbH, dämpft all zu hohe Erwartungen - auch der Philharmoniker selbst: "Wir glauben natürlich nicht, dass wir mit unserem neuen Label die Umsätze der Hochzeit von LPs und CDs wieder erreichen werden. Aber wir hoffen auf einen großen Erfolg. Und gleichzeitig werden wir natürlich sehr genau die Entwicklungen in der Musikindustrie verfolgen." Die Produkte des eigenen Labels werden vor allem über die Internetseite der Berliner Philharmoniker vertrieben. "Wir haben direkten Kontakt zu einer weltweiten Basis von Musikliebhabern und Freunden des Orchesters", sagt Marketing-Leiter Möller. "Und wir müssen kaum noch Einnahmen an Groß- und Einzelhändler abtreten. Das ist aus ökonomischer Sicht einer der interessantesten Aspekte, ein eigenes Label zu haben!"

Ein neues Logo für Qualität?

"Wunderbares Gefühl"

Chefdirigent Simon Rattle freut sich über die neu dazugewonnene künstlerische Selbstbestimmung: "Für uns ist es ein wunderbares Gefühl, hier Verantwortung zu übernehmen. Es ist unsere Entscheidung. Diese Stücke wären vielleicht nicht die erste Wahl eines Wirtschaftsunternehmens, aber es ist gewissermaßen die Musik, die unserem Herzen am nächsten ist - lasst sie uns veröffentlichen! Ich finde das sehr aufregend. Und ich bin natürlich voreingenommen, aber für mich ist dies eine natürliche Weiterentwicklung der 'Digital Concert Hall'. Und ich bin sicher, dass künftig immer mehr Musik über Kanäle wie die 'Digital Concert Hall' verbreitet wird - On Demand wie bei Filmen. Die Menschen werden das zu Hause erwarten wie Heizung und Wasser." Wobei Rattle hofft, dass einige Neuproduktionen viel besser werden als die Annehmlichkeiten von Zentralheizung und Wasser.

Berliner Philharmoniker: Selbstbestimmt arbeitenBild: picture-alliance/dpa
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