Mit einer Gedenktafel erinnert Berlin an das Varietétheater Scala aus den 1920er Jahren. Hier tanzte man in den Goldenen Zwanzigern, der Blütezeit der Varietébühnen in Deutschland.
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Lachen und Staunen - Varieté-Theater in Deutschland
Sie sind weder Theater noch Zirkus: Komiker, Akrobaten oder die berühmten Showgirls sind die Attraktionen des Varietés. In Deutschland bringen sie das Publikum seit Ende des 19. Jahrhunderts zum Lachen und Staunen.
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Scala Berlin
Ihre erfolgreichste Zeit erlebt die Bühne in den 1920er und 30er Jahren. Im Programm der Scala-Festspiele von 1934 treten spanische Tänzer, Akrobaten, ein Jongleur und die Scala-Girls auf. Dazu gibt es Musik von den Orchestern Barnabás von Géczy und des Geigenstars Bernhard Etté. 1944 verbietet Reichspropaganda-Minister Joseph Goebbels "nichtkriegsmäßige Darbietungen" und die Scala muss schließen.
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Friedrichsbau Varieté Stuttgart
Auch dieses im Jahr 1900 gegründete Theater feiert in den 1930ern seine größten Erfolge. Damals treten die ganz großen Stars wie der Clown Charlie Rivel und die Tänzerin Josephine Baker auf. 1944 wird das Gebäude bei einem Bombenangriff zerstört, es schließt 1955. 1994 wiedereröffnet, holt Roncalli-Chef Bernhard Paul als künstlerischer Leiter Stars wie Max Raabe oder Robert Kreis auf die Bühne.
Ganz Las-Vegas-like präsentiert sich seit 1997 das Apollo Varieté in Düsseldorf. Unter dem Motto Show & Dine gibt es neben einem beeindruckenden Programm mit Artistik, Comedy und erotischen Burlesque-Shows auch Gaumenfreuden beim Abendessen. Wen diese Mischung an den Circus Roncalli erinnert, liegt richtig: Bernhard Paul ist auch Chef dieses Event-Theaters am Rhein.
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Astoria Bremen
Der Name des Varieté-Theaters lehnt sich am New Yorker Waldorf Astoria an. Der Gastronom Emil Fritz ist Anfang des 20. Jahrhunderts ein großer Bewunderer des Hotels und will einen Hauch Weltstadt-Flair nach Bremen bringen. Für deutsche Verhältnisse gelingt das auch: Internationale Stars wie die Rennfahrerlegende Rudolf Caracciola und Schauspieler Heinrich George sind im Apollo zu Gast.
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Hansa-Theater Hamburg
Der Illusionist und Bierbrauer Paul Wilhelm Grell eröffnet 1894 sein Varieté-Theater im Stadtteil St. Georg. Auch er setzt auf Darbietungen und Gastronomie. Lola Montez bringt damals mit ihrem erotischen Spinnentanz nicht nur das Hamburger Publikum um den Verstand, sondern verdreht damit auch dem bayerischen König Ludwig I. den Kopf. Heute wird das Hansa im Winter als Varieté-Bühne genutzt.
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Krystallpalast Varieté Leipzig
Was Ende des 19. Jahrhunderts in Hamburg funktioniert, wird damals auch in der Sachsenmetropole Leipzig mit großem Zuspruch angenommen. Der Palast öffnet allerdings schon sechs Jahre vor dem Hansa-Varieté. Das Gebäude aus Glas und Eisen hat einen Theatersaal für 800 Besucher. Damals ist der Komplex die größte Vergnügungsstätte Deutschlands. Heute garantieren Dinnershows den geschäftlichen Erfolg.
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Georgspalast (GOP) Hannover
1947 pachtet der Unternehmer Wilhelm Hirte den Georgspalast und eröffnet ein Jahr später das Varieté. Die ganz großen Stars der Nachkriegszeit treten hier auf der kleinen Bühne auf: Film-Bösewicht Gert Fröbe und Marika Rökk begeistern das Publikum. In den 1960ern muss sich der GOP der neuen Konkurrenz des Fernsehens geschlagen geben und schließt. 1992 eröffnet es in alter Kleinkunst-Tradition.
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Friedrichstadt-Palast Berlin
1919 eröffnete das Große Schauspielhaus in einer ehemaligen Markt- und anschließenden Zirkushalle als Revuetheater. Nach dem Krieg wurde es in Friedrichstadtpalast umbenannt und unter staatlicher Leitung der DDR fortgeführt. Nach einer Grundwasserabsenkung musste das Haus 1980 schließen, seit 1984 gibt es rund 200 Meter entfernt den neuen Friedrichstadt-Palast.
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Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) enthüllte die Tafel am einstigen Standort der Bühne in der Schöneberger Martin-Luther-Straße gemeinsam mit dem Historiker Michael Wolffsohn. Letzterer ist Initiator des Gedenkplatzes und Enkel des einstigen Scala-Betreibers Karl Wolffsohn, der in der NS-Zeit enteignet wurde und nach Palästina flüchtete.
Der Verleger und Kinobetreiber Wolffsohn hatte die Scala 1919 mit anderen, überwiegend jüdischen Geschäftsleuten gegründet, bald darauf verkörperte die Bühne die sogenannten Goldenen Zwanziger in Berlin: "… und abends in die Scala" war ein geflügeltes Wort jener Zeit, die Comedian Harmonists traten auf, die Artisten und Akrobaten sowie die Scala-Girls sorgten für Zerstreuung und "Amüsemang". Es war das hedonistische Berlin, wie es zuletzt Tom Tykwers Serie "Babylon Berlin" nachzeichnete: gerade der Inflation entkommen und selbstvergessen in die Weltwirtschaftskrise taumelnd, der das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte folgen sollte.
Theater und Zirkus in schummrigem Licht
Das Varieté war ab 1890 nach Deutschland gekommen, zu jener Zeit machte vor allem das Pariser Moulin Rouge mit langen Beinen, kurzen Röcken und dem im 2/4-Takt getanzten Cancan von sich reden. In Deutschland erlangte das Varieté seine Blütezeit in den 1920er Jahren. Übersetzt "Vielfalt" oder "Abwechslung", bot das Varieté eine bunte Mischung aus Theater, Zirkus und Tanz, dargeboten in schummrigem Licht, mit teils pompöser Ausstattung und begleitet von Speis und Trank. Besonders beliebt waren damals komische Darbietungen und schräge Figuren.
In Berlin ging man neben der Scala ins Plaza, in den Wintergarten oder das Große Schauspielhaus, das Jahrzehnte später zum Friedrichstadtpalast werden sollte. In Düsseldorf gingen die Vergnügungssüchtigen ins Apollo, in Bremen ins Astoria und in Hamburg ins Hansa.
Einen kleinen Eindruck vom Entertainment der 1920er Jahre erhalten Sie beim Rundgang durch unsere Bildergalerie.