Berlins Meister der Museen
21. Februar 2004Herzlich Willkommen zum Interview im Journal auf DW-TV. Lille und Genua werden die Kulturhauptstädte 2004 sein. Die heimliche Kulturmetropole Europas in diesem Jahr könnte Berlin aber werden. Und genau darüber wollen wir jetzt mit einem der großen Kulturmacher in Berlin, in der deutschen Hauptstadt, reden. Peter-Klaus Schuster, der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Schön, dass Sie da sind.
Ich freu mich sehr.
Herr Schuster, alles fängt an in diesem Jahr mit „Das MoMA in Berlin“ – eine Riesenschau zur Kunst des 20. Jahrhunderts aus dem Museum of Modern Art in New York ist zu Gast in dieser Stadt für viele Monate. Schirmherren sind der deutsche und der amerikanische Außenminister Colin Powell und Joschka Fischer. Ist das jetzt noch ein Kunstereignis oder schon ein Polit-Event?
Das ist ein Kunstereignis mit einem Annex, den wir nennen „american season“. Und dies thematisiert diese ungestörte Sympathie zwischen Berlin - New York allemal - emotional eine große Freundschaft, eine Liebe Berlins zu New York und natürlich Deutschland - Amerika.
Kritiker sagen, es geht doch eigentlich um Cézanne, Matisse, Richter, Rothko. Wird da die Kunst nicht überfrachtet mit zu hohen Ansprüchen?
Die Ansprüche an die Kunst können gar nicht hoch genug sein und es ist natürlich ein Lesen auch von Verhältnissen und kulturhistorischen Bezügen durch eine magistrale Sammlung. Man kann sich ja fragen, warum ist das MoMA so sehr in der Sammlung eurozentrisch und wann beginnt das amerikanische in dieser Sammlung? Und all diese Fragen können wir erörtern und darüber sprechen wir und von daher ist das auch ein, das muss man so sehen, ein großes Geschenk eines amerikanischen Museums an Berlin und anhand dieser Sammlung eine Zeitreise, die wir gemeinsam Amerika - Deutschland, Berlin - New York beginnen.
Für 500.000, 600.000 Zuschauer.
Das ist eine Zahl. Es ist ja auch Geld, man kann sagen, einiges Geld im Spiel und es muss ja auch verdient werden. Und 500.000 Besucher wären so der Punkt Break-Even, man hat es wieder raus.
Wie kam diese Ausstellung eigentlich nach Berlin. Es gab andere Bewerber – London, Paris - warum Berlin?
Im Vorfeld war es relativ offen. Das MoMA, wusste man, wollte ne große Tournee machen: Tokio, Madrid, all diese Städte, und dann sagten wir, aber da darf man Berlin nicht vergessen. Und dann ist es dem Vorsitzenden der Freunde der Nationalgalerie, Peter Raue, gelungen zu sagen: Es kann nur Berlin sein. Und das hat auch einen historischen Sinn, weil Alfred Barr, der Gründungsdirektor des MoMA, seine entscheidenden Anregungen in den Zwanziger Jahren aus Deutschland empfangen hat. Es ist sozusagen „MoMA in Berlin“ ist, das MoMA kommt zurück zu dem Ort seiner Anregung.
Wo der Impuls entstanden ist dafür, eigentlich damals in den Zwanziger Jahren. Es bleibt aber nicht bei MoMA dieses Jahr, es passiert noch sehr viel mehr. Helmut Newton, das Lebenswerk kommt nach Berlin. Er ist im Januar tödlich verunglückt. Was bedeutet diese Sammlung für die Stadt?
Man kann das schon im Zusammenhang mit dem MoMA sehen. Der Kanon des MoMA ist sehr von Frankreich aus orientiert und dann die Frage, ist das überhaupt der verbindliche Kanon, gibt es nicht andere Kunstwerke? Und einer dieser anderen Kunstwerke, das ist Helmut Newton. Helmut Newton ist dieser Blick von Berlin auf das 20. Jahrhundert: Ein verstörter Blick, ein aufregender Blick und mit Helmut Newton ein internationaler Blick geworden. Und von daher, wir sind natürlich sehr aufgeregt, dieses Haus für Helmut Newton im Juni zu begründen und es ist eine Heimkehr - wir hätten uns es nicht anders gewünscht.
Also, ab Juni ist die Sammlung des weltberühmten Fotografen in der Stadt. Ab Herbst kommt auch noch die Flick-Collection.
Ja, und wir sehen es auch als Fortsetzungsgeschichte zum MoMA.
Goutieren die Besucher das. Nehmen die das auch wirklich in Anspruch? Wie sehen da die Zahlen aus?
Absolut. Die Berliner sind neugierig, sie sind wahnsinnig neugierig, sie sind respektlos und neugierig und von daher, die Moderne hat immer eine Chance, zuerst in Berlin. Und dann ist es bei unseren Besuchern so, ein ganz großer Anteil sind Touristen, Ferntouristen und aus der Bundesrepublik und die Zahl ist steigend, absolut steigend. Was sie sonst von deutschen Museen lesen, ist mehr Schwierigkeiten. Wir haben vom vergangenen Jahr auf dieses Jahr ungefähr 11 Prozent mehr Besucher, wir sind jetzt bei dreieinhalb Millionen, etwas mehr, und wir denken, dass wir auf der Zeitschiene zu 4, 5 und 6 Millionen kommen.
Wir haben vorhin über das MoMA gesprochen. Das schickt seine Sammlung, wie hier in Berlin, auf Reisen gegen sehr viel Geld. Wir machen die Berliner das mit ihren Kulturschätzen. Schicken wir das auch in die ganze Welt oder behalten wir das für uns?
Nein, wir schicken es auch. Wir haben diese Formel „Berlin connects“ - Berlin verbindet, und ich muss auch sagen, wir sind ja auch eines der ganz großen Museen dieser Welt, vielleicht das größte Universalmuseum, und von daher suchen wir diesen Austausch, auch dieses Metropolen-Spiel, wenn man so will. An den großen Plätzen der Welt, mit den großen Museen der Welt zusammen, aber als ein Nationalmuseum, was wir eigentlich sind, finden wir es als Teil unserer kulturpolitischen Aufgabe, wir machen es nicht für Geld. Sondern wir machen es, um diese einzigartige Sammlung zu zeigen, dieses einzigartige großartige Museum Berlin und natürlich dann auch Deutschland.
Mit großem Erfolg gerade auch in Brasilien.
Brasilien, in Rio de Janeiro mit unserer Sammlung schwarzafrikanischer Skulptur und wir werden das tun im Jahr 2005, das Deutsche Jahr in Japan in Tokio mit zwei großen Ausstellungen. Wir sind in enger Beziehung mit dem Centre Pompidou und wir denken auch, dass wir solche Dinge machen wie Berlin – Wien, Frankreich - Deutschland.
Berlin hat noch ganz andere Probleme zu lösen. Mitten in der Stadt einzigartig das UNESCO Weltkulturerbe, die Museumsinsel, daneben der Schlossplatz, ohne Schloss, aber mit Ruine. Was soll daraus werden? Das ist ja vielleicht der symbolträchtigste Ort Deutschlands.
Ja, man kann sagen es ist die Mitte der Mitte. Und es ist in der Tat die alte Staatsmitte und immer war es so gewesen, dass die Museen dieses Revier des gebildeten Bürgertums war, vis-á-vis des Schlosses, vis-á-vis der Regierung, gegenüber auch dem Dom, gegenüber dem Zeughaus der Armee. Und die einzigartige Disposition, die wollen wir wieder zum Sprechen bringen, sozusagen diese geistige Mitte in einer Hauptstadt, die sich erst wieder als Hauptstadt finden muss. In einer neuen, alten Hauptstadt in einem wiedervereinten Deutschland. Von daher, es sind alles Rollen, die neu gefunden werden müssen und ich denke, dass die Stadt, die Museen, dieser große Komplex, dieses große Nationalmuseum, 16 Museen in einer Institution dort am richtigen Platz sind.
Große Visionen. Dem stehen gegenüber leere Kassen. Ist das finanzierbar?
Also alle Visionen sind nicht finanzierbar , das ist ja auch das schöne bei Visionen, sie greifen dem Möglichen voraus. Aber man muss es schon sagen: Die Finanzierung der Staatlichen Museen als eine föderale, zwei Drittel Bund, ein Drittel alle Länder, dass ist ein idealer Zustand und der ist gesichert und von daher wir gehen da voran. Wir sind da guten Mutes. Sehen Sie, Elite-Institut, ich glaube, das sind die Staatlichen Museen zu Berlin. Der Kanzler hat gesagt, wir subventionieren nicht, sondern wir investieren in die Zukunft auf der Museumsinsel und das finden wir, ist der richtige Weg.
Sie haben immer wieder den Selbsthass der Deutschen beklagt, der sich daran zeige wie Deutschland mit seiner Hauptstadt umgehe. Gehen wir so schlecht mit Berlin um? Wenn man sich hier umschaut, sieht es doch eigentlich ganz schön aus.
Ich glaube, das ist ein doppeltes Argument. Die Bevölkerung, wenn man es so sagen darf, die Bevölkerung ist wahnsinnig aufgeregt und neugierig auf Berlin und betrachtet Berlin wie ein aufgeschlagenes Geschichtsbuch, dieses aufregende 20. Jahrhundert. In der politischen Klasse gibt es so was wie ein Wechsel. Berlin war noch bis vor kurzem das Schaufenster des freien Westens, inzwischen nehmen die Probleme natürlich zu und von daher gibt es so etwas wie: Alle Schwierigkeiten sind in Berlin, schon wieder in Berlin - das ist ein Zentralgedanke, der uns nicht liegt und der auch seine Grenzen hat und von daher gibt es schon sehr viel Vorbehalt. Und da müssen wir von runter und ich denke, die Staatlichen Museen als eine föderale Einrichtung sind da auch richtig und das auch wirklich so als eine Bühne der anderen in Berlin das zu konterkarieren, dieser Reichtum Deutschlands und dieser Reichtum dieses einen großen Museums, den sich alle leisten.
Kulturhauptstadt Berlin, die Perspektiven für 2004 und danach. Vielen Dank für das Gespräch, Peter-Klaus Schuster.
Herzlichen Dank.