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Berlusconi muss ins Altenheim

Veronica Over16. April 2014

Der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi soll zehn Monate als Altenpfleger arbeiten. Viele lachen darüber, andere sind verärgert. Ihm selbst eröffnen sich durch das Urteil ganz neue Möglichkeiten.

Silvio Berlusconi Archivbild 2013
Bild: Reuters/Alessandro Bianchi

"Oh nein, ich werde mich wegdrehen, wenn ich ihn sehe!" Die Rentnerin aus Cesare Boscone in der Lombardei reagiert empört auf den prominenten Altenpfleger, der demnächst in der "Fondazione Sacra Famiglia" seinen Dienst ableisten wird. Andere dagegen freuen sich darauf, dass Silvio Berlusconi in den kommenden zehneinhalb Monaten vier Stunden Sozialdienst pro Woche in ihrem Dorf ableisten soll: "Er ist sympathisch, ich habe ihn immer gewählt", erzählt eine andere Seniorin.

Der Europäische Gerichtshof in Strasbourg hat am Dienstag (15.4.2014) erneut den Antrag abgelehnt, mit dem der ehemalige italienische Ministerpräsident eine Aussetzung des Ämterverbots gefordert hatte, das gegen ihn mit dem Urteil wegen Steuerbetrugs verhängt worden war. Damit kann Berlusconi seine Hoffnung, bei den EU-Wahlen am 25. Mai kandidieren zu dürfen, endgültig begraben und muss die gegen ihn verhängte Strafe antreten.

Berlusconi verliert erneut

Es ist die zweite Niederlage des Ex-"Cavaliere" innerhalb einer Woche. Zuletzt hatte der Europäische Gerichtshof die Beschwerde gegen das Anti-Korruptions-Gesetz abgewiesen, die Berlusconis Anwältin Ana Palacio gemeinsam mit Unterschriften seiner Forza-Italia-Anhänger eingereicht hatte. Genau dieses Gesetz hatte ihn im November seinen Sitz im Senat gekostet.

Nun muss der Politiker, der erst kürzlich den Sozialdienst als eine Demütigung bezeichnet hat, als Altenpfleger in der Fondazione Sacra Famiglia arbeiten.

Die Einrichtung für alte und behinderte Menschen ist gut 30 Kilometer von seiner prunkvollen Villa in Arcore entfernt. Der kleine Ort im Hinterland Mailands ist dem "Cavaliere" nicht ganz unbekannt. Es ist ironischerweise der Heimatort von Massimo Tartaglia, der Silvio Berlusconi 2009 mit einem Souvenir in der Piazza Duomo in Mailand angegriffen und verletzt hatte.

In der "Instituzione Sacra Famiglia" in der Lombardei muss der Ex-"Cavaliere" Sozialdienst leistenBild: Olivier Morin/AFP/Getty Images

Zurückhaltender Empfang

In dem Seniorenheim war von Begeisterung nichts zu spüren, als die Nachricht von dem neuen Helfer die Runde machte. "Ich glaube nicht, dass er hier reinpasst", sagt eine Mitarbeiterin gegenüber dem italienischen Fernsehen. "Allerdings wird er in Kontakt mit einer anderen Realität kommen, die er nicht kennt. Vielleicht tut ihm das ganz gut."

Nicht alle sind jedoch so zuversichtlich."Einen halben Tag in der Woche, was für eine Rehabilitation soll das denn sein?" fragt eine Besucherin. “Ich glaube kaum, dass das was bringen wird“.

20 Tage Arbeit in zehn Monaten

Rechnet man die Gesamtstundenzahl aus, so muss Berlusconi tatsächlich nur knapp 21 Tage arbeiten. Nach Ansicht vieler Italiener, darunter auch Politiker, wäre ein gewöhnlicher Bürger in derselben Situation vermutlich härter bestraft worden.

Felice Casson, ehemaliger Richter und Senator der sozialdemokratischen PD-Fraktion, sieht es genauso: “Ich kann nachvollziehen, dass es für Normalbürger nur schwer zu verstehen ist, wie man zu so einer milden Strafe kommen konnte. Als ehemaliger Richter bin ich selbst etwas perplex über dieses Urteil. Ich kann mir das nur so erklären dass die Mailänder Richter Berlusconis politische Aktivitäten berücksichtigt haben.“ Er vermute, man habe den Vorwurf eines "politischen" Urteils vermeiden wollen. “Eine Wahlkampagne zu beeinflussen, hätte zu Protesten und Kontroversen geführt. Ich denke, das wollte das Gericht verwerfen“, so Casson.

Casson: "Bin perplex über das milde Urteil"Bild: Andreas Solaro/AFP/Getty Images

Berlusconis Anwälte äußerten sich zufrieden über das Urteil. Kein Wunder, denn der 77-jährige Milliardär, im vergangenen August in der Affäre Mediaset rechtskräftig verurteilt, muss wegen seines hohen Alters weder ins Gefängnis, noch wurde er unter Hausarrest mit den dazugehörigen strengen Auflagen gestellt. Stattdessen darf er zu beruflichen Zwecken sogar nach Rom reisen, obwohl er eigentlich die Lombardei nicht verlassen darf. Das bedeutet, Berlusconi kann sich weiterhin politisch frei bewegen und die Wahlkampagne hinsichtlich der Europawahlen am 25. Mai für Forza Italia führen, auch wenn er nicht selbst kandidieren darf.

Hohn und Spott im Internet

Auf Facebook und Twitter zirkulieren derweil unzählige Gags über Berlusconis bevorstehende Aufgabe. Posts mit Fotomontagen, in denen Berlusconi mit Witzen die älteren Menschen unterhält oder mit Krankenschwestern flirtet, überschwemmen das Internet.

Doch auch an bissigen Kommentaren mangelt es nicht: “Die armen Menschen im Altenheim, sie sind diejenigen, die bestraft wurden.“ Oder: “Berlusconi wird das Altenheim für seine Wahlkampagne ausnutzen“, twittern viele. Vermutlich haben sie Recht, denn Berlusconi ist ein Medienprofi und wird versuchen, sein Image durch den Sozialdienst aufzupolieren.

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