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Berufstätige Mütter: Armutsfalle Kinder

Elizabeth Schumacher
27. August 2022

Mütter in Deutschland arbeiten häufig in Teilzeit oder gar nicht - oft gegen ihren Wunsch. Für ​Väter gilt das nicht. Doch es fehlt der politische Wille, das zu ändern.

Symbolbild | Homeoffice mit Kind
Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Kinderbetreuung in Deutschland wird im Ausland oft als Modell angepriesen, das sowohl erschwinglich als auch gut für berufstätige Eltern ist. Tatsächlich aber sehen sich viele Mütter, die ihre Karriere mit Elternschaft vereinbaren wollen, in einem System, das darauf angelegt zu sein scheint, sie ganz vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.

"In unserem Ort gibt es mindestens 40 Kinder, die keinen Kindergartenplatz haben", sagt Julia, eine berufstätige Mutter, die im Südosten Deutschlands lebt, "und das, obwohl der Staat gesetzlich verpflichtet ist, Kinderbetreuung für Kinder über drei Jahren anzubieten. Doch die Kommunen bewerben die Arbeit im Kindergarten nicht und tun nichts, um sie attraktiver zu machen. Die Kinder, die einen Platz bekommen, sind in übergroßen Gruppen untergebracht, und wenn eine Mitarbeiterin krank wird oder ausfällt, was angesichts der schlechten Bezahlung und Arbeitsbedingungen verständlich ist, haben diese Familien einfach Pech."

Die 38-jährige Gymnasiallehrerin fügt hinzu: "Wenn man kein Kindermädchen oder keine Tagesbetreuung findet, kann man natürlich die Gemeindeverwaltung verklagen, aber die meisten Leute tun sich diesen Stress nicht an, um am Ende vielleicht einen Platz zu bekommen, der 90 Autominuten entfernt ist."

Druck auf Frauen, Teilzeit zu arbeiten

Susanne Kuger, Expertin für Kinderbetreuung beim Deutschen Jugendinstitut (DJI), bestätigt, dass "die Zahl der Familien, die tatsächlich vor Gericht ziehen, äußerst gering ist" und sie sich stattdessen dafür entscheiden, "die Kinder zu den Großeltern zu schicken oder für teure private Kindertagesstätten und Kindermädchen zu bezahlen, wenn sie dazu in der Lage sind. Wenn das nicht möglich ist, muss ein Elternteil, in der Regel die Mutter, seine Arbeitszeit reduzieren oder die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz ganz aufschieben."

Sie sagt, dass "jede Tagesmutter und jede Kindertagesstätte ihre eigenen Öffnungszeiten festlegen kann", ob dies einer Vollzeitstelle förderlich ist oder nicht, und dass oft der Druck besteht, die Kinder bis spätestens 14 Uhr abzuholen.

Deutschland – Rolle rückwärts für die Gleichberechtigung

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Im Jahr 2022 werden in Deutschland weit über eine Million Vollzeitarbeitsplätze zu besetzen sein. Ein Vorschlag ist, einige der elf Millionen Teilzeitbeschäftigten - 80 Prozent von ihnen sind Frauen - in diese Vollzeitstellen zu befördern. Als größte Hürde erweist sich jedoch die Kinderbetreuung.

In einer breit angelegten Studie des DJI aus dem Jahr 2020 gaben 49 Prozent der Eltern mit Kindern unter drei Jahren an, dass sie eine Kinderbetreuung benötigten. Von diesen konnten nur 24 Prozent die benötigte Stundenzahl mit einer Kinderfrau oder einer Tagesmutter abdecken. Für Kinder über drei Jahren benötigten 97 Prozent eine Betreuung, und nur 71 Prozent der Eltern gaben an, dass sie die erforderlichen Stunden bekamen.

Doch bei vielen Eltern, die behaupteten, die nötige Kinderbetreuung zu bekommen, hat ein Elternteil in Wahrheit nur akzeptiert, dass er, wenn er überhaupt wieder arbeiten kann, in Teilzeit arbeiten muss.

"Die Erwartung ist klar, dass bei heterosexuellen Paaren dieser Elternteil die Mutter ist", sagt Julia, die ihre Arbeitszeit reduzieren musste, nachdem die Kommunalverwaltung ein halbes Jahr gebraucht hatte, um auf ihren Antrag auf Kinderbetreuung zu reagieren. "Es ist eine extrem schwierige Situation, wenn man keine Unterstützung hat, wie beispielsweise Großeltern, die in der Nähe wohnen und bereit und in der Lage sind, die Kinderbetreuung zu übernehmen."

Hohe Hürden für Zuwandererfamilien

Noch gravierender ist das Problem für Zuwandererfamilien ohne dieses soziale Unterstützungsnetz, sagt Alexandra Jähnert vom DJI. "Das System der Anmeldung von Kindern für die Betreuung ist komplex, in der Regel nur in kompliziertem Bürokratendeutsch verfügbar, und es fehlt oft an Unterstützung für Familien, die mit der Arbeitsweise deutscher Behörden nicht vertraut sind", sagt sie und fügt hinzu, dass das Geflecht unterschiedlicher Gesetze und Möglichkeiten in 16 verschiedenen Bundesländern und unzähligen Kommunalverwaltungen die Hürden für Zuwanderer noch höher macht. Dies führt auch zu stark variierenden Kosten, wobei die Betreuung in einigen Städten Hunderte von Euro pro Monat kostet, während sie in anderen völlig kostenlos ist.

Nicht jede Familie bekommt in Deutschland einen Kita-Platz für ihre Kinder Bild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Jähnert sagt, dass es sowohl für zugewanderte Frauen als auch für deutsche Staatsbürgerinnen "den Teufelskreis gibt, dass Kindertagesstätten Paare bevorzugen, bei denen beide Elternteile arbeiten. Wenn man aber keinen Betreuungsplatz findet, kann man auch keinen Job finden oder zu seinem alten zurückkehren."

Deutsche Steuersystem ist frauenunfreundlich

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2020 ergab, dass bereits vor der Corona-Pandemie, die mehr Frauen dazu zwang, zu Hause zu bleiben, "die Geburt von Kindern Mütter bis zu zwei Drittel ihres Lebenseinkommens kostet". Die Gründe dafür: geringes Gehalt während der Elternzeit, der Tatsache, dass sie gezwungen sind, Teilzeit zu arbeiten oder zu Hause zu bleiben, sowie eine Besonderheit des deutschen Steuersystems, die als "Ehegattensplitting" bekannt ist - wobei alle drei Faktoren auch die Rentenzahlungen im späteren Leben verringern.

Das Ehegattensplitting bedeutet, dass Ehepaare in verschiedene Steuerklassen eingestuft werden können, wodurch ein Ehepartner deutlich mehr einzahlt als der andere (in der Regel ist dies die Frau). Das bedeutet, dass das Paar insgesamt weniger Steuern zahlt, aber ein Partner am Ende des Monats ein viel geringeres Nettoeinkommen nach Hause bringt. Für viele ist dies nur ein weiterer Anreiz, mit kleinen Kindern zu Hause zu bleiben, anstatt jeden Cent des verbleibenden Einkommens für die Kinderbetreuung auszugeben.

"Daher ist es nicht verwunderlich, dass durch das Ehegattensplitting vor allem viele Frauen gar nicht oder wenig arbeiten", schreibt der Ökonom Marcel Fratzscher in der "Zeit". Und fügt hinzu: "Studien zeigen, dass in keinem anderen Industrieland - außer Belgien - die Effekte des Steuersystems größere negative Effekte auf die Arbeitszeit haben als in Deutschland."

Kind oder Karriere? 

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Ähnliche Studien zeigen, dass Mütter auf dem deutschen Arbeitsmarkt viel seltener als Väter zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden und viel seltener so viele Stunden arbeiten, wie sie gerne würden. Dies wirkt sich auf ihre Rentenzahlungen aus und treibt sie in die Altersarmut.

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) arbeiteten im Jahr 2021 69 Prozent der Mütter mit Kindern unter drei Jahren überhaupt nicht, obwohl nur 27 Prozent dies wollten. Etwa 21 Prozent arbeiteten weniger als 20 Stunden pro Woche, so das IW, was größtenteils am Mangel an geeigneter Kinderbetreuung liegt.

"In den letzten 20 Jahren hat sich das Rollenbild der Mütter in Deutschland sehr stark gewandelt", schreibt Studienautor Wido Geis-Thöne, vor allem im Selbstverständnis der Frauen nach der Geburt von Kindern. Der deutsche Arbeitsmarkt habe jedoch noch einen großen Nachholbedarf, um den Wunsch der Frauen nach einer Rückkehr in die Vollzeitarbeit zu realisieren.

Auch die Kinderbetreuungsmöglichkeiten müssten ausgebaut werden, um diese Vollzeitarbeit zu ermöglichen. "Tagespflegepersonen müssen besser bezahlt werden, bessere Aufstiegsmöglichkeiten haben und der Beruf selbst sollte so verändert werden, dass eine bessere Ausbildung des Personals und ein höheres Ansehen des Berufs gefördert werden", so Susanne Kuger.

"Deutschland braucht 160.000 neue Mitarbeitende, um den Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen in den kommenden Jahren zu decken", fügt sie hinzu. Während es auf lokaler Ebene viele Initiativen gibt, um die Zahl der Kinderbetreuungseinrichtungen und des Personals zu erhöhen, ist ein viel größerer Anstoß auf der Landes- und Bundesebene erforderlich, wenn Deutschland die Gleichstellung von berufstätigen Müttern und Vätern fördern will.

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