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Berufsverbot für russischen Deutschlehrer

Julia Wischnewezkaja/Roman Goncharenko22. Juli 2015

Wegen eines proukrainischen Gedichts landete ein Deutschlehrer aus der russischen Provinz auf der Anklagebank. Ähnlich geht es einem Schlosser und einer Sängerin: Andersdenkende werden in Russland unter Druck gesetzt.

Alexander Bywschew (Foto: DW)
Bild: DW

Wer die Kreml-Politik gegenüber der Ukraine auch nur in Frage stellt, muss in Russland mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Für Alexander Bywschew heißt das: ein zweijähriges Berufsverbot, 300 Stunden sogenannter Besserungsarbeit und ein konfiszierter Laptop. Ein Gericht im Städtchen Kromsk in Orjol-Gebiet hat den 43-jährigen Deutschlehrer in der vergangenen Woche schuldig gesprochen. Mit seinem Gedicht gegen die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim habe er Hass gesät und menschliche Würde verletzt, so das Urteil.

Bywschew schrieb sein Gedicht am 1. März 2014. An diesem Tag erteilte der Föderationsrat - das Oberhaus des russischen Parlaments - dem Präsidenten die Erlaubnis für den Armeeeinsatz in der Ukraine. Der russische Hobbydichter appellierte im Internet an "die ukrainischen Patrioten", Widerstand zu leisten.

Beschimpfungen von Freunden, Steine ins Fenster

Er habe früher kein Geheimnis aus seinen oppositionellen Ansichten gemacht, sagte Bywschew der DW: "Mit Kollegen in der Schule hatte ich trotzdem gute Beziehungen". Das habe sich nach einem Zeitungsartikel geändert.

"Für solche 'Patrioten' gibt es keinen Platz in Russland" - ein Artikel mit dieser Überschrift erschien Ende März 2014 in einer Lokalzeitung. Bywschew wurde vorgeworfen, mit seinem Krim-Gedicht die Russen beleidigt zu haben. Danach sei sein Leben zur Hölle geworden. "Kollegen, mit denen ich befreundet war, beschimpften mich bei Gerichtssitzungen", berichtet er. Immer wieder warfen Unbekannte Steine in die Scheiben seines Hauses. Schüler grüßten nicht mehr. Und seine Cousine sagte: "Wenn es nach mir ginge, würde ich dich hinter Gitter bringen."

Nun will der ehemalige Lehrer das Urteil bei einem höheren Gericht anfechten. Sein Leben dürfte jedoch kaum besser werden. Wegziehen aus der kleinen Gemeinde kann er aus familiären Gründen nicht. "Meine Bankkonten sind gesperrt, denn ich bin nun auf der Liste von Terroristen und Extremisten gelandet", sagt er.

Sympathien für Ukraine unerwünscht

Menschen wie Bywschew sind im heutigen Russland eine Minderheit. Laut Umfragen halten mehr als 80 Prozent die Politik von Präsident Wladimir Putin für richtig, besonders auf der Krim. Umso mehr Aufmerksamkeit bekommen Fälle, in denen Andersdenkende unter Druck gesetzt werden.

Auf der von Russland besetzten Krim wurde Mitte Juli ein Schlosser wegen "Anstiftung zur Gewalt" verurteilt. In einem Gespräch mit Kollegen sagte er, die Krim werde wieder ukrainisch werden. Ein Gericht verurteilte ihn zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Anfang Juni sorgte die Geschichte des 17-Jährigen Wladislaw Kolesnikow aus der russischen Stadt Podolsk für Aufsehen. Der Student einer Fachhochschule trug auf seinem T-Shirt die blau-gelbe ukrainische Flagge und sprach öffentlich über die Annexion der Krim und die russische Beteiligung am Krieg in der Ostukraine. Er wurde exmatrikuliert und erlebte wüsste Beschimpfungen. Der Großvater, bei dem Kolesnikow wohnte, schickte ihn zurück zu seinem Vater.

Alexander Bywschew will das Urteil anfechtenBild: DW

Rocksängerin wegen ukrainischer Flagge beschimpft

Das jüngste und prominenteste Beispiel kommt aus dem Musikgeschäft. Eine der beliebtesten Rocksängerinnen Russlands mit dem Künstlernamen Semfira steht derzeit massiv unter Druck. Bei einem Konzert in Georgien hat ihr jemand eine ukrainische Flagge gereicht. Semfira nahm die Flagge und befestigte sie am Mikrofon, ohne etwas zu sagen.

Seitdem wird sie in russischen Medien beschimpft und beschuldigt. In der südrussischen Stadt Rostow wurde Mitte Juli gegen Semfira eine Anzeige erstattet, wegen einer angeblichen Beleidigung bei einem Konzert vor zwei Jahren. Die Polizei prüft nun die Vorwürfe.

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