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Politik

Orbáns Allianz mit Erdogan

7. November 2019

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan besucht zum wiederholten Mal Ungarns Premier Viktor Orbán. Die beiden pflegen ein enges Verhältnis - und haben viele gemeinsame Interessen.

Ungarn Staatsbesuch Tayyip Erdogan bei Viktor Orban
Bild: Reuters/B. Szabo

Ungarns Premier Viktor Orbán lässt an seinen politischen Präferenzen keine Zweifel aufkommen. Er bewundert starke, autoritäre Führerpersönlichkeiten. Er sieht in illiberalen Staaten wie Russland, China, der Türkei und Singapur Erfolgsmodelle, an denen sich Ungarn ein Beispiel nehmen sollte. Und wie kein anderer Spitzenpolitiker der Europäischen Union pflegt er enge, freundschaftliche Beziehungen zu umstrittenen Staats- und Regierungschefs.

In der vergangenen Woche war der russische Staatspräsident Wladimir Putin auf Einladung Orbáns in Budapest zu Gast - zum vierten Mal seit 2015. Am heutigen Donnerstag (7.11.) nun empfängt Ungarns Premier einen weiteren Gast, zu dem andere EU-Staaten seit längerem lieber auf Distanz gehen: den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

Orbán und Erdogan pflegen seit vielen Jahren ein enges, freundschaftliches Verhältnis, Erdogan ist zum dritten Mal seit 2013 in Budapest. Auch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten haben sich die beiden in den vergangenen Jahren zu bilateralen Gesprächen getroffen, zuletzt vor drei Wochen beim Gipfel des Kooperationsrates der türkischsprachigen Staaten in Baku.

Immer wieder Signale an die EU 

Der wichtigste Aspekt des Besuches dürfte aus ungarischer Sicht ein politisches Signal Orbáns an die EU sein. Ungarns Premier hat bereits seit vielen Jahren, besonders aber seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 klar gemacht, dass er fest zu Erdogan steht - notfalls gegen die gesamte EU. So etwa verteidigte Ungarns Regierung 2013 das brutale Vorgehen des türkischen Staates bei den regimekritischen Protesten. Orbán gratulierte Erdogan 2017 als erster EU-Regierungschef zum umstrittenen türkischen Verfassungsreferendum sowie im vergangenen Jahr zur Wiederwahl als Präsident. Vor einigen Wochen blockierte Ungarn eine EU-Resolution, die den Einmarsch der Türkei in Syrien und den Angriff auf dortige kurdisch kontrollierte Gebiete scharf verurteilen wollte. Am Ende konnte nur eine sehr abgeschwächte Version verabschiedet werden.

Orbán begründet diese Haltung damit, dass die Türkei der wichtigste strategische Partner Europas bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und bei der Bekämpfung des islamischen Terrorismus sei. Ungarns derzeitige außenpolitische Doktrin lautet: das Land stehe seit eintausend Jahren im Spannungsfeld dreier Pole - Berlins, Moskaus und Istanbuls - und zu allen dreien müssten jeweils besonders aufmerksame Beziehungen gepflegt werden. Während jedoch die Beziehungen mit Berlin seit längerem äußerst frostig und mit Moskau zwar freundschaftlich, aber pragmatisch sind, könnte man das Verhältnis zwischen Orbán und Erdogan fast herzlich nennen.

Ziemlich gute Freunde: Orban (links) zu Gast bei Erdogan im Juni 2017 Bild: picture-alliance/AP Photo/Presidential Press Service

Wirtschaftlich spielt die Türkei für Ungarn bisher eine eher untergeordnete Rolle, daher liegt ein Schwerpunkt von Erdogans Besuch wie schon in den vergangenen Jahren auch diesmal wieder auf der Entwicklung des gegenseitigen Handels. Er hat die schon vor Jahren anvisierte Schwelle von fünf Milliarden Dollar jährlich noch immer nicht erreicht. Beitragen sollen zu einem größeren Handelsvolumen künftig Gaslieferungen nach Ungarn durch die russisch-türkische Pipline Turkish Stream sowie Waffengeschäfte - Ungarn will eine großangelegte Aufrüstung seiner Armee auch mit türkischen Waffenlieferungen bewerkstelligen.

Interessen gelenkte Handelspolitik

Orbán hat allerdings auch ganz persönliche Wirtschaftsinteressen: Er ist seit vielen Jahren mit dem schwerreichen türkischen Geschäftsmann und Ex-Präsidenten von Galatasaray Istanbul, Adnan Polat, befreundet. Polat hat unter anderem Immobiliengeschäfte mit Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz getätigt, eine Stiftung von ihm kümmerte sich um die Renovierung des berühmten Gül-Baba-Grabmals in Budapest. Polat will außerdem künftig massiv in erneuerbare Energien in Ungarn investieren. Er ist es wohl auch gewesen, der Orbán und Erdogan enger zusammengebracht hat.

Die Intensivierung der Beziehungen zu Ländern wie der Türkei, Russland, China und den zentralasiatischen Republiken lief in Ungarn lange unter dem Motto "Öffnung nach Osten". Ungarns Ziel war, Märkte, Investitionen und Kredite zu erschließen. Ausdrücklich betonte Orbán dabei immer wieder, dass es um eine interessengeleitete Politik gehe und man auf jegliche Belehrungen von Partnerländern verzichte. Wiederholt warf Orbán dem Westen auch Heuchelei und "doppelte Standards" vor, etwa, wenn Ungarn aus Berlin für Beziehungen zu Ländern kritisiert wurde, mit denen Deutschland selbst groß im Geschäft war und ist.

Ungarn als Brückenkopf

Doch Orbáns Diplomatie geht weit über den Rahmen von Realpolitik hinaus. Ungarns Premier provoziert mit zugespitzter Kritik an der EU ebenso wie mit teilweise unterwürfig anmutenden Huldigungen an die Adresse autoritärer Staatsführer. Dabei geht es ihm jenseits des nominellen "nationalen ungarischen Interesses" oft auch darum, sich unter anti-liberalen Kräften zu vernetzen und sich als bedeutender europäischer Politiker ins Gespräch zu bringen. "Brückenkopfbestrebungen" nennt das der Politologe Péter Krekó vom Budapester Institut Political Capital - Orbán sehe sich in einer Vermittlerrolle zwischen Ost und West.

Mitunter nimmt diese Politik auch absurde Züge an: Mehrfach betonte Orbán in der letzten Zeit bei Treffen mit Erdogan und mit Staatschefs der turksprachigen Staaten Zentralasiens, dass die Ungarn hunnisch-türkischen Ursprungs seien und ihre Sprache mit den Turksprachen verwandt sei. Seriöse ungarische Akademiker reiben sich bei solchen Aussagen Orbáns immer wieder die Augen: Der Ursprung der Ungarn verliert sich im Dunkel der Geschichte, und eine Verwandschaft des Ungarischen mit den Turksprachen gilt als widerlegt.

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