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Politik

Bestürzung über Angriff auf Flüchtlingslager

3. Juli 2019

Die Attacke mit 44 Toten lenkt einmal mehr den Blick auf die unhaltbaren Zustände für Flüchtlinge in Libyen. Nur eine mutige junge Frau darf sich im Lichte der Katastrophe zugute halten, richtig gehandelt zu haben.

Ein Mädchen betrachtet einen zerstörten Raum im libyschen Flüchtlingslager Tadschura (Foto: Reuters/I. Zitouny)
Bild: Reuters/I. Zitouny

Ein Luftangriff auf ein Internierungslager für Flüchtlinge und Migranten in Libyen hat international Bestürzung ausgelöst. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, erklärte via Twitter, Zivilisten dürften niemals ein Angriffsziel sein. Libyen sei kein sicheres Land, in das Flüchtlinge zurückgeschickt werden dürften. Die willkürlichen Inhaftierungen müssten enden.

 

Der für Libyen zuständige Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Charlie Yaxley, erklärte in einem Interview der Deutschen Welle, die Attacke komme einem Kriegsverbrechen gleich. Bei dem Angriff auf das Lager Tadschura in der Hauptstadt Tripolis am Dienstagabend wurden mindestens 44 Menschen getötet und mehr als 130 verletzt. Der UN-Sicherheitsrat hat für diesen Nachmittag in New York eine Dringlichkeitssitzung einberufen. 

UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach von einer schrecklichen Tragödie, die leicht hätte vermieden werden können, und forderte die sofortige Evakuierung aller inhaftierten Migranten und Flüchtlinge aus Libyen. Zum Zeitpunkt des Angriffs seien in Tadschura mehr als 600 Männer, Frauen und Kinder gefangen gewesen, sagte der medizinische Leiter von "Ärzte ohne Grenzen" in Libyen, Prince Alfani: "Unsere Teams haben das Zentrum gerade gestern besucht und 126 Menschen in der Zelle gesehen, die getroffen wurde." Die Überlebenden in Tadschura stünden Todesängste aus. Auch die Internationale Organisation für Migration (IOM) forderte ein Ende der willkürlichen Inhaftierungen in Libyen. Seit Jahresanfang hätten mit Hilfe der IOM mehr als 5.000 Migranten aus dem arabischen Land in 30 Heimatländer in Afrika und Asien zurückkehren können, erklärte die UN-Organisation.

Die EU verurteilte den "schockierenden und tragischen Angriff" auf das Flüchtlingslager und forderte eine internationale Untersuchung. Gewalt gegen Zivilisten, "Flüchtlinge und Migranten eingeschlossen", sei "inakzeptabel", erklärte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Auch die Bundesregierung verurteilte den Angriff scharf. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte, es müsse schnellstmöglich geklärt werden, wer dafür verantwortlich sei. Frankreichs Außenministerium rief die Kriegsparteien zur "sofortigen Deeskalation und zur Einstellung der Kampfhandlungen" auf. Italiens Außenminister Enzo Moavero äußerte sich ebenfalls bestürzt und verurteilte die "Bombardierung ziviler Gebiete" scharf. Die Türkei sprach von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. "Es muss umgehend eine internationale Untersuchung eingeleitet werden, um die Verantwortlichen zu identifizieren", sagte ein Sprecher des Außenministeriums.

Nach dem Luftangriff auf das Flüchtlingslager Tadschura in Libyens Hauptstadt TripolisBild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Es ist nicht das erste Mal, dass Migranten und Flüchtlinge in Libyen ins Kreuzfeuer gerieten. Seit Beginn des Konflikts zwischen der international anerkannten Regierung und den Milizen des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar Anfang April gab es bereits mehrfach Angriffe auf Lager oder in deren Nähe. Einige Beobachter gehen davon aus, dass Haftar für die Attacke auf Tadschura verantwortlich ist. Der Kriegsherr aus dem Osten kämpft um die Macht in Libyen und beherrscht schätzungsweise 70 bis 80 Prozent des Landes. Der Luftkrieg seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA) gegen Tripolis kommt allerdings seit Monaten nicht voran. Vergangene Woche mussten Haftars Truppen in Gharian, rund 90 Kilometer südlich von Tripolis gelegen, sogar einen herben Rückschlag einstecken.

"Sea-Watch 3"-Kapitänin Carola Rackete Bild: Reuters/G. Mangiapane

Ärzte ohne Grenzen nahm die Aufhebung des Hausarrests für die "Sea-Watch"-Kapitänin Carola Rackete zum Anlass, einmal mehr auf die schlimme Lage für Flüchtlinge in Libyen hinzuweisen. Dort könnten Helfer täglich erleben, wie lebensbedrohlich die Situation von Flüchtlingen sei, betonte die Organisation. Die EU-Staaten dürften das Zurückbringen von Migranten nach Libyen nicht mehr zulassen. Die 31-Jährige Rackete hatte in der Nacht zu Samstag das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" mit 40 Migranten an Bord in den Hafen von Lampedusa gesteuert. Zuvor hatte sie es abgelehnt, Libyen oder auch Tunesien anzusteuern, weil in diesen Ländern Menschenrechtsverletzungen drohten.

sti/rb (afp, dpa, epd, kna)

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