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Politik

Bestürzung über Mord an Journalisten in Kaschmir

Shamil Shams
15. Juni 2018

Der Mord an dem Journalisten Shujaat Bukhari in Srinagar zeigt auf traurige Weise, wie gering die Chancen für Mäßigung und vernünftige Lösungen im Dauerkonflikt um Kaschmir sind.

Kaschmir Shujaat Bukhari Bild von seiner Twitter Seite
Bild: twitter.com/bukharishujaat

Shujaat Bukhari hat lange Zeit als Freelancer für die DW aus Südasien berichtet. 1990 begann Bukhari für die DW-Programme in Hindi, Urdu und Englisch über die Ereignisse im indischen Teil  Kaschmirs zu berichten. Damals intensivierte sich dort die pro-pakistanische Aufstandsbewegung, was zu entsprechenden indischen Repressionen führte. Der zunehmend gewaltsame Konflikt in der Himalaregion erregte zunehmend das Interesse der Weltöffentlichkeit. In jener Zeit, 1995, wurden sechs europäische Touristen in Kaschmir von Extremisten entführt, darunter der Deutsche Dirk Hasert. Auch darüber berichtete Bukhari für die DW vor Ort. Als er vor etwa zehn Jahren Chefredakteur der Zeitung "Rising Kashmir" wurde, endete seine regelmäßige Zusammenarbeit mit der DW, er blieb aber  den Kollegen des deutschen Senders verbunden.

DW-Chefredakteurin Ines Pohl sagte zur Ermordung von Bukhari: "Der ehemalige DW-Korrespondent Shujaat Bukhari verkörperte im zerrissenen Kaschmir wie kein Zweiter die journalistische Tugend der kritischen Distanz. Er war eine der wenigen, die in dem Konflikt für Mäßigung und Vernunft eingetreten sind. Seine Stimme wird fehlen. Die DW betrauert den Tod dieses unerschrockenen Kollegen, der sich trotz aller Bedrohungen und Anfeindungen immer für die Meinungs- und Pressefreiheit engagiert hat."

DW-Chefredakteurin Ines Pohl: "DW betrauert den Tod dieses unerschrockenen Kollegen"Bild: DW/P. Böll

UN-Bericht über Menschenrechtsverletzungen in Kaschmir

Bukhari wurde nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung eines Berichts der UN-Menschenrechtskommission zur aktuellen Lage  im indischen Teil Kaschmirs erschossen. Dort wird die Einsetzung einer Untersuchungskommission zu Menschenrechtsverletzungen gefordert, die sowohl den indischen  Sicherheitskräften als auch den pro-pakistanischen Extremisten zugerechnet werden. Der letzte Tweet von Bukhari bezog sich darauf, er lautete: "Der erste derartige Bericht über Menschenrechtsverletzungen in #Kaschmir."

Der Bericht konzentriert sich auf die jüngste Welle der Gewalt im indischen Teil Kaschmirs, die  im Juli 2016 begann, nachdem indische Sicherheitskräfte den jungen Separatistenführer Burhan Wani erschossen hatten. Der UN-Bericht nennt eine Zahl von 145 durch Sicherheitskräfte getötete Zivilisten in den zwei Jahren seit Wanis Tod, während bis zu 20 getötete Zivilisten auf das Konto von Militanten gehen.

Die jüngste Welle des gewaltsamen Widerstands gegen die indischen Behörden in Kaschmir wird vor allem von der lokalen Jugend getragen. Viele der jungen Männer, die erst nach dem Beginn der Aufstandsbewegung 1989 geboren wurden, fühlen kaum eine Verbindung zum indischen Staat. Fast 60 Prozent der männlichen Bevölkerung im indischen Teil Kaschmirs (Jammu und Kaschmir) ist unter 30 Jahre alt, 70 Prozent unter 35 Jahren, bei einer Gesamtbevölkerung von rund 12,5 Millionen.

Iftekhar Gilani (1. v.l.) sagt, Bukhari (2.v.l.) habe sich zunehmend bedroht gefühlt Bild: Privat/Naaz Shah

Islamistische Kräfte in Kaschmir

"Der Staat hat nicht genügend Stellen, um seine Jugendlichen in Beschäftigung zu bringen. Und ebenso wichtig wäre eine politische Lösung des Konflikts", sagt der Politologe R K Bhat aus Srinagar gegenüber der DW. Beobachtern zufolge nutzen dschihadistische Gruppen die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher für ihre Zwecke aus, so dass die jahrzehntealte Los-von-Indien-Bewegung einen zunehmend islamistischen Charakter bekommt -  eine Entwicklung, die auch Bukhari mit Besorgnis sah.

Der indische Zeitungsverlegerverband Editors Guild of India verurteilte den Mord an Bukhari als "neuen Tiefpunkt in dem sich ständig verschlechternden Arbeitsumfeld für Medienschaffende in Kaschmir und in ganz Indien." Der Journalist Iftikhar Gilani aus Kaschmir sagte der DW, Bukhari habe den Preis dafür bezahlt, dass er aus einer Konfliktzone berichtete. "Er fühlte sich vor einer Ermordung zunehmend  unsicher", berichtet Gilani. "Journalisten in Kaschmir werden dauernd bedroht. Die indischen  Behörden müssen den Mord an Bukhari aufklären und die Täter bestrafen", fordert Robert Mahoney vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) in einer Erklärung von Freitag. Bukhari hatte Polizeischutz seit einem Anschlag auf ihn im Jahr 2000.

Die jüngste Eskalation im indischen Teil Kaschmirs begann im Juli 2016Bild: picture-alliance/dpa/F. Khan

Wachsendes Gefühl der Unsicherheit

Journalisten in Kaschmir stehen unter Druck von allen Seiten, durch Behörden, Geheimdienste, paramilitärische Kräfte, militante Separatisten, so dass sie zum Selbstschutz oft Selbstzensur üben. "Ich berichte schon sehr lange über Kaschmir, aber in den vergangene ein zwei Jahren habe ich  mich unsicher wie nie zuvor gefühlt", sagte Meraj Du Din der DW. Politischen Beobachtern zufolge ist nach dem Mord an Bukhari nicht nur Aufklärung dieses Verbrechens dringlich, sondern auch eine generelle Untersuchung von Menschrechtsverletzungen durch Indien, Pakistan und die militanten Gruppen in Kaschmir.

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