Bestechung im Gesundheitswesen
4. September 2009Der Korruptionsvorwurf an die Adresse von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten in Deutschland schlägt hohe Wellen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dem Nachrichtensender N24, dass die gegenwärtige Überweisungspraxis einiger korrupter Ärzte bei Krebspatienten "im Einzelfall sogar den Tod des Patienten zur Folge haben" kann. Der Vorsitzende der "Kassenärztlichen Bundesvereinigung", Andreas Köhler, bezeichnet das dagegen als "Quatsch". Er hält den Vorwurf der Bestechung im Gesundheitswesen für übertrieben. Am Freitag (04.09.2009) jedenfalls haben Vertreter von Ärzteschaft und Krankenhausbetreibern bei einem Treffen in Berlin beschlossen, gemeinsam gegen die Korruption vorgehen zu wollen.
Melkkühe und Fangprämien
Es gibt, so lautet der Vorwurf, Ärzte, die Patienten nur an solche Krankenhäuser überweisen, von denen sie Geld dafür bekommen. Die kassieren dann eine, wie es salopp heißt, "Fangprämie". So versuchen Krankenhäuser, die eine schlechte Bettenauslastung haben, mit jedem neuen Patienten ihre Bilanz aufzufrischen. Besonders beliebt sind dabei Zugänge für die Urologie, die Orthopädie und die Chirurgie. Diese Patienten firmieren intern unter der Bezeichnung "cash-cow", also etwa: Melkkuh. An ihnen lässt sich am besten Geld verdienen.
Anschließend wird der Patient vom Krankenhaus wieder an den Arzt, von dem er kam, zurück überwiesen, damit dieser die Nachsorge betreiben kann - und somit weiter verdient. Das ist seit den jüngsten Gesundheitsreformen möglich. Diese Leistungen muss der niedergelassene Mediziner allerdings mit dem Krankenhaus abrechnen und darf sie nicht noch zusätzlich bei der Arzt-Vereinigung geltend machen. Darauf wies der Vorsitzende der "Kassenärztlichen Bundesvereinigung" hin. Außerdem, so sagte er weiter, gebe es Ärzte, die Behandlungen abrechneten, für die überhaupt kein Vertrag existierte.
Dieser graue Patientenmarkt scheint aber nicht das einzige Feld zu sein, auf dem die Korruption blüht. So weist die Krankenkasse KKH-Allianz darauf hin, dass es auch bei der Zusammenarbeit von Ärzten mit Sanitätshäusern oder Hörgeräteakustikern zu Unregelmäßigkeiten kommt. In jedem Fall, sagt Dina Michels, Chefermittlerin bei der KKH laut "Frankfurter Rundschau", ließen sich die Ärzte entlohnen - allerdings nicht unbedingt direkt mit Geld. So werden den Medizinern schon mal die Kosten für die Praxishelferin erstattet oder es werden die Raten für das Leasing des privaten Zweitwagens übernommen.
Gesetze ändern oder anwenden?
Inzwischen fordern Krankenkassen und Sozialverbände, Politiker und Ärztevertreter unisono, die Vorwürfe aufklären zu wollen und den Kampf gegen die Korruption im Gesundheitswesen zu verschärfen. Die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ilse Aigner, mahnt in diesem Zusammenhang: "Patienten sind keine Handelsware". Der Ärztevertreter Rudolf Henke fordert, "diese Machenschaften mit allen Nachdruck zu unterbinden".
Die KKH-Allianz regt an, den Bestechungsparagraphen im Strafgesetzbuch so zu verändern, dass man ihn auf diese Fälle anwenden könnte. Der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder, machte jedoch im "ARD-Morgenmagazin" klar, dass an eine Verschärfung des Strafrechts nicht gedacht werde. Man müsse nur die bestehenden auch anwenden. So heißt es zum Beispiel in der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns im Paragraphen 31: "Dem Arzt ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren."
Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Kay-Alexander Scholz