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Politik

Beten für den Krieg - in Deutschland

Richard A. Fuchs
26. Januar 2018

Der Vorwurf wiegt schwer: Wurde in deutschen Moscheen für den Sieg der türkischen Armee in Nordsyrien gebetet? Der Islamverband DiTiB und türkische Politiker dementieren Berichte. Ausgeräumt ist die Sache damit nicht.

Deutschland Jahreshauptversammlung Ahmadiyya Muslim Jamaat
Bild: picture alliance/dpa/K. Nguyen

Die türkische Militäroffensive gegen kurdische Milizen in Nordsyrien wirkt wie ein Spaltpilz - auch in Deutschland. Dazu beigetragen haben Berichte, dass die Angriffe mit Kampfpanzern aus deutschen Rüstungsschmieden vorangetrieben werden. Besonders emotional wurde es aber, als bekannt wurde, dass Imame von DiTiB-Moscheen zum Gebet für eine erfolgreiche Militäroffensive aufgerufen haben sollen. Mehrere Medien berichteten davon, unter Verweis auf mehrere Quellen. Laut "Spiegel Online" ließen sich entsprechende Zitate auf Facebook-Einträgen islamischer Geistlicher nachlesen. Ein Imam aus Baden-Württemberg schrieb demnach, man werde dafür beten, dass "unsere heldenhafte Armee und unsere heldenhaften Soldaten siegreich sein werden."

Wird in Deutschland wieder für den Krieg gebetet?

Seyran Ateş, Mitgründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Der Islam-Verband DiTiB, dem enge Verbindungen zur staatlichen Religionsbehörde Diyanet in der Türkei nachgesagt werden, wies die Anschuldigungen kategorisch zurück. Einen zentralen Aufruf habe es nie gegeben. Welche Gebete gesprochen werden, entschieden die Gemeinden aller Religionsgemeinschaften selbst, heißt es in einer Erklärung des Verbands mit Sitz in Köln. Von einer Distanzierung war nichts zu lesen. Die Rechtsanwältin Seyran Ateş verwundert das nicht. Sie hält den Verweis, man habe das nicht zentral angeordnet, für eine reine "Schutzbehauptung". Im DW-Interview sagt das ehemalige Mitglied der Deutschen Islamkonferenz: "Allein die Tatsache, dass der Staatspräsident der Türkei über die Diyanet diesen Krieg religiös kommuniziert, also dafür die Einrichtung der Moschee nutzt, ist meiner Meinung nach ein Skandal."

Widerspruch kommt vom türkischen Politiker Mustafa Yeneroğlu, der im Interview mit dem Deutschlandfunk entgegnet: "Es wird nicht für den Krieg, sondern für das Überleben von türkischen Soldaten und ihren Verbündeten gebetet und für die Sicherheit des Landes, und das ist wohl das Selbstverständlichste, was es geben kann." Das Mitglied der türkischen Regierungspartei AKP verweist darauf, mit Blick auf seine persönlichen Erfahrungen in Deutschland, dass auch in christlichen Kirchen "für den Schutz und für die gefallenen deutschen Soldaten gebetet wurde." Seyran Ateş, die in Berlin Gründungsmitglied einer liberalen Moschee-Gemeinde war, hält Vergleiche wie diesen für fahrlässig: "Es hat eine andere Konnotation, wenn Menschen als Gläubige mit hineingezogen werden in einen strategisch lange vorbereiteten Krieg, der über innenpolitische Dinge hinwegtäuschen soll." 

Einzelne Vergehen oder systematischer Tabu-Bruch: Wie viele Imame haben für eine siegreiche Offensive der türkischen Armee aufgerufen?Bild: picture alliance/dpa/O. Berg

Islam-Verband DiTiB muss sich von Ankara lösen

Bernd Ridwan Bauknecht, islamischer Religionslehrer aus Nordrhein-Westfalen, wirbt im DW-Interview für eine Versachlichung der Debatte, die er als teilweise "hysterisch" wahrnimmt. Bauknecht kann es sich nicht vorstellen, dass auf zentralen Befehl von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ein Aufruf ergangen sein soll. Dass es in einzelnen Moschee-Gemeinden zu diesen Aktionen gekommen sei, das hält das frühere Mitglied der deutschen Islamkonferenz aber für sehr wahrscheinlich.

"Ich verurteile das, rufe gleichzeitig aber dazu auf, sich für einige Momente in die Gefühle vieler türkischer Bürger hineinzudenken." Es habe in den vergangenen Jahren in der Tat zahllose Anschläge der Terrormiliz IS und durch die kurdische PKK auf türkischem Boden gegeben. "Viele Menschen fühlen sich wirklich bedroht, weshalb dort die Verteidigung der Landesgrenzen mit ganz anderen Augen wahrgenommen wird", argumentiert Bauknecht.

Eine Gebetsszene in der DiTiB-Moschee in StuttgartBild: picture-alliance/dpa/D. Naupold

Mit Blick auf Deutschland sieht er die muslimischen Verbände in der Pflicht. Der Islam-Verband DiTiB könne verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen, indem er sich öffentlich und glaubhaft von der türkischen Religionsbehörde Diyanet lossagt. "Es muss in Deutschland um die deutschen Muslime gehen - und nur um die", fordert Bauknecht.    

Wer vertritt den Islam in Deutschland - und vor allem wie?

Noch sieht die Realität anders aus. Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 wurden von deutschen Behörden immer wieder Versuche der Einflussnahme der Türkei festgestellt. In einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei hieß es im Dezember, dass die Regierung in Ankara versuche, regierungsnahe Organisationen, Interessensverbände und eben auch Religionsgemeinschaften zu beeinflussen.

Diskussionen um politische Einflussnahme auf gläubige Muslime gab es in der Vergangenheit auch vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum, durch das sich der türkische Präsident deutlich mehr Machtbefugnisse im Staatsapparat sicherte. In der Folge sollen Imame auch Erdogan-Gegner von der Gülen-Bewegung bespitzelt haben.

Auf Nachfrage der DW bei verschiedenen Instituten für Islamische Theologie an deutschen Universitäten zeigte sich, dass dortige Vertreter derzeit ungern mit Zitaten zum Gebets-Streit an die Öffentlichkeit treten wollen. Ein möglicher Grund ist, dass in den Beiräten vieler Studiengänge auch DiTiB-Vertreter einen festen Platz haben.

Gehen die Anschläge auf Moscheen in der Debatte unter?

Der türkische AKP-Politiker Mustafa Yeneroğlu zu Gast in einer deutschen TalkshowBild: picture-alliance/ZB/K. Schindler

Der türkische AKP-Politiker Mustafa Yeneroğlu hält die Debatte in Deutschland für völlig fehlgeleitet. Statt mit dem Finger auf DiTiB zu zeigen, sollten die sich häufenden Angriffe auf Moscheen unterbunden werden. In dieser Woche gab es Anschläge auf Moscheegebäude in Minden und Leipzig, bei denen Wände mit Farbe beschmiert und Fenster zerstört wurden. Auch an Flughäfen war es zuletzt zu Rangeleien zwischen kurdischen Demonstranten und türkischen Fluggästen gekommen. "Da sollte man sich eher darüber aufregen, dass viele PKK-Anhänger Moscheen angreifen und türkische Muslime permanent auf deutschen Straßen belästigen, ohne dass sich die Öffentlichkeit darüber aufregt", so Yeneroğlu.

Seyran Ateş bezeichnet Äußerungen wie diese als Ausdruck einer äußerst "einseitigen Opferrollenhaltung". Selbstverständlich gebe es Anschläge auf Flüchtlingseinrichtungen, auf Ausländer und Migranten, so die Frauenrechtlerin mit kurdischen Wurzeln weiter. "All das gibt es, aber, Herr Yeneroğlu übersieht sehr gerne selbst, was in den DiTiB-Moscheen für ein Hass geschürt wird und wie nicht unbedingt integrationsfördernde Politik betrieben wird."

Gebete für Soldaten und Angehörige im Krieg hat es zu allen Zeiten gegeben. Etwas anderes ist es, für eine erfolgreiche Kriegsmission zu beten. Bild: picture alliance/Geisler-Fotopress/D. Anoraganingrum

Ateş fordert ein Umdenken. "Ich finde es grundsätzlich einen Skandal, dass die deutsche Politik DiTiB noch immer als Kooperationspartner und Gesprächspartner vollumfänglich akzeptiert." Es sei inzwischen doch für jeden sichtbar, dass DiTiB über die Türkei finanziert werde und Herr Erdogan direkten Einfluss auf die Politik des konservativen Verbandes ausübe. "Dieses Sich-Etwas-Vormachen der deutschen Politik ist für die Öffentlichkeit nicht mehr akzeptabel", sagt die Mitgründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin.

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