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Bethlehem: Weihnachten im Krieg

24. Dezember 2024

Es ist bereits das zweite Weihnachtsfest in Bethlehem, das im Zeichen des Kriegs steht. Die Lage scheint noch düsterer als im Vorjahr. Gibt es dort noch weihnachtliche Hoffnung? Aus Bethlehem Jan-Philipp Scholz.

Zehn Polizisten stehen in einer Reihe vor der Geburtskirche Jesu, rechts dahinter steht ein Polizeiwagen
Viel Polizei sorgt an Heiligabend für Sicherheit vor der Geburtskirche JesuBild: AP Photo/Matias Delacroix/picture alliance

Jesus kam in einem ärmlichen Stall in Bethlehem zur Welt, so erzählt es die christliche Weihnachtsgeschichte. Der Grund: Es gab keinen Platz mehr in Bethlehems Herbergen. Rund 2000 Jahre später sieht die Lage völlig anders aus: Fast alle der 5000 Hotelzimmer der Stadt sind leer. Es fehlen Touristen. Das macht nicht nur den Hotels, sondern auch den Geschäften zu schaffen. Ramzi Sabella hat einen kleinen Laden in Sichtweite der Geburtskirche Jesu – und er kann sich fast an jeden Touristen persönlich erinnern, der dieses Jahr in sein Geschäft kam. "Vor ein paar Wochen war mal ein Gast aus Nigeria hier", erzählt der Ladenbesitzer.

Viel Ware, wenig Kunden. So ist die Situation für die Ladenbetreiber in BethlehemBild: Jan-Philipp Scholz/DW

Normalerweise kaufen christliche Pilger aus aller Welt Ladegeräte für Handys und Selfie-Sticks bei ihm. Vor allem jetzt an Weihnachten hätte er viel zu tun – normalerweise. In Kriegszeiten ist alles anders. "Inzwischen kommen nur noch manchmal ein paar Einheimische vorbei – und sie kaufen meist die billigsten Produkte. Sie haben auch kein Geld mehr", erklärt Ramzi.

Einwohner verlassen Bethlehem

Seit dem Ausbruch des Kriegs im Gazastreifen ist die Wirtschaft im von Israel besetzten Westjordanland, in dem Bethlehem liegt, massiv eingebrochen. Der Tourismus ist für die Stadt seit Jahrzehnten die Haupteinnahmequelle. Doch die Bettenauslastung fiel laut örtlichem Hotelverband von rund 80 Prozent kurz vor dem Krieg auf nur noch drei Prozent heute.

Auch auf dem großen Krippenplatz vor der Geburtskirche Jesu ist die Stimmung düster. Normalerweise dröhnt von hier aus laute Weihnachtmusik durch die gesamte Altstadt Bethlehems. Doch dieses Jahr herrscht Stille: keine Weihnachtslieder, kein Weihnachtsbaum, keine Dekoration. Nur ein paar Journalisten sind auf den Platz gekommen, um über das traurige Ereignis zu berichten.

Viele Journalisten, wenig Touristen vor der Geburtskirche JesuBild: Jan-Philipp Scholz/DW

Es ist bereits das zweite Jahr, in dem das Weihnachtsfest hier im Schatten des Kriegs steht. Laut Lokalbehörden sind in den letzten Monaten fast 500 Familien aus Bethlehem ausgewandert – bei einer Einwohnerzahl von nur rund 30.000 eine beachtliche Anzahl. Und das sind nur die offiziellen Angaben. Viele weitere, so erzählen die verbleibenden Bewohner, haben sich mit temporären Touristenvisa auf den Weg gemacht und versuchen, sich im Ausland mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen.

"Eine Botschaft an die ganze Welt" 

Doch die wachsende Armut ist nur die eine Seite. Angesichts der vielen Tausend getöteten im Gazastreifen ist hier ohnehin niemandem zum Feiern zumute. "Wir beten dieses Jahr ganz im Stillen – und wir wollen damit eine Botschaft an die gesamte Welt senden", erklärt Priester Issa Musleh von der griechisch-orthodoxen Kirche. "Wir verurteilen zutiefst, was momentan in Gaza passiert." 

Priester Issa Musleh wünscht sich FriedenBild: Jan-Philipp Scholz/DW

Auch in Bethlehem und im restlichen Westjordanland wird die Stimmung seit dem Ausbruch des Kriegs immer angespannter. Das bekommen die rund 50.000 Christen genauso zu spüren wie die muslimische Mehrheit in der von Israel besetzen Region. Laut Vereinten Nationen wurden seit Beginn des Krieges mehr als 700 Palästinenser im Westjordanland getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 23 Israelis gewaltsam ums Leben. Gerade jetzt an Weihnachten sollten sich alle darauf besinnen, dass Jesus in Bethlehem geboren wurde, um die Menschen zum Frieden aufzurufen, so der griechisch-orthodoxe Priester. 

Wunsch nach friedlichem Miteinander

Unter diesen Umständen fällt es den Christen der Region jedoch schwerer als je zuvor, an die hoffnungsfrohe Weihnachtsbotschaft zu glauben. Dabei bewiesen die Menschen in Bethlehem seit langem, dass ein friedliches Miteinander möglich sei, meint Kellner Nadeem. Er beobachtet das traurige Geschehen vor der Geburtskirche aus der Ferne - von seinem leeren Café auf einem umliegenden Hügel.

Freie Sicht vom Café auf die Geburtskirche Jesu - auch deshalb, weil kaum Gäste im Café sind.Bild: Jan-Philipp Scholz/DW

Er selbst sei Muslim, gehe aber auf eine christliche Universität. Als er vor dem Krieg noch öfter ins nur wenige Kilometer entfernte Israel gefahren sei, hatte er dort viele jüdische Freunde. "Eigentlich wollen wir alle das Gleiche", meint Nadeem. Ein einfaches Leben in Frieden.

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