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Politik

Ihr Bauch gehört nicht ihr

Rupert Wiederwald
10. April 2019

Mehr als 200 Millionen Frauen in Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln. Diese mangelnde Geschlechtergerechtigkeit ist laut Weltbevölkerungsbericht der Grund für das weltweite Bevölkerungswachstum.

Schwangere Frauen in Äthiopien
Bild: Getty Images

Jeden Tag werden 236.000 Menschen geboren. Im Jahr 2050 werden nach Prognosen der Vereinten Nationen (UN) knapp 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. "Bevölkerungsexplosion" nennt das der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller, der am Mittwoch erstmals in Deutschland den Weltbevölkerungsbericht vorstellte.

"Wir sind in einer Entwicklung, die nicht normal ist. Man muss sich die Frage stellen, haben wir überhaupt genug Essen und sauberes Wasser, um diese Menschen zu versorgen?" Die Antwort auf diese Frage habe Konsequenzen, so der Minister, etwa den Klimawandel oder immer mehr Menschen auf der Flucht.

Mangelnde Gleichberechtigung

Es sind vor allem die am wenigsten entwickelten Länder der Erde, deren Bevölkerung am stärksten wächst. Während in den Industriestaaten statistisch betrachtet jede Frau 1,7 Kinder zur Welt bringt - in Deutschland sind es 1,5 - bringt eine Frau aus einem Entwicklungsland durchschnittlich fast vier Kinder zur Welt.

Auch deshalb steht der Weltbevölkerungsbericht unter der Überschrift "Unfinished Business - unerledigte Aufgaben". Die hohe Geburtenrate sei vor allem auf Probleme bei der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in vielen Ländern zurückzuführen, erklärt Natalia Kanem, Chefin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, UNFPA.

So bekomme eine Frau im Niger im Schnitt sieben Kinder, auch wenn die meisten Frauen sich eigentlich kleinere Familien wünschten. Doch dieser Wunsch werde einfach nicht berücksichtigt, so Kanem, in vielen Ländern würden die Männer sich darüber hinwegsetzen. Außerdem seien Verhütungsmittel vor allem für die Menschen auf dem Land kaum zu bekommen.

Lebensgefährliche Geburten

Schon 1994 hatten sich 179 Staaten in Kairo darauf geeinigt, das Bevölkerungswachstum aufhalten zu wollen und gemeinsame Ziele formuliert. Ganz vorne stand dabei das Recht jeder Frau, selbst zu entscheiden, ob und wie viele Kinder sie bekommen will - und von wem. Aber noch heute gibt es weltweit nach Angaben der UN über 200 Millionen Frauen, die keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, täglich sterben an die 800 Frauen an den Folgen von Schwangerschaft oder Geburt.

"Familienplanung darf kein Tabuthema sein", erklärt Entwicklungsminister Müller und betont, dass er dieses Thema bei jedem offiziellem Treffen anspreche: "Ohne Regierungschefs und Religionsführer vor Ort geht es nicht."

Als Beispiel nennt Müller Malawi. Dort habe die Regierung unter anderem mit deutscher Hilfe eine Aufklärungskampagne gestartet und damit die Geburtenrate innerhalb weniger Jahre signifikant von über fünf Kindern pro Frau auf knapp vier Kinder gesenkt. Im benachbarten Sambia sei dies unmöglich, so Müller: "Dort sagt der Präsident, ihm seien zehn Kinder lieber als fünf. Da kommen Sie mit Aufklärung nicht mehr weit."

Fortschritte für Frauen

Müller kündigte an, dass Deutschland seinen Anteil an der Finanzierung des UN-Bevölkerungsfonds um elf Millionen Euro auf dann 33 Millionen erhöhen würde. Außerdem gebe Deutschland etwa eine Milliarde Euro für Bildung von Frauen in ärmeren Ländern aus, davon etwa 100 Millionen für Aufklärungsprogramme und Familienplanung.

Trotz der anhaltenden Probleme bei der Familienplanung hat sich die Lage in den vergangenen 50 Jahren deutlich verbessert. So hatten 1969 nur knapp zwei Prozent der Frauen in Entwicklungsländern Zugang zu Verhütungsmitteln.

Auch die Müttersterblichkeit geht zurück. Immer weniger Frauen sterben an den Folgen einer Entbindung. Allein zwischen 1994 und 2015 nahm die Sterblichkeit von Müttern pro 100.000 Lebendgeburten deutlich ab, von 832 auf 436. 

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