Bewegung bei Wiener Atomverhandlungen?
26. Januar 2022"Der Iran könnte direkte Gespräche mit den USA in Erwägung ziehen, wenn ein gutes Abkommen in Aussicht steht", hatte der iranische Außenminister Hossein Amir Abdollahian vor der Presse verkündet. Direkte Gespräche mit den Amerikanern hatte Irans Chef-Diplomat bisher kategorisch abgelehnt. Die USA, die 2018 unter Präsident Trump einseitig aus dem Atomabkommen ausgestiegen waren, seien kein Verhandlungspartner mehr.
Die USA begrüßen die Signale aus Teheran. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, erwiderte noch am selben Tag auf einer Pressekonferenz: "Wir haben immer wieder argumentiert, dass eine direkte Interaktion mit dem Iran bei den JCPOA-Verhandlungen und anderen Themen, einschließlich bilateraler und multilateraler Formate, vorteilhafter wäre."
Angeblich Einigung über "Garantien"
Ein Jahr nach Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen begann der Iran 2019 die Erfüllung seiner Verpflichtungen schrittweise zu reduzieren und verstößt inzwischen offen dagegen. Vor einer Neuauflage des "Joint Comprehensive Plan of Action" verlangt Teheran nun eine Garantie, dass künftig kein Unterzeichner mehr daraus aussteigen kann.
Nach iranischen Angaben soll es Fortschritte bei den Wiener Atomgesprächen zwischen dem Iran und den anderen Partnern des Abkommens geben. Saeed Khatibzadeh, Sprecher des iranischen Außenministeriums, hatte Anfang der Woche gesagt: "Die Fortschritte bei den Gesprächen gehen in die richtige Richtung." Weiter betonte der Sprecher: "Viele der iranischen Ideen sind in Worte gefasst worden, etwa im Bereich der Garantien. Wichtig ist, dass alle Verhandlungsparteien akzeptiert haben, dass sich das, was in den vergangenen Jahren mit dem Ausstieg der USA aus dem JCPOA passiert ist, nicht wiederholen darf." Die konkrete Formulierung solcher Garantien ist bislang nicht bekannt.
Politische Geiseln in iranischen Gefängnissen
Ausführlich berichten iranische Medien über personelle Veränderungen im amerikanischen Verhandlungsteam in Wien. Richard Nephew, bislang Stellvertreter des Delegationsleiters Rob Malley und bekannt als Architekt des Sanktionsregimes, hat die Delegation verlassen. Laut "Wall Street Journal" hat Nephew seit Anfang Dezember nicht mehr an den Wiener Gesprächen teilgenommen; er soll sich für eine härtere Gangart bei den Verhandlungen ausgesprochen haben.
US-Chefunterhändler Malley scheint zwar entschlossen, einen Deal mit dem Iran zu erreichen. Er sagte allerdings auch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: Ein Deal mit dem Iran wäre nicht vorstellbar, solange unschuldige US-Bürger in iranischen Gefängnissen als Geiseln inhaftiert seien. Momentan sitzen vier US-Bürger mit einer zweiten iranischen Staatsbürgerschaft dort im Gefängnis. Kurz nach Malleys Interview teilte das iranische Außenministerium mit, der Iran sei bereit, eine schnelle Lösung für diese "humanitäre Frage" zu finden.
Weiter Geduld gefordert
"Beide Seiten nutzen eindeutig die Medien, um Botschaften zu verbreiten und die Darstellung der anderen Seite in Frage zu stellen", analysiert Sanam Vakil, stellvertretende Direktorin des Nahost-Nordafrika-Programms beim britischen Think-Tank Chatham House. Sie dämpft allzu großen Optimismus: "Während der Iran ein baldiges Abkommen in Aussicht stellt, gehen westliche Experten davon aus, dass ein Deal noch nicht so bald erreichbar ist."
Der JCPOA ist eine komplizierte Vereinbarung von 154 Seiten mit vielen technischen Details. Nach Einschätzung der Expertin Vakil haben die Verhandlungen auf technischer Ebene Fortschritte gemacht. "Dies liegt teilweise daran, dass Russland und China dabei helfen, den Iran wieder zu dem zurückzuführen, was bereits vereinbart wurde, und teilweise daran, dass die sogenannten Plan-B-Szenarien für alle Parteien so unattraktiv bleiben", schreibt Vakil in einem Bericht über die Wiener Verhandlungen für Chatham House.
Iran bei Sanktionen kompromisslos
Zu den Plan-B-Szenarien gehört die Möglichkeit eines Interimsabkommens. Ein solches soll von amerikanischer Seite - laut iranischer Darstellung - indirekt bei den Wiener Verhandlung ins Spiel gebracht worden sein. Das Ziel: Zeit zu gewinnen und das Fortschreiten des iranischen Atomprogramms zu verlangsamen. Ein solches Abkommen könnte beinhalten, dass der Iran seine Urananreicherung bei 60 Prozent deckelt, und dafür Zugriff auf einen Teil seiner eingefrorenen Gelder erhält. Diese Idee soll US-Sicherheitsberater Jake Sullivan bei einem Gespräch mit der israelischen Regierung im vergangenen Dezember vorgebracht haben, allerdings ohne positive Resonanz, wie die US-Agentur Axios berichtete.
Der Iran lehnt ein Interimsabkommen jedenfalls ab, wie das iranische Außenministerium vergangene Woche bekräftigte, sondern verlangt die Aufhebung aller Sanktionen ohne Wenn und Aber. "Der Iran will einen Deal und die Alternativen sind weder für den Iran noch für die USA attraktiv", teilte Hassan Ahmadian, Dozent für Nahost- und Nordafrikastudien an der Universität Teheran, Ende Dezember auf Nachfrage der DW mit. "Für mich ist ein völliges Scheitern der Verhandlungen schwer vorstellbar, vielmehr wird der Verhandlungsprozess sicher weitergehen."